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Debatte Europa und US-WahlObamas größte Fans

Kommentar von Paul Hockenos

Wenn die Europäer über den amerikanischen Präsidenten zu entscheiden hätten, wäre alles klar. Ihre Devise: Nie wieder einen wie Bush!

Bitte schön, gern geschehen. George Bush hat einen bleibenden Eindruck in Europa hinterlassen Bild: reuters

W enn die Europäer in den USA wählen dürften, wäre Präsident Barack Obama ein noch größerer Erdrutschsieg sicher als der von Richard Nixon 1972 über George McGovern. Umfragen zufolge würden schmeichelhafte 81 Prozent der Europäer für Obama stimmen, nur 19 Prozent für Romney.

Damit sind Obamas Zustimmungsraten in Europa doppelt so hoch wie die in den USA, mit den Deutschen als größten Fans. 97 Prozent glauben, dass er gute Arbeit geleistet hat. Sogar in Polen, eigentlich ebenso wie Texas traditionell auf der Seite von ultrakonservativen Republikanern mit antirussischer Rhetorik, würde ein Drittel für Obama stimmen – und nur 16 Prozent für Romney.

Woher kommt all diese Zuneigung für einen Präsidenten, der Europa doch weitgehend links liegen gelassen hat? Haben die Europäer vielleicht gar nicht bemerkt, dass die Obama-Administration sich neu orientiert hat, weg vom Atlantizismus des Kalten Krieges und hin zu den neuen Interessensgebieten in Asien?

Schuldirektor Geithner

Washington hat Europa erst ignoriert, dann beschimpft. Erinnert sei an die hochmütigen Ermahnungen in der Eurokrise, den Druck auf Merkel, endlich den Geldhahn aufzudrehen – als ob das halbherzige Konjunkturprogramm der USA eine vorbildlich keynesianische Strategie gewesen sei. Als US-Finanzminister Timothy Geithner in diesem Sommer Europa besuchte, führte er sich wie ein engstirniger Schuldirektor auf. Er ermahnte die deutsche Regierung, weil sie sich geweigert hatte, ein umfassendes Konjunkturprogramm zu beschließen.

Bild: privat
Paul Hockenos

ist freier Journalist und lebt in Berlin. In den 80er Jahren hat er bei beiden Präsidentschaftswahlkämpfen von Jesse Jackson mitgearbeitet. Er ist Autor des Buchs „Joschka Fischer and the Making of the Berlin Republic“. Er plant, am 6. November für Obama/Biden zu stimmen.

Derzeit ist die US-Regierung Deutschland und der EU immerhin dankbar dafür, aus der Eurokrise herauszusteuern. Zumindest entfachten die Europäer keine neue globale Krise zum Zeitpunkt der Wahlen.

Aber im Allgemeinen zeigen Obamas Teammitglieder nicht mehr Sympathien oder Verständnis für Europa als alle ihre Vorgänger. All das übersehen die Europäer gern, auch wenn ihre Liebe zu Obama sicher weniger leidenschaftlich ist als vor vier Jahren, als sie ihn als „schwarzen Kennedy“ feierten.

Natürlich war auch nicht alles schlecht. Die Eurokrise hat zumindest gezeigt, dass sich die USA um Europa sorgen. Die Beziehungen zu Deutschland waren zwar eher still, was aber immer noch besser ist als turbulent. Immerhin überreichte Obama Kanzlerin Angela Merkel die Freiheitsmedaille des US-Präsidenten – wenn auch ohne besonderen Grund.

Obwohl die USA die transatlantischen Beziehungen abgewertet haben, fühlen sich die Europäer – wie Umfragen zeigen – mit Amerika eng verbunden. Obama hat auch tatsächlich einige seiner Versprechen umgesetzt, die die Europäer vor vier Jahren für ihn erwärmt haben, etwa seine Verpflichtung zum Multilateralismus und den Rückzug aus dem Irak. Vor allem hat sich Obama von der Politik seines Vorgängers, George W. Bush, verabschiedet. Das reicht schon für die Europäer, Obama zu vergöttern.

Obama ist nicht Bush

Obama ist nicht Bush, Romney könnte es sein, heißt die gemeinsame Grundüberzeugung. Während der Bush-Jahre fiel das transatlantische Klima auf einen Tiefpunkt. Die Europäer waren von Bushs kriegerischer Rhetorik abgeschreckt; sie sahen seine Politik von Guantánamo bis zum Irakkrieg als kontraproduktiv an. Die Bush-Regierung attackierte Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer persönlich und ernannte Deutschland zusammen mit anderen, angeblich rückgratlosen Staaten zum „alten Europa“. Die transatlantischen Streitigkeiten wurden so hässlich, dass einige Beobachter eine Welle des Antiamerikanismus über den Kontinent rollen sahen, der den europäisch-amerikanischen Beziehungen weiteren Schaden zufügen könnte.

Aber die hohen Sympathieraten für Obama und die USA zeigen: Es war kein Antiamerikanismus, der die europäisch-amerikanischen Beziehungen auf einem Nullpunkt ankommen ließ, auch wenn es natürlich einen anhaltenden antiamerikanischen Unterton bei manchen Europäern gibt. Es war Bushs Politik, seine Sprache („Achse des Bösen“) und sein Unilateralismus, den die Europäer ablehnten, es waren nicht die USA als solche.

Dabei ist der Bruch Obamas mit der Politik der Bush-Ära viel kleiner, als es zunächst den Anschein hat, besonders im Antiterrorismusbereich. Die Auslieferung mutmaßlicher Terroristen an folterwillige Drittstaaten hat die Obama-Regierung ebenso beibehalten wie die unbegrenzte Haft für Verdächtige. Guantánamo ist immer noch in Betrieb. Und Obamas aggressive Haltung gegen al-Qaida gilt als entscheidender Pluspunkt in seiner Wahlkampage.

Mormonen-Missionar Mitt

Die Europäer scheinen sich dessen gar nicht recht bewusst zu sein. Aber würden die Europäer ihre Begeisterung für Obama vergessen, wenn sie es wüssten? Wohl kaum. Die einen bestehen nämlich einfach darauf, Obama in ihrem Sinne zu sehen, etwa die Financial Times Deutschland, die glaubt, dass Obama und die US-Demokraten für „die Politik stehen, die wir mögen – den Wohlfahrtsstaat, eine umfassende Krankenversicherung und eine Außenpolitik der Annäherung“. Vielleicht standen die Demokraten zu Zeiten George McGoverns einmal für eine solch noble Politik. Aber das ist lange her.

Natürlich spielt der Faktor, dass Romney den Europäern ein Unbekannter ist, eine große Rolle (auch wenn er in den sechziger Jahren zwei Jahre in Frankreich als Mormonen-Missionar verbrachte), und dass fast jedes Mal, wenn er den Mund öffnet, irgendein Schnitzer herauskommt. Will er wirklich den Kampf mit Russland aufnehmen, wie er sagt, und Europa damit in die Zeit des Kalten Krieges zurückschicken? Warum muss er die Briten wegen der Olympischen Spiele beleidigen, wo er doch eigentlich nur zum Sightseeing dort war?

Nicht mal die Briten, noch im Irakkrieg die treuesten Verbündeten der Republikaner, würden Romney wählen. Nur in Israel bekäme er eine Mehrheit. McGovern gewann 1972 immerhin noch in zwei Staaten: in Massachussetts und dem District of Columbia.

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10 Kommentare

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  • V
    valeria

    Nochmal den Kommentar oben von "Kaboom" lesen ! Besser noch auswendig lernen ! Bravo!

  • G
    GeorgMaher

    Es liegt doch viel mehr daran, dass die Ansichten der Republikaner von heute zu Klimawandel, Evolution, Abtreibung, Frauenrechte, Homosexualität, Gesundheitswesen, Armut und Reichtum, pathologische Bibeltreue usw. uns Europäern zu tiefst befremdlich wirken.

    Das überdeckt Obamas Kontinuität der Bush-Politik. Dass Obama Europa wurscht ist, ist doch auch den meisten Europäern wurscht. Was wir eher hören ist, dass die Republikaner ungeniert über Frauen, Schwule und Arme herziehen und den Klimawandel als einen "riesen Schwindel" abtun. Und da steht uns Obama einfach näher.

    Für Obama und Europa ist für Hurricane Sandy der Klimawandel eine plausible Ursache - für die Republikaner ist es ein Rache Gottes an New York.

  • V
    vic

    Ich würde für Obama stimmen, weil die Alternative noch schlimmer ist.

  • S
    Sören

    Präsident Obama´s Beliebtheit in Europa hat sicher auch mit dem scharfen Kontrast zu seinem Vorgänger George Bush zu tun. Während Mitglieder seiner Administration ziemlich offen und undiplomatisch gesagt haben, was sie von Teilen von Europa halten (nicht viel), ist die heutige Administration geschickter.

     

    Allerdings nimmt die Bedeutung Europa´s schlicht auch immer mehr ab, und die neuen, interessanten Märkte liegen nun einmal im pazifisch-asiatischen Raum. Viele Länder orientieren sich dahin, nicht nur die USA.

     

    Insgesamt finde ich dieses tw. so beliebte USA-Bashing langweilig und undifferenziert. Es gibt den intoleranten, ungebildeten "hillbilly" aus Wyoming, genauso wie es den gebildeten und weltoffenen US-Amerikaner von der Ostküste gibt.

     

    Wenn man alle Menschen dieses heterogenen Landes über einen Kamm scherrt, ist das nicht besser als das Klischée vom biertrinkenden, Lederhosen tragenden Deutschen.

  • J
    jan

    Europäer wollen vor allem nicht länger alle zwei Minuten mit hohlem Gekreische von drüben zugespammt werden. Es ist sowieso egal, wer die Befehle der Oligarchie in den nächsten Jahren devot entgegennimmt.

  • L
    Logisch

    Herr Obama bekommt ja kaum schlechte Presse.

     

    Die meisten Menschen lassen sich davon beeinflussen.

     

    Wenn ich Obama Fans konkret frage, was denn so gut an ihm sei, bekomme ich keine schlüssigen Antworten.

     

    Es ist wohl nur eine Emotion, dass er irgendwie gut ist.

     

    Hätte sich Obama einer kritischen Presse zu stellen, dann sähe es hier in Europa auch anders aus.

     

    Guantanamo Bay ist das beste Beispiel: Seit Obama an der Macht ist, ist kaum noch Kritik zu hören. Ich wundere mich immer noch warum sich unter Bush alle so empört haben.

     

    Auch die CIA Foltergefängnisse werden unter Obama irgendwie positiv betracht, sowie der zwei mal verlängerte Patriot Act, den unser Heiland ja eigentlich abschaffen wollte.

     

    Ich denke Obama wird einfach nur unkritisch behandelt.

     

    Sollte Romney gewinnen, werden wir eine Menge kritischer Artikel bekommen, soviel ist sicher.

  • K
    Kaboom

    Zu einer grundlegenden Erkenntnis scheint Europa nicht fähig zu sein: Die USA sind inzwischen von Europa bezüglich Kultur und Grundwerten nicht weniger weit entfernt wie China.

     

    Leute, die hierzulande auf Basis ihrer Statements ("Frauen die wirklich vergewaltigt wurden, werden nicht schwanger" etc.) in der Irrenanstalt landen würden, landen in den USA im Kongress. Evangelikale Hassprediger, die hierzulande Besuch vom Verfassungsschutz erhielten, erhalten dort Besuch von großen Fernsehanstalten, werden interviewt, und von der Politik hofiert.

    Einer der größten Nachrichten-Sender der USA verbreitet so konsequent Lügen und Halbwahrheiten, dass eine Studie nachgewiesen hat, dass Leute die gar keine Nachrichten gucken, besser über die Realität informiert sind, wie Leute die diesen Sender gucken.

     

    Europa muss einen eigenen Weg finden, und aufhören sich an den USA zu orientieren, die sich in den letzten 20 Jahren konsequent in Richtung Irrsinn entwickeln.

  • J
    J.Murat

    "Woher kommt all diese Zuneigung für einen Präsidenten, der Europa doch weitgehend links liegen gelassen hat?"

    Die Gehirnwäsche wirkt eben noch nach viel Jahren!

  • H
    hans

    Sicht des allgemeinen Europäers (inkl. mir):

     

    Bush: dumm wie Brot

    Obama: Jemand der es zumindest theoretisch drauf hat, je nachdem wie er sich im korrupten pol. System der USA durchsetzen kann.

    Romney: Geld- und vorallem machtgieriger Investor der genau aus der Kaste kommt die wir bekämpfen (=einschränken) wollen

     

    Entscheidung erklärt.

    Um die wirklichen Prozesse der us-amer. Politik zu verstehen, die ja nur zu einem kleinen Teil aus dem Präsidenten besteht, fehlt den meisten einfach das Interesse und die Zeit. Es interessiert ja schon kaum mehr einen mit welchen Bananen die Affen in unserem eigenen Parlament um sich werfen.

  • HS
    h s

    Obama ist das kleinere Uebel, groesser ist die Wahl leider nicht.