Debatte Irland: Da lacht die Bank

Befolgen die Iren die Anweisungen ihrer Regierung, werden sie auf ewig in der Krise stecken. Am besten, sie weigern sich, die Schulden zu zahlen.

Als ob sie nicht schon genug Ärger hätten! Nun werden die Iren auch noch verhöhnt. Was die Europäische Union gönnerhaft als "Rettungspaket für Irland" deklariert, ist in Wirklichkeit ein Rettungspaket für die Banken in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den USA. Das Paket für die Iren sollte die "Finanzmärkte" beruhigen, wie sie in der Sprache der herrschenden Ökonomie heißen. Nennen wir sie doch bei ihrem richtigen Namen: Es sind Spekulanten.

Die Deutschen und ihr Haufen

Es waren vor allem die deutschen Banken, die auf einem Haufen Geld saßen und es verleihen wollten, um Zinsen kassieren zu können. So steckten sie es in die irischen Banken, die übrigens allesamt noch im Juli dieses Jahres den Stresstest der europäischen Aufsichtsbehörde CEBS bestanden haben. Die wiederum liehen es der irischen Bauindustrie, die dank der Steuervergünstigungen wie beim Monopoly-Spiel baute, ohne sich um den Bedarf zu scheren.

Das Resultat ist bekannt: Die Blase platzte, Irland hat nun 300.000 leer stehende Häuser und Hunderte von Geistersiedlungen. Die Baufirmen konnten ihre Kredite an die irischen Banken nicht zurückzahlen, und die wiederum konnten ihre Schulden nicht bei den internationalen Banken begleichen. Pech, sollte man meinen: Man hat spekuliert und verloren. So ist das nun mal im Kasinokapitalismus. Doch dieser Begriff ist irreführend: Wenn man im Spielkasino sein Geld verzockt, ist es futsch, denn der Glücksspieler hat im Gegensatz zu den internationalen Banken keine EU im Rücken.

Die hat mit ihrem "Rettungspaket" dafür gesorgt, dass die internationalen Banken ihr verzocktes Geld zurückbekommen. Wer die Zeche zahlt, ist klar. Am Dienstag bekamen die irischen Steuerzahler die erste von vielen Rechnungen präsentiert. Der verheerende Haushaltsplan für 2011 sieht drastische Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen vor. Als wenn das nicht reicht, hat die EU den Iren für ihre Rettung Wucherzinsen von knapp 6 Prozent aufgebrummt. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Damit hat die EU, die ja ursprünglich auch als soziales und politisches Projekt gegründet worden war, jeglichen moralischen Anspruch aufgegeben.

Bis 2014 werden Irlands Schulden auf 175 Milliarden Euro angewachsen sein, wenn man es optimistisch betrachtet und darauf hofft, dass nicht auch noch eine Hypothekenkrise auf die Insel zukommt. Die Zinsen werden 8,5 Milliarden im Jahr verschlingen. Um die überhaupt bezahlen zu können, müsste die Wirtschaft um 8 bis 10 Prozent im Jahr wachsen. Wie soll das funktionieren? In den Sparplänen der Regierung ist für die Wachstumsförderung kein Geld vorgesehen. So wird eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, an deren Ende Irland auf einem riesigen Berg unbezahlbarer Schulden sitzt.

Irland, stell die Zahlungen ein!

Deshalb müssten die Zahlungen sofort eingestellt werden. Es ist ja nicht der irische Staat, der pleite ist, sondern sein Bankensystem. Wenn die Insel eine Chance haben soll, muss man eine klare Trennungslinie zwischen solventem Staat und bankrotten Banken ziehen. Die Regierung in Dublin hat genau das Gegenteil getan: Mit dem Deal, den sie mit EU und IWF ausgeheckt hat, sind die Finanzen von Staat und Banken fest verknüpft worden. Damit ist die irische Regierung zum Schuldeneintreiber für die ausländischen Banken verkommen.

Doch selbst wenn man die Schulden streichen sollte, wäre Irland noch lange nicht aus dem Schneider. Die korrupte politische Klasse und ihre Komplizen in Banken und Bauwirtschaft würden genauso weitermachen, wie bisher. Dabei ist es völlig nebensächlich, dass die Regierungskoalition aus Fianna Fáil und Grünen bei den vorgezogenen Wahlen im Februar wohl 80 Prozent ihrer Sitze einbüßen wird. Die darauf folgende Koalition aus Fine Gael und Labour wird es keinen Deut anders machen.

Aber vielleicht setzt die Krise ja eine Entwicklung in Gang, die längst überfällig ist. Irland hat bislang keine nennenswerte linke, ja nicht einmal sozialdemokratische Partei. Anfang der Woche schlossen sich mehrere linke Organisationen zur United Left Alliance zusammen, die bei den Wahlen einige Sitze gewinnen sollte.

Ohne eine grundlegende Reform des politischen Systems wird sich an der irischen Misere nichts ändern. Da ist zum einen das aufgeblasene Parlament. Wenn man es auf die Bevölkerungszahl umrechnete, hätte Deutschland mehr als 3.200 Abgeordnete. Die irischen Parlamentarier lassen sich ihren Job gut bezahlen. Im Vergleich zum Salär des Premierministers ist US-Präsident Barack Obama ein armer Schlucker. Natürlich lassen sich hier keine nennenswerten Summen für die Sanierung einsparen, aber es zeugt von der politischen Mentalität.

Korrupte Politikerkaste

Der Kolumnist Fintan OToole behauptet, dass Irland gar keine parlamentarische Demokratie habe. Das Parlament initiiere keine Gesetze, es segne lediglich die von der Regierung vorgelegten Entwürfe ohne Debatte ab. Das Parlament sei nicht rechenschaftspflichtig: Wenn immer etwas schiefgeht, schieben sich Minister und Bürokraten gegenseitig die Schuld zu, noch kein Politiker ist selbst bei eklatanten Fehlern zurückgetreten. Ein System, das keine der grundlegenden Anforderungen an eine parlamentarische Demokratie erfülle, gehört zerstört und von Grund auf neu errichtet.

Dazu gehört auch das Wahlsystem. Weil es keine Listenwahl gibt, müssen selbst Minister und Regierungschef Klinken putzen, wenn sie wiedergewählt werden wollen. Irische Politik ist deshalb vorrangig Lokalpolitik. Wenn der Premierminister sich um die Schlaglöcher in seinem Wahlkreis kümmern muss oder von Tür zu Tür geht, um stolz zu verkünden, dass er persönlich für die neue Friedhofsbeleuchtung gesorgt habe, dann gerät die nationale Politik ins Hintertreffen und erschöpft sich in der niederträchtigen Bemerkung des Finanzministers Brian Lenihan, dass alle jahrelang gefeiert haben und nun den Gürtel enger schnallen müssen. Es geht nicht darum, dass die Iren ein Opfer bringen müssen. Sie sind das Opfer. Dagegen müssen sie sich wehren.

Comments

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Die Anzeige zu den Luxusübernachtungen in Luxushotels nebenan gefällt mir dazu gerade besonders gut.- Die Frage ist wohl: werden wir alle geiler werden auf Geld, wenn es karger wird um uns herum oder eher asketisch, einsichtig, brüderlicher ? Von zehn Menschen, die morgen das große Los ziehen, den richtig gutbezahlten Job, das wuchtige Lottolos einlösen, werden acht wohl alles davon ehrgeizig eigennützig unter die eigene Matratze legen und überleben, ohne jemals wieder über Reformbedarf sprechen zu wollen. Es ist leicht, für alle dasselbe zu verlangen, wenn man nichts hat und schwer zu teilen, wenn es einem gut geht, und es scheint mir, es wird damit immer schwerer werden, in diesen kargen Zeiten.

[A.Grech]

"Als wenn das nicht reicht, hat die EU den Iren für ihre Rettung Wucherzinsen von knapp 6 Prozent aufgebrummt. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Damit hat die EU, die ja ursprünglich auch als soziales und politisches Projekt gegründet worden war, jeglichen moralischen Anspruch aufgegeben."

Hm, solange Irland seinen Unternehmen einen Steuersatz von 12,5% und seinen Bürgern - bei einem Einkommen von 15.000 Eur - einen EkSt-Satz von 0% "zumutet" bin ich eigentlich der Ansicht dass knapp 6% Zinsen durchaus angemessen sind - zumal der Kredit ja kaum zu 100% zurückgezahlt werden wird.

[Vlado P.]

@Markus Schmitt & iquique

Meiner Meinung nach hat der taz-Korrespondent keinen konkreten Vorschlag zur Lösung der Geldkrise gemacht, sondern dargelegt, dass die gegenwertig herrschende Politikerklasse in Irland nicht zu einer Lösung fähig sein dürfte, schon aufgrund von politischen Strukturproblemen (Direktwahl ohne Listen).

Außerdem hat er dargestellt, was jedem halbwegs mathematisch begabtem Menschen längst klar sein dürfte: Irland ist hoffnungslos überschulded und hat im gegenwärtigen Finanzsystem (wie auch Griechenland und einige andere Länder) nicht den Hauch einer Chance, die Schulden jemals zurückzuzahlen. Deswegen begrüße ich Ihren Kommentar, Herr Schmidt, denn man kann gar nicht oft genug auf die leider viel zu unbekannte Möglichkeit einer grundsätzlichen Geldreform (als Alternative zu dauerndem Wachstum, dauerner Inflation und regelmäßig alle paar Jahrzehnte auftretenden Währungsschnitten) hinweisen!

Eine gute Anlaufstelle dafür ist die "Initiative für natürliche Wirtschaftsordnung" (inwo.de).

[dietah]

hähähähä.

Tja, da ist es unser Wunderland von Bild&Banken.

Erzkatholisch, Feudalkapitalistisch, obrigkeitsdominiert Konservativ.

Ich kann mir eine gewisse Schadenfreude, dass das Vorzeigeprojekt des Feudalkapitalismusses so eklatant abgesoffen ist ja nicht verhehlen.

Korrupt, Verrottet, Marode.

Fest in den Händen von ein paar Maden, die sich schick den Rahm abschöpfen.

Es war natürlich zu erwarten, dass die Rettung des Landes unausweichlich in eine vertiefte Schröpfung der Milchkühe endet.

Und es ist abzusehen, dass dieser Weg ein längeres Leiden und noch tieferes Absaufen produziert.

Es ist aber ganz interessant zu beobachten, dass fast sämtliche Schwellenländer (also schnell wachsende innovative Gesellschaften)verstärkt auf das Pferdchen Sozialdemokratie umschwenken.

Wir (Europa/ USA) hingegen immer tiefer in einen Sumpf aus Korruption und Bürgerrechteabbau torkeln.

Egal! Ist das Wetter eh meist schöner, da unten.

[Sakralpunker]

"Was ist die Ausraubung einer Bank gegen die Gründung einer Bank" Berthold Brecht

Lieber Ralf Sotscheck, das ist ein sehr guter, treffender Kommentar! Er gibt einem die Hoffnung, dass bei der taz doch noch nicht alles verloren ist....

[vic]

Es ist niemals das Land, schon gar nicht die Bevölkerung.

Es sind immer Banken und Börsenschieber. Das ist in Deutschland nicht anders als anderswo.

[Slobo]

sehr schöner artikel. es ist echt ein skandal, dass banken aus der wirtschaft um jeden preis aus dem dreck gezogen werden - und das auf kosten des steuerzahlers, der mit den banken garnichts zu tun hat...

[iquique]

@ Markus Schnitt

Sie solltem den Autor des Kommentars ueberhaupt gar nichts unterstellen, auch keinen Koenigsweg.

Sie sollten es lieber unterlassen abwegige geldtheoretische Behauptungen (monetray reform nonsense) hier breit zu treten.

Es gibt den von ihnen angedeuteten Zusammenhang zwischen Wachstum, Zinseszins und Geldschoepfung nicht; abstraktes Kapitalismus-Gefasel hilft hier auch nicht weiter.

Auf der Basis eigener theoretischer Inkompetenz sollte man nicht gegen differenzierte und wohldurchdachte Kommentare poebeln.

[wolfgm]

Das ist es!! Und ist auch das Ziel!!

Die totale Kapital-Diktatur ,wir werden alle Leibeigene der Banken,Börsen und Spekulanten.

[strike]

Sie haben vergessen zu erwähnen, daß die Banken, auf die Sie so fürchterlich schimpfen, zu einem großen Teil staatlich bzw. öffentlich sind. Damit verkehrt sich natürlich die Conclusio ins Gegenteil.....

strike

[Micha]

Niemand in der EU, (schon gar nicht Deutschland) hat die Iren gebeten, mit viel zu niedrigen Unternehmenssteuern eine Blase zu generieren, die nicht mehr beherrschbar ist.

[Markus Schmitt]

Der Autor möchte andeuten, dass es einen Königsweg aus dieser Krise gibt, in dem man die Politiker austauscht, und versteht dabei nicht die Zusammenhänge, die sich aus dem Zinseszins Problem ergeben.

Kapitalismus ist darauf aufgebaut, dass die weltweite Nettokreditaufnahme immer weiter wächst. Das Wachstum ist deswegen nötig, weil der Zinseszins zu immer größerer Geldschöpfung nötigt. Auch D wird mit "europäischem Gutmenschentum" die Dinge nicht aufhalten, da das System an die Wand fährt. Jede einzige Aktion der EU und der BRD in den letzten Monaten hat die Nettokreditaufnahme (Schulden) weiter angekurbelt. Momentan sind die Schulden von GR und IRL durch die Rettungsmaßnahmen gestiegen. Falls sie nicht zurückgezahlt werden können (Euphemismus: besser umgeschuldet), werden diese Schulden in unseren Büchern landen. Die Politiker sind zu feige, den Menschen folgendes einzugestehen. Zu viel Geld bei Menschen, die das Geld arbeiten lassen anstatt es auszugeben, sucht sich hochverzinste Anlagemöglichkeiten und führt daher zu Schulden auf der anderen Seite. Die exponentiell anwachsende Schuldenproblematik führt zwangsläufig entweder zu hoher Inflation (damit die Schulden etwas weniger drücken) oder zu einem Währungsschnitt.

[Norbert Beiter]

Endlich höre ich auch bei der taz mal die klaren Worte, dass es so nicht funktionieren kann. Darauf warte ich schon seit Monaten.

Nicht erwähnt hat der Korrespondent, dass so nicht nur die Iren verarscht werden, sondern alle kleinen Steuerzahler der EU, die bei diesem "Rettungsschirm" beteiligt sind.

Wie lange lassen sich die sozial Schwachen sich das noch gefallen?