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Debatte Islamistischer TerrorBöse, Dumme und Gemeine

Kommentar von Georg Seeßlen

Auf dem Planet der Verdammten wird eine Zukunft verhindert, die auf Migration, Freiheit und Solidarität gebaut ist.

Auf dem Planet der Verdammten sind „Hunger Games“ die adäquate Unterhaltung. Kleiner, schäbiger, heldenloser als im Kino allerdings. Foto: ap

G emeinsam sind sie so unausstehlich wie unbezwingbar: Die skrupellosen Karrieristen und Geldmenschen, die „Gewinner“ des stylishen Neoliberalismus, die nach Mord und Terror geifernden Neofaschisten, die hassbesoffenen Pegida-Marschierer und die blödsinnig vor ihren Fernsehern und Klatschblättern hängenden Schnäppchenjäger, nach Sensation und Idylle hungernden Gaga-Konsumenten.

Normalerweise haben die drei nicht sonderlich viel miteinander zu tun, abgesehen davon, dass jeder von ihnen in der anderen Hälfte seines Lebens einer von den jeweils anderen sein kann.

Wenn die einen als „besorgte Bürger“ auf die Straße gehen (oder auf die Straße gehen lassen), erzeugen sie das Klima, das schlecht für Menschen und gut für Investitionen ist; wenn die anderen wegen ein paar Steuerhinterziehungen oder Betrugsmanövern ein paar öffentliche Tränen vergießen, machen sie deutlich, was man sich hier eigentlich in die Tasche stopfen könnte, wenn man nur skrupellos genug wäre; wenn die Dritten zwischen Kätzchenvideos, Helene Fischer und Castingshows hin und her zappen, sichern sie die Prekarisierung der Arbeitsplätze in der Sinnindustrie und verhindern, dass „Kultur“ eine Option für Restistance wäre.

Es ist ein Planet der Verdammten, auf dem „Hunger Games“ die adäquate Unterhaltung sind. Kleiner, schäbiger, heldenloser als im Kino allerdings.

Aus der Geste der reinen Negation ist eine absurde Zukunftshoffnung geworden

Aber wissen die Dummen, dass sie nur so dumm leben dürfen, weil sie dabei von den Gemeinen gefüttert und gemolken werden? Wissen die Gemeinen, dass sie nur so lange ihren Gelddrogenrausch leben können, solange die Bösen die Gedanken an Gerechtigkeit und Ausgleich verhindern und die Kräfte der Opposition binden oder lähmen? Und wissen die Gemeinen, wie sehr sie in die Krise geraten müssten, wenn sie nicht mehr von den Dummen (den immer nachwachsenden) unterstützt und gefüttert würden? Und die Bösen? Wissen sie, dass sie ein Instrument für die Gemeinen sind, das bei Bedarf auch wieder abgelegt oder umgebaut wird?

Trialektische Einheit

Etwas steht fest für alle, die nicht zu den Dummen, den Bösen und den Gemeinen gehören wollen: dass man sich nur zur Wehr setzen kann, wenn man die trialektische Einheit darin sieht. Und wer glaubt, sich mit den einen gegen die anderen verbünden zu können, verschiebt allenfalls Akzente.

Wer den Neoliberalismus bekämpft, ohne seine andere Seite, den Neofaschismus zu bekämpfen, hat schon verloren. Wer glaubt den Faschismus bekämpfen zu können, ohne die organisierte Dummheit zu bekämpfen, hat schon verloren. Wer glaubt, die Dummheit bekämpfen zu können, ohne jene Kräfte zu bekämpfen, die von ihr profitieren, hat schon verloren.

Während die Bösen, die Dummen und die Gemeinen gemeinsam eine Zukunft verhindern, die auf Migration, Freiheit und Solidarität gebaut wäre, sehen sie nur den einzigen „ernst zu nehmenden“ Gegner, einen gläubigen oder glaubenskranken Terroristen, der die Bösen noch an Bosheit, die Dummen noch an Dummheit und die Gemeinen noch an Gemeinheit weit übertrifft.

Islamistischer Terror ist das Einzige, was der westliche Kapitalismus nicht „schlucken“ kann. Und das nicht, obwohl, sondern gerade weil der dessen Spiel durchaus durchschaut. Dieser Terror muss in seiner eigenen Logik so barbarisch, blind und sadistisch sein, damit alle Brücken abgebrochen, jedes Schlupfloch zur Integration und zum Auffressen verstopft ist.

Islamistischer Terror als Gegenbewegung

Wenn, sagen wir, ein Science-Fiction-Autor am Schreibtisch eine Gegenbewegung zur allumfassenden lückenlosen Herrschaft der Gemeinen, der Bösen und der Dummen erfinden müsste, ihm würde zweifellos so etwas wie der islamistische Terror einfallen müssen.

Mittlerweile ist dieser (scheinbar) einzige Nichtkapitalismus als postfaschistische Ideologie in ein neues Stadium getreten. Der religiöse Faschismus verknüpft sich mehr und mehr mit einem nationalen Faschismus. Es soll nicht nur eine Religion siegen, es soll auch ein Staat entstehen. Eher schon eine Art Superstaat. Aus der Geste der reinen Negation ist eine absurde Zukunftshoffnung geworden.

Sicher ist jedenfalls, dass die Allianz der Bösen, der Dummen und der Gemeinen diesen Superterrorstaat mit erzeugt haben wird. Denn gemeinsam haben sie die Idee einer wirklichen Alternative, einer anderen Zukunft als die Hölle auf Erden, verhindert. Sie verhindern, dass es eine interessante und hoffnungsfrohe Zukunft (des Unperfekten und der Unperfekten) als Alternative zur Hölle auf Erden geben kann.

Religiöser Faschismus

Der Islamo-Faschismus, das macht ihn so stark, findet im Westen immer weniger eine Alternative und immer mehr nur ein groteskes Spiegelbild. Menschen und Programme, die am liebsten genauso handeln würden, unmenschlich, sadistisch; Menschen und Programme, die sich Mühe geben, den schlimmsten Propagandabildern zu entsprechen. Wenn man ein Gott wäre, aber wer ist das schon, könnte man sich ernsthaft fragen, ob es da jemanden gebe, den zu retten die Mühe wert wäre. Wenn man ein Mensch ist, und das sind auch nicht mehr sehr viele, dann würde man gern jeden Einzelnen retten, auch die Dummen, die Bösen und die Gemeinen.

Der terroristische Islamo-Faschismus bricht nicht nur mit den Projekten Demokratie, Aufklärung oder Humanismus, er bricht mit der Menschheit, er bricht mit dem Leben. Es gelingt ihm, die Selbstheilungskräfte in den westlichen Gesellschaften zu vernichten, die Zivilgesellschaft, die Jugend, die Kultur, den öffentlichen Raum, das, was auch in der Herrschaft der Bösen, der Dummen und der Gemeinen nicht gänzlich verloren geht, eine Lust, zu leben und miteinander zu sein.

Unser Science-Fiction-Autor, natürlich, erfindet eine kleine, rebellische Gruppe von Menschen, die nicht der einen noch der anderen Seite zugehören, sondern sich nicht ausreden lassen wollen, dass es etwas anderes gibt als die Hölle auf Erden. Dass irgendwann aus dem Planeten der Verdammten ein Planet der Menschen wird. Grenzenlos und friedlich und solidarisch. Science-Fiction eben.

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6 Kommentare

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  • wer anders denkt als ich ist böse, gemein oder dumm.

     

    eine ebenso arrogante wie naive haltung.

     

    peinlich.

  • Vielen Dank für den Artikel!

     

    Ich denke, daß kaum einer der beschriebenen Menschentypen von den Zusammenhängen versteht, in die er sich hineingeworfen hat. Es sind schlicht Menschentypen die in den heutigen Gesellschaften entstehen, wenn in erster Linie an den eigenen Vorteil gedacht wird, ans Anpassen und an das Mitschwimmen mit der (jeweils subjektiv gesehenen) größten Masse.

     

    Als Nichtgläubiger Christ sehe ich die "Hölle auf Erden" allerdings plakativ, metaphorisch. Natürlich erlaubt ein auf ein paar tausend Zeichen beschränkter Zeitungsartikel keinen umfassenden Tiefgang. Alternativen, sprich alternative Menschen (selten die, die sich als solche bezeichnen), gibt es aber viele, Herr Gipp. Dies fällt vielleicht schwer zu glauben, wenn die momentan beliebteste fiktionale Form die dystopische ist und Utopia bspw. in besagten Filmen nur zu erreichen ist, wenn die 'besten' Menschen zu Mördern werden.

     

    Wer sich jetzt in Wehklagen ergießt und sinngemäß nach der Bibel meint, daß wir ja alle Sünder seien, zeigt nur erneut die Dekadenz dieser Religion, die Hoffnung nennt, was Resignation bedeutet. Das geht besser!

    • @TV:

      Ich wünschte, es wäre so. Ich wünschte, es gäbe solche alternativen Menschen tatsächlich. Ich sehe nur keine.

      Der Wille zur Verbesserung der Welt ist hier kein Kriterium. Selbst der IS will die Welt verbessern. Bei all den Weltverbesserungen geht es interessanterweise immer darum, dass die _Anderen_ sich ändern müssen.

      Natürlich ist dieser Artikel stark verkürzt und kann das, was ist, nur sehr grob wiedergeben. Aber man bekommt durchaus eine Idee. Die Hölle sehe ich weniger metaphorisch, und schon gar nicht wie die katholische Kirche, sondern tatsächlich eher so, wie dieser Artikel das beschreibt.

      Trotzdem hat Jeder (auch Nichtchrist), der ernsthaft für Frieden und Vielfalt eintritt, meinen vollen Respekt. Punktuell ist da sicher auch was zu verbessern. Aber generell zeigt die Geschichte eher, dass es abwärts geht.

      • @Gipp Siegfried:

        "punktuell verbessern" lehnt der Autor aber ab.

  • Schön geschrieben - bei aller Holzschnitzartigkeit eine treffende Analyse - trotz Hoffnungslosigkeit irgendwie doch etwas Lich am Ende des Tunnels vermittelnd - leider haben wir, die wir das .kleine gallische Dorf darstellen, keinen Zaubertrank ... abgesehen der großen menschlichen Grenzerfahrungen: Liebe - Güte - Vergebung. Eben der Sprung, der das stetige Auge um Auge durchbricht. Oder anders: Der die Kette des Karmas sprengt. Es braucht also keine Teufelskreise der Gewalt, sondern Engelskreise des Friedens - und von den Dummen, Gemeinen und Bösen wird das als "Schwäche" betrachtet. Und wenn der Islamofaschismus so gewissenlos ist wie er scheint, dann hätte dort die aktive Gewaltfreiheit a la Ghandi, Martin Luther King oder auch Hildegard Goss-Mayr wirklich ihre Grenze gefunden. was dann? eine globale lose-lose Situation?!

     

    Manchmal ist mir danach die nächsten zehn Jahre einfach in einer Höhle zu verbringen in der Hoffnung, dann hat sich was gebessert - nur, dann hätte ich zur Verbesserung nicht beigetragen?! Nur was soll ich beitragen?

  • Gerade für mich als Christ ist dieser Artikel hochinteressant. Ich frage mich allerdings, nicht nur als Christ, sondern auch als aufmerksamer Leser dieses Artikels, ob die Alternative zur Hölle auf Erden eine realistische ist. Theoretisch ist solch eine Alternative sicher möglich. Aber angesichts des schieren Mangels an alternativen Menschen ist diese Alternative sehr unwahrscheinlich.

    Für mich als Christ ist die Menge der hier beschriebenen Menschen 100%, abzüglich genau eines einzigen Menschen (nein, nicht ich).