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Debatte Barrierefreiheit in der MusikEine optische Täuschung

Unter Hörenden dürfen nur Muttersprachler dolmetschen, doch Konzerte werden für Gehörlose von Hörenden übersetzt. Eine Zumutung.

U m Konzerte barrierefrei für taube Menschen zu organisieren werden auf der Bühne Gebärdensprachdolmetscher*innen eingesetzt – sogenannte Musikdolmetscher*innen. Diese stehen neben der Band auf der Bühne und verdolmetschen die Liedtexte; von Oper über HipHop zu Pop, ganz gleich. Manche Dolmetscher*innen bauen die Musik und den Rhythmus mit ein. Klingt nach einer großen Bereicherung und einem tollen Zugang für uns taube Menschen … Oder?

Ich, als tauber Mensch, habe solche Konzerte mit Musikdolmetscher*innen selbst besucht. Zunächst fand ich es schön zu sehen, wie die gebärdensprachliche Übersetzung der Musik auf mich wirkt. Wie die unterschiedlichen Rhythmen und Musikstile auf mich einrieseln. Auf den zweiten Blick jedoch musste ich mir eingestehen, dass große Teile der Übersetzung in Gebärdensprache für mich unverständlich waren. Mir wurde bewusst, dass die hörende Dolmetscher*in meine Muttersprache, die Deutsche Gebärdensprache, nicht auf einem Niveau beherrscht, das mir die Musik, die poetischen Texte zugänglich macht. Umso mehr fühlte ich mich abermals ausgeschlossen.

Ich fing an, mich zu fragen, warum die Musik eigentlich nicht von tauben Dolmetscher*innen präsentiert wird – denn die gibt es ja! Sie sind die Muttersprachler*innen in der Deutschen Gebärdensprache. Die wenigen Male, die ich poetische Übersetzungen von tauben Dolmetscher*innen erlebt habe, durfte ich feststellen, wie stark ich von ihrer Übersetzung mitgerissen wurde. Denn wir teilen nicht nur eine Sprache – wir teilen auch eine Kultur. Das führt dazu, dass ich bei Performances von tauben Dolmetscher*innen ganz anders abgeholt werde, mich wirklich auf die Musik einlassen kann. Ich fühle mich gleichwertig – und kann ganz anders mitfühlen, worum es bei der Musik geht.

Schaut man sich Dolmetscher*innen gesprochener Sprachen an, wie etwa zwischen Englisch und Deutsch, fallen andere professionelle Standards auf. So geben Dolmetscher*innen auf Konferenzen oder auf dem politischen Parkett nur ihre eigene Muttersprache wieder. Das ist in Fachkreisen Usus. Denn all die kleinen Nuancen können in einer Fremdsprache eher verstanden, aber selten in einer solchen Feinheit wiedergegeben werden.

Martin Vahemäe-Zierold

Martin Vahemäe-Zierold war 2001 der erste gehörlose Politiker in einem deutschen Parlament (für die Grünen im Bezirk Berlin-Mitte). Er ist mit gehörlosen Eltern aufgewachsen und konnte kein Abitur machen, weil es damals keinen Unterricht in Gebärdensprache gab. Er arbeitet als Gebärdensprachdozent.

Keine Kontrollinstanz

Beim Übersetzungsvorgang sind die Dolmetscher*innen sowohl Sprachmittler*innen als auch Kulturmittler*innen. Übersetzungen etwa von spanischsprachigen Liedtexten ins Englische werden in der Regel von englischen Muttersprachler*innen erarbeitet. Warum kommen im Bereich des gebärdensprachlichen Musikdolmetschens trotzdem kaum taube Muttersprachler*innen zum Zuge? Die Auftraggeber*innen wissen es meist nicht besser. Wer es aber besser wissen könnte und sollte – das sind die hörenden Dolmetscher*innen.

Sie sind es, die mit ihrem Privileg, auf der Bühne zu stehen, verantwortungsvoll umgehen müssen. Denn eine höhere Kontrollinstanz, die die Arbeit von Dolmetscher*innen auf Qualität überprüft, wie zum Teil in Skandinavien der Fall, gibt es in Deutschland nicht. Wir tauben Menschen müssen allein auf die Eigenverantwortlichkeit der hörenden Dolmetscher*innen hoffen.

Hörende können sich mit meiner Sprache schmücken – für die ich als tauber Mensch immer noch verspottet werde

Die Problematik wird dadurch verschärft, dass die hörenden Dolmetscher*innen neben der Band auf der Bühne stehen und für alle im Publikum sehr sichtbar sind. Meine Sprache, eine immer noch unterdrückte, verpönte Sprache findet durch diese Hörenden Aufmerksamkeit. Sie ernten Ruhm, Anerkennung, können sich mit meiner Sprache schmücken – die gleiche Sprache, für die ich als tauber Mensch immer noch verspottet werde. Die gleiche Sprache, für die ich als tauber Mensch immer noch Abwertung erfahre, weil man mit ihr angeblich keine abstrakten Zusammenhänge verhandeln könne. Die gleiche Sprache, die bis heute in den meisten Gehörlosenschulen nicht verwendet wird, da die zumeist hörenden Lehrer*innen ihr die Komplexität absprechen, Bildungsinhalte vermitteln zu können – das Gegenteil ist längst bewiesen.

Das hörende Publikum aber ist fasziniert von der Schönheit meiner Sprache – die ich, so wie sie angewendet wird, noch nicht mal verstehe. Kulturelle Aneignung und Audismus, also die Unterdrückung tauber Menschen und ihrer Sprache, sind hier in vollem Gange.

Sprechen für eine Minderheit, der sie nicht angehören

Auch nach dem Konzert werden Musikdolmetscher*innen von Hörenden mit Fragen gelöchert und um Interviews gebeten. Dort berichten sie als Experten über Gebärdensprache und Taubenkultur. Sie beantworten alle möglichen Fragen rund um eine Minderheit, der sie selber nicht angehören. Wieder werden taube Menschen marginalisiert, ihre eigenen Stimmen werden nicht gehört.

Taube und hörende Gebärdensprachdolmetscher*innen sollten beim Musikdolmetschen unbedingt zusammenarbeiten. Liedtexte können sie sich im Vorfeld gemeinsam erschließen. So kann eine Übersetzung stattfinden, die von der tauben Dolmetscher*in auf der Bühne präsentiert wird: Musikdolmetschen auf Augenhöhe. Gleichzeitig werden Gebärdensprache und Gehörlosenkultur in einem öffentlichen Raum gefördert und bewahrt. Mit tauben Dolmetscher*innen würden vor und nach dem Konzert Menschen im Mittelpunkt stehen, mit denen ich Sprache und Kultur teile; es würden Menschen interviewt werden, die ihre eigene Gemeinschaft repräsentieren.

Musikdolmetschen durch hörende Dolmetscher*innen ist daher auch eine Täuschung der hörenden Auftraggeber*innen, die Inklusion und Barrierefreiheit schaffen wollen und dafür bezahlen. Vor allem aber eine Täuschung von uns tauben Menschen, denen Zugang vorgegaukelt, aber kulturelle Aneignung verkauft wird.

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22 Kommentare

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  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Wow. Jetzt hat das versammelte Forum dem armen Mann aber ordentlich einen eingeschenkt.

    Dabei fordert er doch nur sein Recht darauf ein:

    "Die wenigen Male, die ich poetische Übersetzungen von tauben Dolmetscher*innen erlebt habe, durfte ich feststellen, wie stark ich von ihrer Übersetzung mitgerissen wurde. Denn wir teilen nicht nur eine Sprache – wir teilen auch eine Kultur. Das führt dazu, dass ich bei Performances von tauben Dolmetscher*innen ganz anders abgeholt werde, mich wirklich auf die Musik einlassen kann. Ich fühle mich gleichwertig – und kann ganz anders mitfühlen, worum es bei der Musik geht."

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Jau. Mal ab von Nebengleis - Überzogen

      Hab mir als Musiker - weil nicht damit zuvor konfrontiert - bisher keine Gedanken drüber gemacht.



      Aber. In der Sache dürfte da was dran sein.



      &



      Zwar davon ab - daß Übersetzung - Übersetzung bleibt.

      Spontan fällt mir die von Oliver Sacks (wo?) beschriebene Szene ein.



      Wie er an einem Raum mit schallendem Gelächter vorbeistreift!



      & Däh!



      Gehörlose (? is das pc*¿*) - sehen einem



      B-mowie-actor a tv & Schlagen sich auf die Schenkel! “ Was ein Lügner!“!!



      kurz - Ronald Reagan - ;(



      (remember Country Joe & the Fish



      “…Ronald Reagan supp …“;)(

      Anders gewendet - uns - meist mit “Appell-Ohr“ Ausgestatteten;) -



      Dürfte die Gesten&Körpersprache weitgehend doch am Arsch vorbeigehen. Woll.

      Andererseits - Blindenstudienanstalt Mbg/L (mal über Bande ne Weile liiert;)



      Der dort auch Literatur in Brailleschrift Übersetzende war - anders als der (kriegsblinde) Leiter - nunja ein Sehender!;)



      (…via Studis & einem BAG-Richter vor Ort - sind mir die Abstufungen Varianten etc gut vertraut.)

      kurz - Als lebensdurchgängig mit den unterschiedlichsten Behinderungen & jetzt mit 70% am Start - ;)(



      Stimme dem alten Insulaner gemäß “ich werde meinen Nachbarn nicht eher kritisieren - bis ich nicht 5 Monde in seinen Mokassins gelaufen bin!“ - zu!



      & dess!



      Wie erst - wenn mit Verlaub ins around - den meisten Gesundbarteln hier - ;) diese anders konotierten Welten größtenteils doch eher fremd ff ungewohnt unbekannt fern …



      Was weiß denn ich - sein dürften. Newahr. Normal.



      Njorp.

      • @Lowandorder:

        Sorry, aber ich hab fast kein Wort verstanden. Dein Kommie strotz vor kryptischen Andeutungen, Satzzeichen-Kombinationen, die vermutlich einen für Insider verständlichen Sinn haben und Slangausdrücken. Eine Sprache, die außerhalb deiner Peergroup kein Mensch versteht, ironischerweise unter einem Artikel über Sprachbarrieren und Barrierefreiheit. Was um alles in der Welt wolltest du eigentlich sagen?

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Auf welches "Recht" genau beziehen Sie sich da, wenn ich fragen darf?

      Die Sachen einfordern und zur Sprache bringen, die der Autor hier anspricht, ist ja vollkommen legitim.



      Deswegen kann man aber trotzdem einerseits die Logik dahinter kritisieren und deswegen kann man es andererseits trotzdem für vollkommen unangemessen halten, gleich die Diskriminierungskeule auszupacken und von kultureller Aneignung sprechen, wenn es in der Situation vielleicht gar nicht angemessen ist.

      • @Snip Snap:

        Das Recht auf Teilhabe

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Snip Snap:

        Naja ich habe das so verstanden:

        Es gibt Sex und es gibt guten Sex. Und wer will keinen guten Sex?

        Außerdem schien mir die tonality etwas unsensibel.

        Andererseits bin ich heute verkatert. Was weiß ich also.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Joa, passt schon. Dass man so oder so generell versuchen sollte, die Übersetzung so gut wie möglich zu machen oder den bestmöglichen Sex zu haben, um bei deiner Analogie zu bleiben, sehe zumindest ich natürlich letztlich genauso, solange man den schlechteren Sex deswegen nicht gleich als Akt der Diskriminierung sieht. Von daher habe ich da jetzt auch nicht mehr so viel hinzuzufügen und denke wir sind da so Pi mal Daumen auf einer Linie.

  • Mich wundert jetzt echt die Bezeichnung "Taube" und "Blinde". Politisch korrekt ist "Gehörlose" und "Nichtsehende". Da muss die taz nachschulen.

    • @mir-kommen-die-tränen:

      Vielleicht nach dem Wundern erstmal selber nachschulen. "Taub" und "blind" sind Selbstbezeichnungen der entsprechenden Gruppen - wie ja auch der Autor selber sagt: "Ich, als tauber Mensch..."



      Nur das Wort "taubstumm" ist ein abwertender Begriff und keine Selbstbezeichnung.

      www.gehoerlosen-bu...faq/gehörlosigkeit



      --> siehe Stichwort "taubstummt" ganz unten

      leidmedien.de/begriffe/

      www.dbsv.org

  • Satire? Taubheit darf nur von Tauben beschrieben werden, Blindheit nur von Blinden und Ignoranz nur von Ignoranten. Da will jemand echt beleidigt sein.

  • Soviel kränkelndes Ego überall, soviel Profilierungsgehabe. Die Probleme Gehörloser in einer hörenden Gesellschaft sind erstens naturbedingt. Es gibt keine künstlich erschaffene Barriere, sondern ganz reale Verständigungsschwierigkeiten. Weiter zeigen diese sich nicht in einem Konzertsaal in welchem gedolmetscht wird, sondern in der Ignoranz der Bevölkerung im Alltag.



    Natürlich kann ein Nichtmuttersprachler der bessere Dolmetscher sein und es gibt keine Überlegenheit von Muttersprachlern bei Übersetzungsvorgängen, außer diese sind zweisprachig aufgewachsen. Eigentlich ziemlich logisch.



    Schon wieder fällt dieser dämliche Begriff der kulturellen Aneignung. Audismus? Echt jetzt? Wieviele ismen soll es denn noch geben? Er wird unterdrückt, weil er nicht hofiert wird?



    Seine Sprache? Hat der Autor sie erschaffen und muß man ihn um Erlaubnis fragen, wenn man sich in ihr ausdrückt? Haben ihn überhaupt alle Gehörlosen zu ihrem Sprachrohr gewählt und teilen seine Ansicht?



    Gebärdensprache ist verpönt, aber die Ästhetik wird geschätzt und geraubt?

  • Klar, für Blinde ist es ja auch intensiver und emotional viel zugänglicher wenn ein anderer Blinder ihnen ein Bild beschreibt...

  • Übersetzen bedeutet, dass jemand die andere Sprache verstehen kann. Gehörlose können dies nicht. Leute, die mit Gebärdensprache aufgewachsen sind und doch hören können, wären nach der angegebenen Definition ideal. Also z.B. Gehörlose, die auf Grund medizinischen Fortschritts ab einem bestimmten Zeitpunkt in ihrem Leben hören konnten oder hörende Kinder von Gehörlosen, die mit Gehörlosensprache aufgewachsen sind aber dennoch hören können.



    Von diesen speziellen Menschen gibt es jedoch sehr wenige, so dass die Forderung bedeuten würde, die meisten Übersetzungen in Gehörlosensprache einzustellen. Denn auch bei anderen Übersetzungen machen die Übersetzungen beileibe nicht immer Mutterspracherler*innen. Vielmehr wird das als ideal angesehen, aber je nach Verfügbarkeit werden die Übersetzungen auch von Nicht-Mutterspracherler*innen durchgeführt.



    Insgesamt also mal wieder ein taz-Artikel, der eine vermeintliche Diskriminierung und damit ein Skandal beschreibt, welches keines ist.

    • @Velofisch:

      Es geht hier speziell um Verdolmetschungen von Liedtexten bzw. poetischer Verwendung der Sprache. Es wird nicht gesagt, dass alle Verdolmetschungen von Muttersprachler_innen ausgeführt werden sollten - denn natürlich ist das nicht realistisch. Weder weil es ausreichend Muttersprachler_innen gibt, noch weil es in jedem Bereich, in dem Dolmetscher_innen eingesetzt werden, wie z. B. bei Arztbesuchen oder im Arbeitsleben tauber Menschen, praktikabel ist.

      Wie aber der Artikel auch schon sagt, die tauben (muttersprachlichen) Dolmetscher_innen gibt es ja bereits. Und die Frage ist ja, warum einige hörende Dolmetscher_innen nicht verstärkt eine Zusammenarbeit anstreben - besonders dann, wenn sie im Anschluss auch noch ÜBER die tauben Menschen und ihre Sprache sprechen. Und dafür auch noch Ruhm und Geld erhalten.

      Fakt ist eben, dass genau solche Zusammenarbeiten zwischen tauben und hörenden Dolmetscher_innen bereits existieren und sehr gut angenommen werden. Da ist es einfach sehr ignorant, dass einige hörende Dolmetscher_innen, die es als Fachkundige besser wissen müssten, sich darum nicht zu scheren scheinen!

  • Desweiteren weiß ich auch nicht, wie genau Sie sich so einen fachgerechten Übersetzungsprozess, den Sie hier vorschlagen, der ja zwangsläufig zweistufig funktionieren muss, denn genau vorstellen.



    Der Hörende Gebärdensprachler, der die Musik zuerst und in seiner musikalischen Gänze wahrnimmt, muss diese musikalischen hörbaren Elemente ja zuerst in Gebärdensprache transponieren. Nehmen wir an, das gelingt ihm "gut", könnb wir ja aber trotzdem nicht sicher sein, dass es von dem tauben Gebärdenspracher überhaupt "richtig" verstanden wird. Und dabei können wir ja nicht einmal davon ausgehen, dass es der Höhrende "gut" macht, da er sich ja gar nicht so komplex und vielschichtig ausdrücken kann wie der Taube, der nur in dieser Sprache "lebt". Beziehungsweise kann er sich nicht gut ausdrücken, bringt die sprachliche Komplexität über die der Taube verfügt nichts, weil er ja eh schon unterkomplexe Informaion bekommt und kann der Höhrende sich gut ausdrücken, kann der Taube dann auch nichts mehr hinzufügen. Und das lässt noch vollkommen die Tatsache außer acht, dass schon jeder Höhrende ein unterschiedlich feines Gefühl für Musikalität und Poesie besitzt und das auch erst einmal ausdrücken können muss, in egal welcher Sprache.



    Das so ein Prozess also zwangsläufig zu einem besseren Ergebnis führen würde, dass der Musik näher ist, ist ja überhaupt nicht garantiert. Es könnte ja genauso viel bei der Übersetzung verloren gehen, wie Sie beim Beobachten eines Muttersprachlers hinzugewinnen. Von daher ist das Endprodukt wenn von einem Muttersprachler vorgetragen mit aller Wahrscheinlichkeit für Sie erfahrbarer auf eine Weise, die Sie mehr mitnimmt und begeistert und flüssiger verständlich ist. Ob Sie deswegen aber zum Beispiel näher dran ist an der Musik, wie sie eigentlich wahrgenommen werden "wollte" und die auf der Bühne gespielte Musik am besten wiedergibt

    • @Snip Snap:

      ...darf man tatsächlich bezweifeln.

      Wenn man ganz fies sein wollte, könnte man hier sogar auch von kultureller Aneignung in Ihrem Sinne sprechen. Der Höhrende ist in der Lage die Musik, die Tonschwankungen, Melodiebögen, Rhythmen etc. im Moment vollumfänglich wahrzunehmen und "fühlt" die Musik im selben Moment, in dem er kommuniziert. Alle seine Bewegungen und Mimiken stehen in einem unmittelbaren Verhältnis zum Gehörten. Der Taube folgt viel mehr einer internen, vorher verarbeiteten Logik, die für ihn und somit für Sie flüssiger und in seinen Nuancen bedeutsamer ist, aber in weniger direktem Verhältnis zur Performance steht. Nichtsdestotrotz kommt der Taube bei Ihnen besser weg, obwohl er eigentlich gar nicht so gut über "Musikkultur" sprechen kann wie der Hörende. Genauso wie der Hörende Gebärdensprachler bei allen Hörenden Zuschauern, die ihn mit Fragen durchlöchern "besser wegkommt" und als Experte gesehen wird, obwohl er eigentlich nicht so gut über "Taubenkultur" sprechen kann.



      Verstehen Sie meinen Punkt? Sehen Sie die Parallele?

      • @Snip Snap:

        In beiden Fällen, beim Höhrenden Dolmetscher, der die Interviews bekommt und beim tauben Dolmetscher, den sie besser bewerten, hat das alles nichts mit kultureller Aneignung zu tun. Sondern es hat damit zu zun, dass in beiden Fällen die Person bevorzugt wird, mit der man eine kommunikative Ebene teilt und die einem so Sachen besser "erfahrbar" machen kann.



        Das ist in der Konsequenz nicht immer fair. Wenn der Hörende als Taubenexperte wahrgenommen wird oder der Taube von Ihnen als Musikexperte. Es ist aber leider auch nicht immer gänzlich vermeidbar und liegt eher in der Natur von Kommunikation und Übersetzung, als dass es unbesingt boswillig oder überhaupt bewusst geschieht.

        Und Entschuldigung für die vielen Rechtschreibfehler, gerade im obersten Post. Der ging etwas zu früh raus.

  • "Das hörende Publikum aber ist fasziniert von der Schönheit mein sie angewendet wird, noch nicht mal verstehe. Kulturelle Aneignung und Audismus, also die Unterdrückung tauber Menschen und ihrer Sprache, sind hier in vollem Gange."

    Ganz ehrlich, man kann es auch durchaus übertreiben.



    Und kulturelle Aneignung ist es alleine doch schon deswegen nicht, weil die Gebärdensprache ja nicht nur die Sprache der Tauben ist und es auch noch nie war, sondern auch schon immer auch eine Brücke zwischen den Hörenden und den nichthörenden.

    "Auch nach dem Konzert werden Musikdolmetscher*innen von Hörenden mit Fragen gelöchert und um Interviews gebeten. Dort berichten sie als Experten über Gebärdensprache und Taubenkultur. "

    Im Bezug auf Taubenkultur ist das sicherlich ein valider Punkt. In Bezug auf Gebärdensprache aber nicht. Wen genau sollen sie denn da sonst fragen, als einen anderen Hörenden? Mit einem Tauben können sie nun einmal nicht selber kommunizieren und ein Tauber kann einem Hörenden Informationen über seine Sprache auch nicht mitteilen auf eine Weise, die für ihn vollends Sinn macht. Das kann nur jemand, der beide Perspektiven kennt. Ein Tauber weiß nicht, wie sich Gebärdensprache für einen Hörenden anfühlt, ein Höhrender der die Gebärdensprache spricht aber schon! Nur er besitzt die Perspektive, die für den Höhrenden nicht-Gebärdensprachler im ersten Schritt bedingungslos Sinn macht und ein Fenster in diese Sprache und damit vielleicht sehr sehr bedingt auch die Lebenswelt eines Tauben gibt. Um sich diese sprachlich besser erschließen zu können, müsste die Person aber wahrscheinlich selber erst einmal die Sprache lernen. Im ersten Schritt braucht es aber schlicht und einfach diesen Vermittler. Nichts anderes fordern Sie ja mit ihrem Hinweis auf die Präferenz von Muttersprachlern beim Dolmetschen in gewisser Weise ja selber ein.

    • @Snip Snap:

      "Und kulturelle Aneignung ist es alleine doch schon deswegen nicht, weil die Gebärdensprache ja nicht nur die Sprache der Tauben ist und es auch noch nie war, sondern auch schon immer auch eine Brücke zwischen den Hörenden und den nichthörenden."

      nun ja, es ist aber nicht nur die Brücke zwischen Hörenden und Nichthörenden (sozusagen ein Morsealphabet mit dem man sich notdürftig mitteilen kann, so mag es Hörenden erscheinen), sondern es ist die Sprache in der sich Taube unterhalten und zwar erstrangig, eben nicht als Brücke zu Hörenden, sondern als echte Sprache, so wie jeder seine eigene Sprache eben benutzt. Als Hilfsmittel mag die Sprache erdacht worden sein, das ist sie ganz bestimmt aber nicht mehr.

      • @nutzer:

        Ja klar, das ist natürlich richtig. Deswegen ist es meiner Meinung nach dennoch zu stark zu behaupten, die Gebärdensprache gehöre AUSSCHLIEßLICH den Tauben, wie es für eine "kulturelle Aneignung" ja der Fall sein müsste.

        • @Snip Snap:

          Sie stellen hier echt ne Menge an Behauptungen auf, ohne ausreichendes Hintergrundwissen zu haben. Das ist ehrlich gesagt ganz schön frech. Die Gebärdensprache wurde nicht erdacht, genauso wenig wie die deutsche Lautsprache erdacht wurde. Sie ist natürlich entstanden. Sie gehört ausschließlich den Tauben. Und es ist im absolut engeren Sinne kulturelle Aneignung, da es alle Kriterien erfüllt. Gebärdensprachen wurden nach dem sog. Mailänder Kongress 1880 weitestgehend unterdrückt, taube Menschen sollten zu hörenden Menschen erzogen werden. In Bildungsinstitutionen wurde die Benutzung der Gebärdensprache unter körperlicher Züchtigung verboten, taube Menschen haben Jahre ihrer Bildung damit verbracht Lippen lesen zu üben und Artikulation zu trainieren. Selbstverständlich auf Kosten anderer Bildungsziele, das Leute rechnen, schreiben, lesen lernen, war schließlich nicht so wichtig, Hauptsache sie sind der hörenden Mehrheitsgesellschaft möglichst angepasst. Dies nur als kurzer historischer Ausschnitt der Geschichte der Gehörlosen, Sie dürfen gern selbst mehr recherchieren. Auch heute noch erleben taube Menschen Diskriminierung durch die Mehrheitsgesellschaft, werden abgewertet oder nicht ernst genommen. Wenn dann hörende Menschen durch die Verwendung einer unterdrückten Kultur Profit generieren ist das kulturelle Aneignung. Zum Thema Qualität der Verdolmetschung: Professionelle Dolmetscher_innen, die als Team taub/hörend gemeinsam Liedtexte / poetische Texte verdolmetschen werden per se bessere Ergebnisse abliefern, als eine rein hörende Verdolmetschung. Das ist translationswissenschaftlich erwiesener Fakt. Ihre abenteuerlichen Ideen dazu sind da nicht wirklich von Interesse. Zu unterschiedlichen Gelegenheiten arbeiten solche Teams bereits im Kultur- oder Konferenzbereich, die Ergebnisse sind überzeugend. Es geht dem Autor um die Verweigerung, einiger hörender Dolm., dieser Forderung nach gemischten Teams nachzukommen. Ansonsten: Wenn Sie keine Ahnung haben, einfach mal..

        • @Snip Snap:

          Die Gebärdensprache gehört aber nun mal ausschließlich den Tauben Menschen. Sie ist in keinem Fall eine Brücke zur Kommunikation mit den Hörenden. Die Sprache ist historisch gesehen in der Gemeinschaft tauber Menschen entstanden und nicht erfunden worden - und schon gar nicht von Hörenden. Das einzige, was zusätzlich erfunden wurde und vielleicht als Brücke gelten kann, ist das Fingeralphabet. Das gilt aber eben genau deshalb auch nur bedingt als Teil der Gebärdensprache - die eben eine vollwertige, eigene Sprache mitsamt allen linguistischen Teilaspekten wie vollwertige Grammatik, Sprachhistorie oder Dialekten und Soziolekten. Und sie ist eng mit der eigenen Kultur der tauben Gemeinschaft verknüpft.

          Wäre die (deutsche) Gebärdensprache eine Kommunikationsbrücke, bräuchte es schließlich keine Dolmetscher_innen.