Debatte Frauenquote: Wer von der Quote profitiert
Eine Frauenquote für Aufsichtsräte zu fordern ist fragwürdig. Besser wäre es, wenn traditionelle Frauenberufe besser entlohnt würden.
E ines ist sicher: Auch nach dem Machtwort der Kanzlerin, die sich jetzt gegen eine Frauenquote für die Wirtschaft ausgesprochen hat, werden die Diskussionen, wie mehr Frauen in Aufsichtsräte zu bringen sind, nicht aufhören. Sie werden weiter um die Frage kreisen, ob dies durch eine 30- oder 40-Prozent-Quote oder mittels einer Zielquote - also durch ein von den jeweiligen Unternehmen freiwillig selbst gestecktes Ziel - erreicht werden kann. Doch der Eifer, mit dem für eine solche Quotierung gekämpft wird, ist fragwürdig.
Stutzig machen muss es, wenn BefürworterInnen einer Frauenquote darauf hinweisen, dass Unternehmen, in denen Frauen stärker vertreten sind als im Bundesdurchschnitt, eine höhere Rendite erwirtschaften als andere. Falls tatsächlich ein solcher Zusammenhang besteht, muss die Frage erlaubt sein: Liegt es im Interesse von Frauen, Unternehmen lediglich zu größerem Gewinn zu verhelfen? Fragwürdig ist dies, weil hohe Gewinne oft erst dann möglich werden, wenn Personal abgebaut oder die Produktion in ein Billiglohnland ausgelagert wird. Für Unternehmensvorteile, die auf diese Art und Weise zustande kommen, möchte ich mich persönlich nicht starkmachen.
Bislang waren Frauen in Aufsichtsräten oft jene, die von Gewerkschaften entsendet wurden. Wie aber ist es um deren Einflussmöglichkeiten bestellt, wenn es etwa darum geht, humanen Arbeitsbedingungen einen höheren Stellenwert einzuräumen als der Gewinnmaximierung? In die Öffentlichkeit dringt nichts darüber. Denn dort wird die Debatte nicht über Inhalte, sondern über die Verteilung der Geschlechter geführt. Das greift zu kurz.
Callgirls für die Konzernspitze
geboren 1944, hat in einem kommunalen Frauenhaus und als kommunale Frauenbeauftragte gearbeitet und war zuletzt Staatssekretärin in Schleswig-Holstein. Seit 1999 im Ruhestand, engagiert sie sich heute bei Attac.
Auch eine andere Frage wird nur oberflächlich debattiert. Wenn es denn stimmt, dass es sich für Unternehmen rechnet, wenn mehr Frauen im Aufsichtsrat sind - warum sperren sich diese Unternehmen so vehement nicht nur gegen ein Gesetz, sondern seit Jahrzehnten auch dagegen, mehr Frauen in ihre Aufsichtsräte zu holen? Warum handeln die Verantwortlichen hier so unökonomisch irrational, wenn es doch angeblich in ihrem eigenen Interesse liegen würde? Kurz: Was sind das für Männer in Aufsichtsräten, denen so sehr daran gelegen ist, unter sich zu bleiben? Was für eine Unternehmenskultur herrscht dort?
Immer mal wieder sickern Affären durch, in denen es etwa um Callgirls für die Männer an der Spitze geht. Es würde sich lohnen, die Irrationalität und die Männerkultur in solchen Führungsgremien zu skandalisieren. Man könnte fordern, dass wichtige Führungspositionen - nicht nur in der Wirtschaft - nicht an Menschen vergeben werden sollten, die Persönlichkeitsmerkmale aufweisen, die auf unerwünschtes Verhalten hindeuten.
Die Auslese müsste hier deutlich verbessert, die Praxis derzeit angewandter Rekrutierungsverfahren überprüft werden. Das wäre sicher lohnender, als "Quote gegen Quali" auszuspielen, wie es selbst die taz in einer LeserInnenumfrage getan hat. Das war schließlich nie ein Gegensatz: Im Gegenteil war die Quote dazu gedacht, dafür zu sorgen, dass die Qualifikation bei der Personalauswahl den Sieg über sachfremde Kriterien wie Männerbündelei davonträgt. Doch darüber wird viel zu wenig geredet.
Stattdessen richten Gewerkschaften und Linke ihren Blick gern auf die unteren Ebenen der Einkommensleiter, und dort etwa auf die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern, den sogenannten Gender Pay Gap. Und zumindest auf den ersten Blick gibt es daran wenig auszusetzen. So hat der DGB-Vorsitzende Michael Sommer in diesem Zusammenhang erst jüngst darauf hingewiesen, dass Frauen und Männer bei gleicher Arbeit oft ungleich bezahlt würden.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Vor drei Jahren haben die Gewerkschaften darum den jährlichen Equal Pay Day ins Leben gerufen: Er fällt in diesem Jahr auf den 25. März und markiert jenen Tag, bis zu dem Frauen in Deutschland über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssten, um auf das durchschnittliche Vorjahresgehalt von Männern zu kommen.
Für Frauen müsste das Arbeitsjahr im Schnitt fast drei Monate länger sein, damit sie das gleiche Jahreseinkommen wie ihre männlichen Kollegen bekämen. An den jährlichen Aktionstagen zum Equal Pay Day trifft man in den Fußgängerzonen der Republik immer wieder auf Aktivisten, die paarweise in T-Shirts auftreten, auf denen ihr Beruf - zum Beispiel Köchin und Koch - und ihr durchschnittliches Monatseinkommen zu lesen ist. Das ist wirkungsvoll inszeniert! Allerdings illustrierten diese T-Shirts nur, wie notwendig die uralte Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit ist.
Das Lohngefälle schönrechnen
Bezieht man die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern nur auf gleiche Tätigkeiten, beträgt sie nur noch 8 Prozent, wurde kürzlich errechnet. Alles halb so schlimm also? Nein. Denn der Gender Pay Gap geht in hohem Maße auf die unterschiedliche Bezahlung in Frauen- bzw. Männerberufen zurück: Frauenberufe sind solche, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind, Männerberufe entsprechende Männerdomänen. Wie hoch die Lohndifferenz zwischen Frauen- und Männerberufen ist, lässt sich erahnen, wenn man weiß, dass zwischen Frauen und Männern bei gleicher Tätigkeiten nur 8 Prozent Einkommensunterschied besteht, insgesamt aber 23 Prozent. Grund dessen ist die tarifliche Eingruppierung.
Damit sind die Gewerkschaften gefordert. Vor ein paar Jahren hat Ver.di die niedrige Entlohnung von Erzieherinnen auf den Verhandlungstisch und im Rahmen des Erzieherinnenstreiks auf die Straße gebracht. Seither ist es wieder still geworden um dieses Thema. Nun gehen wir auf den nächsten Equal Pay Day und auf den Internationalen Frauentag zu, der in diesem Jahr sein 100-jähriges Jubiläum feiert. Zugleich gibt es einen wirtschaftlichen Aufschwung, der selbst den Wirtschaftsminister zu höheren Löhnen raten lässt. All das sind gute Ausgangsbedingungen, um die niedrige tarifliche Eingruppierung in Frauenberufen anzuprangern und hier höhere Tarife und Löhne zu fordern. Dies wäre besser, als für eine Frauenquote in Aufsichtsräten zu kämpfen, von der nur eine privilegierte Minderheit profitiert.
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