Debatte Energiekosten: Waschen nach Wetter

Künftig wird es keinen einheitlichen Strompreis mehr geben, er wird nach Angebot und Nachfrage schwanken. Gut so, so kann das Netz mehr erneuerbare Energien aufnehmen.

Für Solarfreunde ist die Planung mit dem Wetter längst Normalität - sie starten ihre Waschmaschine bevorzugt bei Sonnenschein. Das ist zwar ohnehin sinnvoll, weil die Wäsche dann bekanntlich besser trocknet. Aber auch aus energetischer Sicht ist solches Mitdenken vorteilhaft. Denn wenn die Sonne scheint, liefern die Solarkollektoren auf dem Dach warmes Wasser, und die Waschmaschine mit Warmwasseranschluss erreicht eine unschlagbare Ökobilanz.

Was bei der Wärmenutzung mitunter eingespielte Praxis ist, wird in Zukunft alle Haushalte beim Stromverbrauch betreffen: Wer seine Energiekosten senken will, wird sich auf die Witterung einstellen müssen. Denn die Zeiten, in denen Haushalte rund um die Uhr einen Einheitspreis für die Kilowattstunde Elektrizität bezahlten, gehen zu Ende.

Auslöser dafür sind zwei Entwicklungen. Einerseits ist es der Ausbau der erneuerbaren Energien, denn diese liefern überwiegend wetterabhängig Strom. Das hat im Großhandel bereits groteske Folgen: Heute schon wird an den Strommärkten die Energie mitunter stundenweise verschenkt - dann nämlich, wenn die Windkraft Strom im Überfluss liefert. In anderen Zeiten aber, wenn wenig Wind bläst und zugleich Großkraftwerke wegen fehlenden Kühlwassers in den Flüssen nur reduzierte Leistung bringen, wird die Kilowattstunde schon mal kurzzeitig für 2 Euro gehandelt.

Der Haushaltskunde merkt von all dem bislang nichts. Er bezahlt rund um die Uhr seine 20 Cent je Kilowattstunde, egal ob der Strom gerade knapp oder im Überfluss vorhanden ist. So legen zu manchen Zeiten die Stromversorger auf jede verkaufte Kilowattstunde mächtig Geld drauf, während sie zu anderen Zeiten richtig dick verdienen.

Aus ökonomischer Sicht ist diese Praxis nicht sinnvoll. Strom ist längst ein Gut geworden, das einen variablen Zeitwert hat. Und deswegen wird die Stromwirtschaft schon bald neue Preismodelle anbieten: Wer bevorzugt in jenen Zeiten Strom verbraucht, in denen er in großen Mengen erzeugt wird, wird Sondertarife bekommen. Und hier kommt dann die zweite Entwicklung ins Spiel, die solche Abrechnung erst möglich macht: Wo ein DSL-Anschluss vorhanden ist, lässt sich ohne nennenswerte Abrechnungskosten ein flexibler Tarif stricken, der sich theoretisch sogar an den Spotmarktpreisen der Strombörse orientieren könnte.

Längst laufen Feldversuche, und auf der gestern eröffneten Hannover Messe wurde das sogenannte Smart Metering von der Messegesellschaft bereits unter den Trends und Highlights geführt. Alle großen Stromversorger testen gerade solche Geräte, die sie wahlweise intelligente Stromzähler, Profizähler oder eben Smart Meter nennen. Unterdessen forscht das Institut für Solare Energieversorgungstechnik (ISET) an der Universität Kassel an der nötigen Software und den Kommunikationsstrategien.

Die EnBW bietet im ersten Test einen Tarif mit zwei Zeitzonen an. Wer seine Waschmaschine also nur noch zu Schwachlastzeiten einschaltet, bezahlt dann weniger für den Strom. Erklärtes Ziel der Strombranche ist es, die neuen Zähler künftig zum Standard zu machen. Sicherlich werden sich die Tarife dann nicht mehr stur an Uhrzeiten, sondern zunehmend an der tatsächlichen Angebots- und Nachfragesituation im Netz orientieren.

Auch der Mannheimer Versorger MVV Energie hat gerade zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (ISE) eine ähnliche Fragestellung untersucht. Die Kunden bekamen abends eine SMS, sofern die Mittagsstunden des folgenden Tages eine ausreichende Solarstromernte versprachen. Denn auch die Fotovoltaik wird in rasantem Tempo relevant für das Netzmanagement: Ein wolkenloser Tag bringt in Deutschland am Mittag bereits eine solare Leistung, die drei Atomkraftwerken entspricht.

Das Forschungsprojekt von MVV und ISE ergab nun, dass sich die Stromkunden durchaus zu bewussterem Verbrauchsverhalten animieren lassen; das Lastprofil - also die Verbrauchskurve - veränderte sich in dem Test signifikant. Es kam zu Verlagerungen des Stromverbrauchs innerhalb des Tages auf andere Uhrzeiten, aber auch zu Verschiebungen von einem Tag auf den nächsten.

Mancher Stromkunde mag davon nun wenig halten und sich weiterhin seinen vertrauten Rund-um-die-Uhr-Einheitstarif wünschen. Er wird ihn freilich auch in Zukunft bekommen, denn in einem funktionierenden Markt wird es für jede Nachfrage ein passendes Angebot geben. Doch dafür wird der Kunde einen satten Aufschlag zahlen müssen, weil solche Preisgarantien für die Versorger durch zunehmende Schwankung der Erzeugung immer teurer werden.

Wenn die erneuerbaren Energien wirklich massiv ausgebaut werden sollen, müssen Anreize zur Verbrauchsverlagerung (die für Gewerbekunden längst etabliert sind) auch für Haushaltskunden geschaffen werden. Sie sind aus ökonomischer, ökologischer und technischer Sicht unverzichtbar. Denn wenn man Verbräuche, wo es möglich ist, an die Erzeugung anpasst, wird das Netz noch deutlich mehr Ökostrom aufnehmen können.

Technokraten glauben zwar noch immer, dem Thema der fluktuierenden Erzeugung vor allem mit Stromspeichern begegnen zu können, doch das ist volkswirtschaftlich nur in Maßen sinnvoll. Denn überall dort, wo eine zeitliche Verlagerung von Verbräuchen möglich ist, ist sie billiger und energieeffizienter als jede Speichertechnik.

Spätestens, wenn sich Elektrofahrzeuge stärker durchsetzen, werden die variablen Tarife rasant kommen. Denn ein Fahrzeug, das beim Tanken mehrere Kilowatt Leistung zieht und vielleicht zwei Stunden am Tag ans Netz muss, sollte unbedingt nur zu Schwachlastzeiten aufgeladen werden. Und daran werden sich die Stromkunden nur halten, wenn sie zu solchen Zeiten billigeren Strom bekommen.

Wichtig sind die Überlegungen zur künftigen Preisstruktur vor allem für jene Kunden, die große Stromverbraucher nutzen. Strom für Heizzwecke wie für die Klimatisierung dürfte in Zukunft deutlich teurer werden. Denn sowohl an extrem kalten Tagen, wenn der Heizbedarf hoch ist, als auch an heißen Tagen, wenn die Klimaanlagen im Land viel zu tun haben, ist Strom meistens knapper als sonst. Bei Hitze kann es zudem an Kühlwasser für Großkraftwerke fehlen, und die Wasserkraft läuft oft nur mit Minderleistung. Und bei klirrender Kälte erreicht die Windkraft häufig auch keine Spitzenwerte - all das kann den Strompreis steigern.

Die Frage, ob man als Kunde bereit ist, sein Verbrauchsverhalten stärker an der aktuellen Erzeugung auszurichten, wird sich dabei gar nicht mehr stellen - denn die Entwicklung ist marktgetrieben und wird zwangsläufig kommen. Aber sie ist auch durch ihre indirekten Wirkungen unbedingt begrüßenswert. Viele Haushalte werden auf diese Weise beginnen, ihre Verbrauchsgewohnheiten zu hinterfragen - und das dürfte am Ende auch den Blick für die Stromeinsparung erheblich schärfen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.