Debatte Iran: Sieg für die Mullahs
Obama versucht, den Iran als Verbündeten einzubinden. Doch die Feindschaft gegen Amerika und „den Westen“ ist die Machtbasis der Kleriker.
E s ist unbestritten, dass Iran als eine Regionalmacht im Irak, in Syrien, im Libanon und in Palästina über großen Einfluss verfügt und daher in die multilateral koordinierten Aktivitäten, insbesondere im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS), einbezogen werden müsste. Dagegen gibt es aber heftigen Widerstand. Israel, Saudi-Arabien und andere Staaten am Persischen Golf befürchten, dass eine Aufwertung Irans ihre Sicherheit und Interessen gefährden würde. Auch die Neokonservativen in den USA würden am liebsten Iran so weit wie möglich international isolieren.
Doch je verworrener sich die Lage im Nahen und Mittleren Osten gestaltet und je mehr Fortschritte die radikalen Islamisten erzielen, desto mehr drängt sich die Erkenntnis auf, dass eine Lösung ohne Einbeziehung Irans kaum möglich sein wird.
Das ist natürlich auch den Herrschenden im Iran bewusst. Eigentlich müssten sie den USA und ihren Verbündeten für die herausragende Stellung, die die Islamische Republik inzwischen errungen hat, dankbar sein. Schon der erste Golfkrieg, den Saddam Hussein mit massiver Unterstützung des Westens gegen Iran führte, lieferte den Klerikern die Möglichkeit, die Bevölkerung gegen den äußeren Feind zu einigen und ihre Ideologie des Märtyrertums zu verbreiten. Der Krieg hat dem Land viel Unheil gebracht, aber die Macht der Kleriker gefestigt.
Die Kriege, die die USA und ihre Verbündeten gegen Afghanistan und den Irak führten, waren für die Machthaber im Iran ein Segen. Ihre Erzfeinde, die Taliban und das Regime von Saddam Hussein, wurden beseitigt. Und während in Afghanistan die Besatzer mit ihrem Versuch, die Probleme des Landes hauptsächlich militärisch zu lösen, immer mehr scheiterten, beteiligte sich Iran an großen Infrastrukturprojekten und konnte damit seinen Einfluss im Nachbarland zunehmend stärken.
USA stützen iranische Kleriker
Im Irak übernahmen nach Saddams Sturz die Schiiten die Macht, deren Führer mehr als ein Jahrzehnt im iranischen Exil verbracht hatten. Diese überaus günstige Situation führte dazu, dass heute im Irak kaum eine wichtige Entscheidung ohne die Zustimmung Teherans getroffen wird. Es heißt sogar, Iran wäre der Unsichtbare am irakischen Kabinettstisch.
Das enge Bündnis mit Syrien gewährte dem Iran nicht nur großen Einfluss in dem Nachbarland Israels, sondern auch den Zugang zu den arabischen Staaten. Iran baute die Hisbollah im Libanon auf, die heute das Land mitregiert und militärisch stärker ist als die regulären Streitkräfte des Landes. In Palästina gewährte Iran der Hamas und dem Islamischen Dschihad massive militärische und finanzielle Unterstützung.
Die Machthaber im Iran streckten ihre Fühler auch jenseits des Persischen Golfs aus und versuchten dort die schiitischen Minderheiten für sich zu gewinnen. Einen großen „Erfolg“ konnten sie in Jemen verbuchen. Auch in Nordafrika will Iran Fuß fassen.
Die Islamische Republik ist bemüht, dieses Netz noch auszuweiten und seinen Einfluss in der Region zu stärken. Dies war auch der wichtigste Grund dafür, dass Teheran gleich beim Ausbruch der Krise in Syrien sich hinter das Regime in Damaskus stellte. Und während der Westen, die Türkei, Saudi-Arabien und Katar die Rebellen, einschließlich jene, die sich heute „Islamischer Staat“ nennen, finanziell und militärisch unterstützten, versuchte Iran mit allen Mitteln, Assad an der Macht zu halten, was ihm ja bis heute gelungen ist.
Lange Zeit hindurch planten die USA und ihre Verbündeten in Europa sowie Israel und die arabischen Staaten am Persischen Golf, einen Regimewechsel im Iran herbeizuführen. Es wurden harte Sanktionen gegen das Land verhängt, sogar mit einer militärischen Intervention wurde gedroht. Dabei ging es nicht nur um den Atomkonflikt, sondern noch mehr darum, den Einfluss der Islamischen Republik einzudämmen. Doch inzwischen scheint sich das Blatt gewendet zu haben. Denn zwar haben die Sanktionen der iranischen Wirtschaft großen Schaden zugefügt, aber sie haben nicht zum erwünschten Ziel geführt. Auch die verheerende Gefahr, die vom IS ausgeht und die ganze Region bedroht, machte besonders für die USA einen Kurswechsel der Iran-Politik notwendig. Die ersten Schritte dazu wurden in Geheimtreffen mit iranischen Vertretern vollzogen, und zwar unter Präsident Ahmadinedschad, längst vor der Wahl Präsident Rohanis.
Steinmeiers Vorschlag
Viele Indizien deuten darauf hin, dass zumindest die Regierung von Präsident Obama es inzwischen vorzieht, Iran statt als Feind als Verbündeten zu haben. Auch die Regierung in Teheran strebt eine Normalisierung der Beziehungen zu Washington an, verlangt aber dafür Zugeständnisse im Atomkonflikt und vor allem die vollständige Aufhebung von Sanktionen.
Doch eine enge Zusammenarbeit hätte für beide Staaten weitreichende Folgen. Die USA müssten ihre gesamte geostrategische Architektur im Nahen Osten neu gestalten, was sich für die arabischen Golfstaaten und wohl auch für Israel nachteilig auswirken würde. Und sie müssten beim Kampf gegen den IS auch Assad mit ins Boot nehmen. Demgegenüber müsste die Islamische Republik den wichtigsten Pfeiler ihrer Ideologie, die Feindschaft gegen den Westen, aufgeben und die Tore des Landes für Investoren und wohl auch für die westliche Kultur öffnen. Damit würde das Regime seine ideologische Legitimation verlieren.
Eine Alternative zu einem iranisch-amerikanischen Bündnis, die auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier für den Kampf gegen den IS vorgeschlagen hat, wäre ein gemeinsames Vorgehen zwischen Iran, Saudi-Arabien und der Türkei. Dies wäre sicherlich die effektivste Lösung. Denn ein gemeinsamer Kampf von Sunniten und Schiiten gegen islamische Extremisten könnte vom IS propagandistisch nicht so ausgeschlachtet werden wie die Luftangriffe der USA. Zudem wären die Bodentruppen dieser drei Staaten eher in der Lage, den IS zurückzuschlagen, als die US-Luftwaffe. Doch angesichts der gegensätzlichen Positionen gegenüber Syrien und des bestehenden Wettkampfs um die Vormachtstellung in der Region scheint dieser Ausweg in weiter Ferne zu liegen.
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