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Debatte Europäische UnionEin vielbemühtes Monster

Die EU wird gern als undemokratisches Regime dargestellt. Der Brexit zeigt, welche Folgen solche Denkbilder haben können.

Verkalkuliert: David Cameron geht, die EU bleibt Foto: dpa

Bei einer Debatte über die EU kommt immer dann die Stunde der Wahrheit, wenn die Diskutanten vom individuellen Thema – aktuell Brexit – zum Deutungsrahmen kommen, vor dessen Hintergrund sie ein Ereignis einordnen. Sahra Wagenknecht und Fabio de Masi schrieben kürzlich in einem Gastbeitrag für Zeit Online: „Der Brexit war kein Votum gegen Europa, sondern ein Votum gegen einen Brüsseler Club, der sich der Demokratie entzieht.“

Das nennt sich „Framing“, also aktive Besetzung und Beeinflussung des Deutungsrahmens. Wer den Brexit verstehen möchte, muss sich anschauen, was es bedeutet, wenn sich fragwürdige Deutungsrahmen in einer Gesellschaft durchsetzen.

Erstes Bild: Die EU und ihre „Eliten“ sind nicht Europa. Im zitierten Zeit-Online-Artikel wird gar im Titel behauptet, die real existierende EU zerstöre die „europäische Idee“. Im Vereinigten Königreich war dies während der Kampagne Standard: Boris Johnson hat ernsthaft argumentiert, ein echter Europäer müsse gegen diese EU sein. Dahinter lauert der Gedanke: Wenn nötig, müssen wir die falsche Juncker-EU erst mal eindampfen, um das echte Europa im eigenen Sinne zu verwirklichen. Soll heißen: je nach Ideologie sozialstaatlich (Wagenknechts Programm) oder eben als Paradies von Freihandel und nationaler Souveränität (Johnson). In jedem Fall sollen Volksentscheide „EU-Eliten“ entmachten.

Das Gegenbild dazu unterschreiben hoffentlich noch viele Europäer: Diese EU und die Zähmung des Nationalismus sind eine einzigartige historische Leistung parlamentarischer Demokratien. Weder Wagenknecht noch Johnson haben eine zweite EU im Kofferraum. Und der positive Einfluss von Volksentscheiden ist beim Wiederaufbau höchst ungewiss.

Form und Inhalt verwechselt

Zweites Bild: Der Klassiker des Framings ist die EU als „bürokratischer Moloch“. Was harmlos als Eurokratenbashing (jetzt vermiesen sie uns auch noch das Staubsaugen!) daherkommt, hat im Vereinigten Königreich direkt zum Bild der Herrschaft der nichtgewählten EU-Kommission geführt. Das Gegenbild, nationale Minister und das Europäische Parlament als demokratisch gewählte Gesetzgeber, war in der UK-Debatte bereits irrelevant. Dies führt direkt zum dritten Rahmen: die EU als „undemokratisches Monster“. Diese Annahme vereint nicht nur Nationalisten in vielen Mitgliedstaaten, sondern eben auch viele Linke.

Die Unterstellung lautet: Die EU Gesetzgebung komme nicht demokratisch zustande. Noch schlimmer, sie sei auch inhaltlich festgezurrt – nämlich regulierungswütig in den Augen der britischen Marktideologen und neoliberal in den Augen der Linken. Deshalb konnte beispielsweise Labour-Chef Jeremy Corbyn die EU nicht aus vollem Herzen unterstützen, was erheblich zum Brexit beigetragen hat. Das Problem: Wie die britischen EU-Hasser verwechselten viele Linke Form und Inhalt der EU. Auf die Verfasstheit einschlagen, aber die Migrations-, Austeritäts- und Deregulierungspolitik meinen.

Wer mit EU-Politik nicht einverstanden ist, sollte nicht reflexhaft auf die Verfasstheit einprügeln

Warum aber sind die Briten raus, wenn nicht – wie Wagenknecht meint – aus Ekel an der undemokratischen und ungerechten EU? Ein Deutungsrahmen: Weil sie aus unterschiedlichen Gründen nicht mit den Inhalten nationaler Politik wie Migration, Sozialabbau, Gesundheitspolitik einverstanden waren. Übrigens wohl auch nicht mit Form und Akteuren – siehe Vertrauensverlust in die britische Politik. Dabei dachte eine Mehrheit der Wähler, das Übel läge auch in der Mitgliedschaft ihres Landes in der EU, Stichwort Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Noch abstrakter, wie Bernd Ulrich in der Zeit geschrieben hat, haben sie wohl auch gegen das brachiale Hereinbrechen der Globalisierung gestimmt. Dass insbesondere die britischen Regierungen in Brüssel die Osterweiterung und die Arbeitnehmerfreizügigkeit und damit den vermeintlichen Willen britischer Wähler durchgesetzt hatten, ist natürlich der Treppenwitz. Deshalb geht der Vorwurf des Demokratiedefizits am entscheidenden Punkt vorbei: Wer mit der Politik der EU nicht einverstanden ist, sollte nicht als Reflex auf ihre Verfasstheit einprügeln, sondern nationale und europäische politische Mehrheiten gewinnen. Das wäre beispielsweise eine Aufgabe von Jeremy Corbyn und Sahra Wagenknecht.

Das vierte Bild geht weit über das Demokratiedefizit hinaus. Wagenknechts „Brüsseler Club“ klingt verdächtig nach „Junta“. In diesem Sinne findet sich eine interessante Übereinstimmung mit Stefan Reineckes Framing in der taz vom 2. Juli 2016: Die Europäische Gesetzgebung käme ohne „Checks and Balances“ zustande, und das EU Parlament sei so schwach und die Exekutive so mächtig wie sonst „nur in autoritären Regimen“.

Politik gewählter Regierungen

Die EU als „autoritäres Regime“? Auch dies hat sich im Vereinigten Königreich bereits etabliert. Deshalb lachte dort auch niemand, als Ukip den „independence day“ forderte. Auch Boris Johnson nannte die EU ein Gefängnis. Ein Gefängnis? War nicht die EU in der Geschichte der erste nicht durch Krieg erzwungene Zusammenschluss von Staaten, die freiwillig Souveränität abgaben? Und: Ist normale EU-Gesetzgebung nicht sehr wohl legitimiert durch den Kompromiss zwischen nationalen Regierungen und Europäischem Parlament?

Martin Unfried

ist Politologe. Er arbeitet in den Niederlanden am European Institute of Public Administration (Eipa) und seit 2016 auch an der Universität Maastricht. Neben seinem Hauptberuf schreibt er auch für „zeozwei“. Seine Kolumne „Ökosex“ erschien jahrelang in der taz.

Selbst hinter der Eurogruppe, die wegen der Gläubiger-/Schuldner-Situation höchst problematisch ist, steht nicht eine Diktatur, sondern da verfolgen gewählte Regierungen ihre Wirtschafts- und Sparpolitik.

Das kann man freilich ablehnen. Gäbe es in der Eurogruppe eine stramme linke Mehrheit, wäre diese Politik anders. Das gilt auch für TTIP, wo es übrigens ohne Zustimmung des Europaparlaments kein Abkommen gibt. Und wer hier nach den nationalen Parlamenten ruft, stellt leider auch das Europäische Parlament infrage. Denn stimmt das Bild vom Nationalstaat als Hort der wahren und echten Demokratie? Eher nicht. Aktuell fühlen sich nicht nur Schotten, Katalanen, Flamen in den nationalen Parlamenten nicht gehört. Und doch sprechen wir nicht von autoritären Regimen.

Drum sollte, wer von der EU spricht, in Zukunft seine Worte auf die Goldwaage legen. Die britische Erfahrung zeigt: Die schrittweise Ausweitung negativer Denkbilder vergiftet die Debatte. Der Weg zurück ist ungewiss.

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13 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Wie die britischen EU-Hasser verwechselten viele Linke Form und Inhalt der EU. Auf die Verfasstheit einschlagen, aber die Migrations-, Austeritäts- und Deregulierungspolitik meinen."

    Wenn der Autor sich noch ein bisschen mehr Zeit nimmt, kommt er bei seinen Reflexionen vielleicht noch dahin, dass viele Linke sowohl die Verfasst heit als auch die derzeitige (deutsch dominierte) Politik der EU bedenklich finden - beides aber gleichwohl analytisch trennen können.

  • Leider verweigert der Autor (Martin Unfried) selber einige grundlegende Einsichten vor allem in den mangelhaften demokratischen Status der EU. Die Kommission ist gleichzeitig Legislative und Exekutive, da fehlt eindeutig die Gewaltenteilung. Das EU-Parlament heißt zwar so, ist aber in Wahrheit kein Parlament, weil es kein gemeinsames europäisches Wahlvolk gibt, die Stimmengewichte krass verzerrt sind und das sogenannte Parlament kein Initiativrecht hat. Die Entscheidungen im EU-Ministerrat wiederum werden von der Exekutive und nicht von den demokratisch gewählten Parlamenten, der Nationalstaaten getroffen. Und die grundlegend neoliberale Einstellung der EU spätestens mit dem Vertrag von Maastricht, die schon alle toxischen Ingredienzien beinhaltet. den gnadenlosen Wettbewerb der Nationen, die Angebotspolitik mit radikalen Steuersenkungen für das Kapital, und die gewollte Massenarbeitslosigkeit, wird mal eben unterschlagen. Eine sehr einseitige Betrachtungsweise, mit der die katastrophalen Fehlentwicklungen und -entscheidungen auf EU-Ebene mal eben unter den Tisch gekehrt werden. Quelle Nachdenkseiten

  • Ein guter Kommentar vom Leser J.A.:

     

    Richtig ist natürlich, daß jede Gruppe – Neoliberale, Sozialstaatsverfechter, Demokraten – den Brexit in ihrem Sinne deuten und oftmals über- oder fehlinterpretieren. Und richig ist auch, daß viele der schlimmen Entwicklungen in Großbritannien Ergebnis der furchtbaren nationalen Politik sind, Stichwort Thatcherismus. Leider verweigert der Autor (Martin Unfried) selber einige grundlegende Einsichten vor allem in den mangelhaften demokratischen Status der EU. Die Kommission ist gleichzeitig Legislative und Exekutive, da fehlt eindeutig die Gewaltenteilung. Das EU-Parlament heißt zwar so, ist aber in Wahrheit kein Parlament, weil es kein gemeinsames europäisches Wahlvolk gibt, die Stimmengewichte krass verzerrt sind und das sogenannte Parlament kein Initiativrecht hat. Die Entscheidungen im EU-Ministerrat wiederum werden von der Exekutive und nicht von den demokratisch gewählten Parlamenten, der Nationalstaaten getroffen. Und die grundlegend neoliberale Einstellung der EU spätestens mit dem Vertrag von Maastricht, die schon alle toxischen Ingredienzien beinhaltet. den gnadenlosen Wettbewerb der Nationen, die Angebotspolitik mit radikalen Steuersenkungen für das Kapital, und die gewollte Massenarbeitslosigkeit, wird mal eben unterschlagen. Eine sehr einseitige Betrachtungsweise, mit der die katastrophalen Fehlentwicklungen und -entscheidungen auf EU-Ebene mal eben unter den Tisch gekehrt werden.

  • Ein netter Versuch eine Lanze für die EU zu brechen, der allerdings an den Fakten, die hier fälschlicherweise als „Unterstellung” bzw. als ins negative verzerrte „Bilder” dargestellt werden, scheitert.

     

    1. Die EU selbst hat als Konstrukt schon gar keine demokratische Legitimation, da sich die beigetretenen Völker nicht in einer Abstimmung dazu positiv geäußert haben. Im Gegenteil: Die Välker, die gefragt wurden, haben nein gesagt - wurden aber ignoriert. DAS ist das undemokratische Vorgehen von undemokratischen Institutionen.

     

    Es ist daher völlig egal, was sie meinen beschliessen zu müssen, sie haben keine demokratische Legitimation. Sei es die Gurkenkrümmung, der überfällige Austritt aus der Nato, Glühlampenverbote, Verträge wie CETA und TTIP, Abrüstung, Aufrüstung, Sparprogramme für Staaten (btw.: die Troika hat auch keine demokratische Legitimation)...alles ein Brei: Sie haben kein Mandat dafür. Daher ist die Kritik durchaus grundsätzlicher Natur und nicht, wie der Autor meint, nur durch eine Sachfrage ausgelöst.

     

    2. Das Parlament hat kein Initiativrecht. Nur die Kommission darf Gesetze vorschlagen. Die Kommission ist aber nicht (ab)wählbar. Ich zumindest konnte Personalien wie Juncker nicht auf dem Wahlzettel entdecken.

     

    Diese Fakten kann man drehen und wenden: Sie bleiben Fakten.

    • @Olo Hans:

      3. die Bürokratie:

      a) Es gibt 2 Standorte der EU, die kostspielig unterhalten werden: Brüssel und Straßburg. Zwischen den beiden wird häufig gependelt. Glauben Sie nicht? Fragen Sie mal Martin Sonneborn!

      b) Ein EU-Beamter bekommt (nicht verdient!) mehr Geld (steuerfrei auch noch!) als ein MdB. Der MdB hat dafür im Falle eines Direktmandats sogar eine demokratische Legitimation.

  • Sie sanns sicher Herr Unfried - diesmal Martin¿!

     

    "…Dies führt direkt zum dritten Rahmen: die EU als „undemokratisches Monster“. Diese Annahme vereint nicht nur Nationalisten in vielen Mitgliedstaaten, sondern eben auch viele Linke.

    Die Unterstellung lautet: Die EU Gesetzgebung komme nicht demokratisch zustande.…"

     

    Sorry - wen das vereinigt - ist mir ziemlich wumpe.

    "Die Kommission mußt du dir vorstellen - wie das Stein-Hardenbergsche Reformkabinett:

    Hochintelligent - Hocheffektiv - schwer auf ökologisch - weil sie wissen, damit kann ganz viel Geld verdient werden! &

    Komplett undemokratisch!"

    So ein EU-Insider on the top z.Zt. Kohl/Schröder Wahl!

     

    Meine Wahrnehmungen seither der wechselnden Akteure - über Grexit & Brexit - die bodenlose Anmutung der Implantierung des Lobbying - vor!! - Gesetzgebung via TISA CETA TTIP (u.a. Thilo Bode) haben eben diese Einschätzung mehr als bestätigt!

    Unverhohlen hinkend gehaltene Strukturen - in accellerando -

    Die sollten auch so benannt werden!

  • Die EU ist nicht Europa. Das hat mit Deutung nix zu tun. Es ist historischer Fakt, dass Europa schon vor der EU existiert hat und es wird auch danach noch existieren.

     

    Die EU als neoliberales Fehlkonstrukt ist an den realen Ansprüchen und Bedürfnissen der Gesellschaft, wie nicht anders zu erwarten, gescheitert.

  • Was das Verwechseln von Form und Inhalt anbelangt, zeigen die verschiedenen Konstruktionsfehler, dass Form und Inhalt gerade nicht voneinander getrennt betrachtet werden können. Wenn z.B. im Mittelmeer seit Jahren Flüchtlinge ertrinken, weil sich die EU im Rat auf keine Lösung einigen kann, wird ja mehr als deutlich, wie die Form den Inhalt prägt.

     

    Dort, wo es um wirtschaftliche Vorteile geht, wird im Zweifel noch mit Scheckbuchdiplomatie eine Einigung erzielt, aber wenn es um so etwas wie humanitäre Verantwortung geht, dann zahlt da ja niemand dafür. Wenn also Konstruktionsfehler eine gute Politik verhindern, muss man diese Fehler benennen und über Lösungen diskutieren. Das geht natürlich nur, wenn man in der Lage ist, die Fehler zu sehen.

     

    Natürlich will ich im Ergebnis nicht zurück zum Nationalstaat. Nur mein Problem ist: Eine EU, die nicht in der Lage ist, sich zu reformieren und z.B. ihre Konstruktionsfehler zu beseitigen, bringt uns auf dem Weg zur europäischen Einigung auch kein Stück weiter.

     

    Ich bin gerne bereit zu einem Dialog zur Frage, wie man die EU verändern kann. Aber solange sie nicht verändert wird, bin ich nicht mehr überzeugt, dass die EU der richtige Weg zur Europäischen Einigung ist.

    Mein Vorschlag wäre eine Umgestaltung der EU und eine Ergänzung durch eine „Europäische Föderation“, aber es gibt ja auch viele andere Ideen (Guérot – „Europäische Republik“; Schäuble – „Kerneuropa“) aus ganz unterschiedlichen Richtungen.

     

    Lasst uns doch lieber diese Vorschläge diskutieren, als einfach nur zu hoffen, dass alles schon irgendwie gut gehen wird.

    http://www.mister-ede.de/politik/1-dialogue-of-the-federation/5244

  • Nachdem der Artikel mit „Debatte Europäische Union“ überschrieben ist, hoffe ich, dass es auch möglich ist, den Inhalt des Artikels zu debattieren.

     

    Zum Friedensprojekt EU habe ich gestern geschrieben, „Sicher, für Deutschland und Frankreich ist die EU auch ein Friedensprojekt im Sinne einer Aussöhnung, aber das gilt eben nicht für alle und es reicht auch nicht mehr, um für die Zukunft zu überzeugen.“ Schweden (seit 200 Jahren ohne Krieg) ist erst 1995 in die EU eingetreten und die Schweiz (immerhin 150 Jahre ohne Krieg) war auch nie EU-Mitglied. Und wenn man sich anschaut, wie die verschiedenen Fehlkonstruktionen (Euro, Dublin) unseren Kontinent momentan eher auseinandertreiben, weiß ich nicht, ob man da zurzeit wirklich von Friedensprojekt sprechen kann.

    • @mister-ede:

      Dazu kommen noch die Kriege von GB und Frankreich und die Verwicklung mehrerer EU-Staaten in den Syrien-Krieg.



      Das EU-Friedensprojekt: Wir bombardieren möglichst gemeinsam die anderen.

  • Dem Beitrag von Martin Unfried kann ich als ehemaliger MdEP und Linker nur zustimmen.

     

    In Großbritannien geht der Sozialabbau, die Demontage der Gewerkschaften und die Eng-Industrialisierung auf Margret Thatcher zurück. Der entscheidende politische Einschnitt in Großbritannien war der Bergarbeiter-Streik von März 1984 bis März 1985. Dieser Streik hat die Gewerkschaften entscheidend geschwächt.

     

    Ohne die EU-Fonds wären die sozialen Einschnitte dieser Politik von Thatcher wohl noch brutaler ausgefallen. Mehrfach hat die Europäische Investitionsbank (EIB) in den letzten Jahren den Sozialwohnungsbau mit günstigen Krediten gefördert – zuletzt im Frühjahr 2016 mit 1 Milliarde Pfund.

     

    Insofern kann man auch nicht einfach sagen, die EU-Politik sei einfach nur unsozial – abgesehen davon, dass Sozialpolitik vorrangig in der Verantwortung der EU-Mitgliedsländer liegt und nicht in der Verantwortung der EU.

     

    Es wird Zeit, eine Fakten orientierte, sachliche Diskussion über die EU anzustoßen. Dazu gehört natürlich auch eine Debatte über Schwächen der EU. Aber es macht keinen Sinn, über Vorurteile und Mythen zu diskutieren und einen politischen Rahmen, der es ermöglicht, Interessenkonflikte auf politischem Wege und nicht auf militärischem Weg zu lösen, kaputt zu reden. Vor allem Die Linke, die sich selbst als die Friedenspartei schlechthin definiert, muss hier aufpassen, dass sie sich nicht plötzlich in eine bellizistische Partei verkehrt, wenn sie die EU als den historisch wohl erfolgreichsten politisch-institutionellen Rahmen für eine politische Konfliktlösung mit nationalistischem Pathos zerredet.

  • Die streckenweise eingängige Stichhaltigkeit der Argumte Unfrieds ist nicht zu bestreiten.- Aber seine ansonsten eingängige-analytische Vorgehensweise wird unbefriedigend-schmallippig beim Knackpunkt: "...das EU Parlament sei so schwach und die Exekutive so mächtig.."

     

    Genau diese "Macht" erleben die EU-Bürger doch als zunehmend skandalöser.

  • Den Artikel kann ich aus vollem Herzen unterschreiben.

     

    Leider hat es sich in letzter Zeit auch immer breiter gemacht, immer dann von einem Demokratiedefizit zu sprechen, wenn einem ein bestimmter Kurs nicht passt. Dann wird an der Mehrheit des Volkes "vorbeiregiert". Interessant wird es dann, wenn sich zwei den EU-Kurs ablehnende, aber dennoch gegensätzliche Positionen gegenüberstehen und für beide die "Mehrheit des Volkes" beansprucht wird.

     

    Aber auch in Einzelfragen haben die Politiker, allen voran auch Cameron, es nie besser gemacht. Gab es unpopuläre Entscheidungen, war "die EU" schuld. Dass die meisten Entscheidungen, die der Bevölkerung als Beispiele für die Weltfremdheit der EU gelten (Glühbirnen, Gurkenkrümmung etc.) von den nationalen Regierungen initiiert wurden, wird da gerne unterschlagen. Würde sich schlecht bei den Wählern machen, da ist es immer gut, wenn man "die EU" hat, auf die man mit dem Finger zeigen kann.