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Debatte Islam und IslamismusWitze mit Bart

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Vor 20 Jahren wurde Salman Rushdie von Ajatollah Chomeini mit dem Tod bedroht. Die Auseinandersetzung mit Islam und Islamismus hat sich seitdem stark verändert.

Bild: taz

Daniel Bax, 38, ist seit 1998 bei der taz, zunächst im Kulturteil und seit 2004 als Redakteur im Ressort "Meinung und Diskussion". Nicht zuletzt die "Rushdie-Affäre" brachte ihn dazu, in Berlin Islamwissenschaft und Publizistik zu studieren.

Als der greise Ajatollah und "Revolutionsführer" Chomeini am 14. Januar 1989 über Radio Teheran zur Ermordung des Autors Salman Rushdie aufrief und dessen Roman "Die Satanischen Verse" für blasphemisch erklärte, reagierte die Welt schockiert. Der ungeheuerliche Vorgang führte zu einer neuerlichen Eiszeit zwischen dem Mullah-Regime und dem Westen, die sich gerade erst angenähert hatten. Entschärft wurde der Konflikt erst Jahre später, als der Iran vom Mordaufruf Abstand nahm.

Der Mordaufruf provozierte eine beispiellose Welle der Solidarität mit dem bedrohten Autor, der untertauchen musste. Tausende Schriftsteller aus aller Welt stellten sich hinter Salman Rushdie, organisierten öffentliche Lesungen und verurteilten die skandalöse "Fatwa". Auch namhafte arabische und muslimische Schriftsteller und Intellektuelle waren dabei: Der ägyptische Nobelpreisträger Nagib Mahfuz nannte sie einen "Akt des Terrorismus" und der marokkanische Autor Tahar Ben Jelloun schrieb, sie habe "nichts zu tun mit dem toleranten Islam, der mir gelehrt wurde".

Tatsächlich lässt sich Chomeinis "Fatwa" nach traditionell islamischer Lesart so wenig legitimieren wie die Attentate vom 11. September: beide sind eine Ausgeburt des modernen Fundamentalismus. Der "Fatwa" vorausgegangen waren Proteste in britischen Städten und im benachbarten Pakistan, angezettelt von islamistischen Verbänden. Sie brachten Chomeini wohl erst auf die Idee, sich an die Spitze dieser Bewegung zu stellen. Sein Mordaufruf war ein Schachzug, um sich als Meinungsführer zu profilieren. Sie lenkte von der Schwächung seines Landes nach dem achtjährigen Krieg gegen den Irak ab, übertünchte innenpolitische Differenzen und zementierte den fundamentalistischen Anspruch seines Regimes.

Damals schienen die Fronten noch klar: Chomeini und seine Anhänger hier, die engagierten Verteidiger der Meinungsfreiheit dort. Seitdem hat sich die Auseinandersetzung mit Islam und Islamismus jedoch stark verändert, denn seit dem 11. September 2001 haben sich der globale Kontext und das gesellschaftliche Klima vielerorts gewandelt. In Afghanistan und dem Irak sind westliche Truppen einmarschiert, der Libanon und der Gazastreifen wurden bombardiert, und viele westliche Staaten haben ihre Gesetze für Einwanderer verschärft. Viele Muslime fühlen sich seither in die Defensive gedrängt.

Manche, wie der britische Publizist Kenan Malik, ziehen heute trotzdem eine gerade Linie von der "Rushdie-Affäre" zu scheinbar ähnlichen Ereignissen der jüngeren Vergangenheit - dem Eklat um die dänischen Mohammed-Karikaturen, dem Rummel um die Papstrede von Regensburg oder die übereilte Absetzung einer "Idomeneo"-Aufführung an der Deutschen Oper zu Berlin. Und sie finden, "der Westen" oder "die Linke" betreibe gegenüber dem Islamismus eine Art "Appeasement".

Dass die dänische Zeitung Jyllands-Posten im "Karikaturenstreit", anders als Rushdie, keine breite Solidarität erfuhr, dient solchen Stimmen als Beleg für ihre These. Doch es dürfte nicht nur die Furcht vor unabsehbaren Folgen gewesen sein, die manche deutsche Zeitung davon abhielt, die dänischen Zeichnungen abzudrucken. Viele empfanden die Aktion mit den Mohammed-Karikaturen schlicht als allzu kalkulierte Provokation: Man spürte die Absicht und war verstimmt. Und, um der Legendenbildung vorzubeugen: es waren linke (taz) wie konservative (FAZ, Focus) Blätter, die die Zeichnungen druckten - und linksliberale (Süddeutsche, Frankfurter Rundschau) wie rechte (Bild), die darauf verzichteten.

Auch wäre es falsch, jeden Konflikt, der sich vorgeblich um religiöse Gefühle von Muslimen dreht, ins enge Schema eines Kulturkampfs mit "dem Islamismus" zu pressen. Dass etwa auf dem Höhepunkt des Karikaturenstreits ausgerechnet in Damaskus und Beirut die Botschaften brannten, dürfte zum Beispiel eher wenig mit Religion, dafür viel mit einem (säkularen) syrischen Regime unter Druck zu tun gehabt haben. Und zuweilen kommen solche "Skandale" ja sogar ganz ohne beleidigte Muslime aus. Im Fall der "Idomeneo"-Oper waren es etwa die Befürchtungen des Berliner Innensenators, welche die Intendantin zu einer Panikreaktion verleiteten. Kein einziger Muslim hatte sich zuvor darüber beschwert, dass dem Propheten Mohammed in der Inszenierung der Kopf abgeschlagen wird.

Auch wenn manche es gerne als einen Kulturkampf sehen wollen: Die Auseinandersetzung mit Islam und Islamismus ist im Kern ein politisches Thema. Die Frage ist: Wie bekämpft man eine fundamentalistische Ideologie, und wie begegnet man antidemokratischen Tendenzen unter Einwanderern? Da sollte man sich nicht von religiöser Rhetorik täuschen lassen, wenn es um einen offensiv vorgetragenen Machtanspruch geht. Deshalb ist es wichtig, dass die "Satanischen Verse" in jedem Buchladen stehen können und jede Zeitung das Recht hat, die dänischen Mohammed-Karikaturen zu drucken, wenn ihr danach ist.

Eine andere Frage lautet jedoch: Welchen Platz räumen wir Muslimen in unserer Gesellschaft ein? Das berührt das Verhältnis von Staat und Religion, das in vielen europäischen Ländern längst noch nicht so eindeutig geklärt ist, wie viele meinen. Und es berührt zu Beispiel die Frage, wem in den Medien mehr Raum gegeben wird: den Muslimen selbst? Oder den Karikaturen, die andere von ihnen entwerfen?

Pressefreiheit hat auch etwas mit Verantwortung zu tun. Sie endet da, wo die Diffamierung einer Minderheit beginnt. Aus diesem guten Grund hat auch keine deutsche Zeitung die Holocaust-Karikaturen nachgedruckt, zu denen der Iran als Reaktion auf den "Karikaturenstreit" aufgerufen hatte. Es greift zu kurz, die Meinungsfreiheit an sich zu etwas Quasi-Heiligem zu stilisieren. Wer umstrittene Filme, Bücher und Karikaturen kunstreligiös zu etwas Unantastbarem erklärt, der verkennt, dass auch die Kunstproduktion den Prinzipien von Angebot und Nachfrage folgt. Und dass nicht jede Sensibilität gegenüber heiklen Themen gleich ein Ausdruck von Selbstzensur und "Appeasement" ist.

Kritik am Islam ist, zumindest in westlichen Gesellschaften, kein Tabu. Im Gegenteil: eine regressive "Islam-Kritik" ist in den letzten Jahren fast schon zu einer Art Volkssport geworden. Sie verspricht ein gewisses Restrisiko, garantiert aber hohe Aufmerksamkeit. Heute braucht es deshalb nicht mehr allzu viel Mut, um Muslime und ihren Glauben als etwas Gestriges oder gar Gefährliches darzustellen - das macht heute schon jeder zweite "Tatort"-Krimi. Mit plumpem Islam-Bashing schafft man es hierzulande in Talkshows und Bestsellerlisten. Und einzig um der Aufmerksamkeit willen hält sich die FAZ, bislang nicht durch antiklerikale Neigungen aufgefallen, neuerdings eine Karikaturen-Serie, die sich um einen verrückten und homophoben Mullah dreht.

Witze mit Bart - keine Frage, auch das gehört zur Meinungsfreiheit. Aber Aufklärung sieht anders aus. DANIEL BAX

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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10 Kommentare

 / 
  • MH
    Martin Haspelmath

    Sie schreiben: "Die Frage ist: Wie bekämpft man eine fundamentalistische Ideologie, und wie begegnet man antidemokratischen Tendenzen unter Einwanderern?"

     

    Ich würde sagen: Die eigentliche Frage ist: Wie bekämpft man die Kriegsverbrecher in den westlichen Ländern, die die Angriffe auf Afghanistan, Irak, Libanon und Gaza betrieben haben, und die von weiten Teilen der westlichen Gesellschaften unterstützt werden? Wenn der Westen seine Prinzipien von Frieden und Demokratie auch anwenden würde, würde sich das Problem des militanten Islamismus sofort von selbst erledigen.

  • M
    Marti

    "Tatsächlich lässt sich Chomeinis "Fatwa" nach traditionell islamischer Lesart so wenig legitimieren wie die Attentate vom 11. September: beide sind eine Ausgeburt des modernen Fundamentalismus." schriebt der Autor.

     

    Beides ist aber falsch. Jeder, der den Islam kritisiert oder verspottet hat sein Lebensrecht verwirkt. Schon Mohammed hat Kritiker und Spötter per Auftragsmord liquidieren kassen. Man recherchiere hierzu einfach mal, wie Mohammed mit Abu 'Afak verfahren ist.

     

    Die klassicher Scharia hat dies dann zur Norm erhoben.

     

    Der Angriffkrieg ist nach klassischer Scharia eine kollektive religiöse Pflicht (fard kifaya), die Muslime müssen stets versuchen neue Gebiete für den Islam zu erobern, sonst machen sie sich kollektiv schuldig.

     

    Das Töten von Frauen und Kindern sollte dabei zwar unterlassen werden, schließlich kann man sie ja als Beute noch nutzbrindend verwenden, das Töten von michtmuslimischen Fauen und Kindern ist aber, solange sie keine Kopfsteuer (dschizya) bezahlen, nach klassischer Scharia sünd- und straflos möglich.

     

    Muslime, die bei Angriffen im Gebiet des Krieges (dar al-harb) umkommen, sind dafür selbst verantwortlich, weil ihre Anwesenheit dort nach klassicher Scharia sowieso nicht vorgesehen ist.

     

    Klar, der sich verbindliche gebende "Dialog-Imam" in der nächsten Moschee wird das alles abstreiten. Aber dazu lese man einfach mal den Zeit-Artikel von Bassam Tibi zum diesen Thema: "Selig sind die Belogenen".

  • B
    bitbrain

    "Der "Fatwa" vorausgegangen waren Proteste in britischen Städten und im benachbarten Pakistan ..."

    ist ein Witz, der noch keinen Bart hat.

  • B
    bewegungsmelder

    Hallo Herr Bax,

    zunächst mal vielen Dank für den klaren Artikel. Lediglich einen wichtigen Punkt möchte ich noch der Vollständigkeit halber hinzufügen:

    Es gibt zumindest auf politischer Ebene keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus!

    Man kann allerdings sehr wohl zwischen den Muslimen differenzieren, die den Islam entsprechend mehr oder weniger kategorisch leben. Und natürlich sollte man auch zwischen den Menschen differenzieren, die lediglich aus islamisch geprägten Ländern stammen und jenen, die darüber hinaus die Religion Islam mehr oder minder orthodox leben.

    Als jemand, der Islamwissenschaft studiert hat, dürften Sie um die islamimmanente Problematik wissen, den Absolutheitsanspruch und die Endgültigkeit des Korans mit einer aufgeklärten modernen säkularen und demokratischen Gesellschaft in Einklang zu bringen. Der entsprechende Bezug fehlt mir in Ihrem Artikel, der ansonsten einige interessante Blickwinkel zeigt.

    mit freundlichen Grüßen

    Bewegungsmelder

  • WV
    Wilhelm Voigt

    Die toleranten Suren des Korans sind Mohammeds Zeit in Mekka zuzurechnen, einer Zeit in der Mohammed machtlos war. In Medina, als Mohammed finanzielle, militärische und religiöse Macht bekam, hat sich der Ton der Suren verändert. Das sind die Suren, die Buchgläubige (Christen und Juden) bekehren, oder unterwerfen und die Ungläubige töten wollen.

    Und der Koran sagt explizit, dass die späteren Suren frühere ersetzen.

    Das im Islam propagierte Haus des Friedens besteht, im Gegensatz zum Haus des Krieges, nur da, wo der Islam regiert und der Frieden in Welt wird dann eintreten, auch das sagt der Islam, wenn der Islam von allen Menschen angenommen wird.

    Der Unterschied zwischen Islam und Islamismus verschleiert die Tatsache, dass der Koran voller Aufforderungen ist, Ungläubige zu töten, oder zu unterwerfen und den Islam in der ganzen Welt zu verbreiten.

  • FK
    Florian Kren

    "Sie verspricht ein gewisses Restrisiko, garantiert aber hohe Aufmerksamkeit. Heute braucht es deshalb nicht mehr allzu viel Mut, um Muslime und ihren Glauben als etwas Gestriges oder gar Gefährliches darzustellen "

    So was laecherliches,sagt ihnen der Name Theo van Gogh irgendwas?

     

    Es ist immer noch gefaehrlich den Islam auf die falsche Art zu kritisieren.

    "- das macht heute schon jeder zweite "Tatort"-Krimi."

    Fundamentale Kritik am Islam finden sie in keinem Tatort. Denn in einem Tatort werden nur die Handlungen einzelner Muslime dargestellt.

     

    Gefaehrdet ist aber nur der Kritiker, der nicht einzelne Muslime angreift,sondern der, der dem Islam oder gar der Mehrheit der Muslimen(das sind 2 verschiedne Dinge) etwas vorwirft, wie das z.b. Theo can Gogh letzlich getan hat, der dem Islam als ganzes vorwarf frauenverachtend und aehnliches zu sein.

     

    Und aktuell zu nennen waeren Hirsi und Wilders, die beide aehnliches proklamieren und deswegen ernsthafte Morddrohungen erhalten und dementsprechend auch Polizeischutz benoetigen oder benotigt haben.

    (Ich will nicht sagen dass die Kritik dieser Personen berechtigt ist, sondern nur daraufhinweisen, dass gewisse Kritik mehr als ein Restirisiko beinhaltet und defintiv Mut erfordert, im Gegensatz zu dem was derKommentator in seiner Blauaeugigkeit behauptet.)

  • G
    gastleser

    Anmerkung: In der Karikaturenserie der FAZ handelt es sich beim von Herrn Bax genannten "Darsteller" um Noah aus dem 1. Buch Mose, Genesis. Letzere ist ein wenig älter als der Koran. Da den meisten deutschsprachigen Lesern - nicht nur der FAZ - die Überlieferung der Geschichte des Noah meist im Kontext des alten Testaments bekannt sein dürfte, gehe ich nicht davon aus, dass der Karikaturist die im Koran Noah betreffenden Suren als Grundlage seiner Serie heranzieht.

  • L
    Lupus

    "der Libanon und der Gazastreifen wurden bombardiert, und viele westliche Staaten haben ihre Gesetze für Einwanderer verschärft. Viele Muslime fühlen sich seither in die Defensive gedrängt."

     

    schön das alles so einfach ist, der Westen (?) bombardiert mal eben -offensichtlich ohne jeden Anlass- den Libanon und Gaza und verschäft dann böswilligerweise auch noch Einwanderungsgesetze, nimmt sich also die Frechheit raus etwas genauer festzulegen wenn man im Land haben will und schon fühlen sich "die Muslime" in der Defensive.....bestechende Logik

  • A
    aso

    Einerseits gab es (wohl berechtigte) Befürchtungen vor unabsehbaren Folgen bei Nachdruck der dänischen Karrikaturen, die als Provokation hingestellt wurden, andererseits sollte sie jede Zeitung nachdrucken können, wenn ihr danach ist, Provokation hin oder her. Ja wie denn nun?

    Islam Kritik wird als regressiv hingestellt.

    Dabei ist es doch eher so, daß seit immer mehr an Informationen über den Islam bekannt werden, deutlich wird, daß nicht die Kritik an ihm, sondern der Islam selbst regressiv ist.

    Kritik kein Tabu mehr?

    Wer deutlich Kritik übt bekommt Morddrohungen, und braucht Polizeischutz.

    In der Tat ist es ein politisches Problem, da der Islam eine politische Ideologie ist, die alle Lebensbereiche einschließt, auch religiöse.

    Demokratische Anteile, Frauenemanzipation, etc. sind in dieser Ideologie nicht vorgesehen.

    Warum gibt es im Islam so wenig interne Selbstkritik?

    Warum schreibt der Autor nicht mal etwas über das Brotherhood „Project“?

  • KD
    kult des guten

    muss man studiert haben um so daneben zu liegen wie sie?