Debatte Atomstreit Iran: Der Sanktionsknüppel
Teile der USA drohen dem Iran nun mit einem Benzin-Embargo. Lässt sich so die Opposition stützen und eine nukleare Bedrohung bannen?
D er Iran hat seine Vorschläge für Verhandlungen vorgelegt. Einzelheiten sind allerdings noch nicht bekannt.
Offenbar aber bot er an, auch über die "Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen" zu sprechen. Das ist immerhin ein Ansatz. Auch in vorherigen Stellungnahmen hatte Teheran in Aussicht gestellt, über "objektive Garantien" zu sprechen, dass das iranische Nuklearprogramm nur friedlichen Zwecken dient. Darunter war auch der Vorschlag, die Urananreicherung im Iran unter noch intensivere Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde zu stellen sowie sogar eine Urananreicherung im Land in Form eines internationalen Konsortiums zu erwägen. Es ist anzunehmen, dass solche Vorschläge erneut enthalten sind.
Damit ist der Ball wieder im Feld von USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Doch wie werden sie reagieren? Es ist zu hoffen, dass sie Verhandlungen oder wenigstens ernsthaften Vorverhandlungen zustimmen, obwohl eins sicher ist: Der Iran wird seine Urananreicherung nicht vor Beginn der Verhandlungen einstellen, wie es die sechs Mächte und der UN-Sicherheitsrat nach wie vor fordern - trotz Obamas schönen Worten von "Gesprächen ohne Vorbedingungen". Auch mit der Bereitschaft Teherans, den Ausbau seiner Urananreicherungsanlage - dem Recht jedes Mitglieds des Atomwaffensperrvertrages - einzustellen, ist nicht zu rechnen. Trotzdem machen Verhandlungen Sinn, um tatsächlich auszutesten, wie weit Teherans Bereitschaft geht, schärferen Kontrollen zuzustimmen.
ist freier Journalist und "Research Associate" des Bonner Internationalen Konversionszentrums. Er ist Mitautor des Positionspapiers "New Chances for a Compromise in the Nuclear Dispute with Iran?" (2009).
Es darf nicht vergessen werden: Auch die Opposition im Iran unterstützt die Urananreicherung. Ein Ende westlicher Konfrontationspolitik würde sie innenpolitisch entlasten - und zumindest mittelfristig den Hardlinern das Leben schwerer machen.
Doch ist ein Eingehen des Westens auf Verhandlungen ohne Vorbedingungen leider nicht wahrscheinlich. Zu wenig hat die westliche Politik sich von dem unrealistischen Ziel, Null-Urananreicherung im Iran, wegbewegt. Zu sehr wird mit dem Sanktionsknüppel gedroht. In Washington, Berlin und Paris meint man, jetzt die Achillesverse des Irans treffen zu können - durch ein Verbot von Benzinexporten in das Land.
Die Crux ist jedoch, dass die riesigen Apparate westlicher Regierungen und des US-Kongresses schlicht und einfach ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben und von völlig veralteten Umständen ausgehen. Tatsächlich importiert der Iran, das Land mit den zweitgrößten Reserven an Rohöl in der Welt, gegenwärtig etwa 40 Prozent seines Benzinbedarfs. Allerdings wird diese Abhängigkeit von Benzinimporten schon Ende dieses Jahres auf 25 Prozent gesunken sein. Denn gegenwärtig werden sieben der neun bestehenden Raffinerien erheblich ausgebaut, sieben neue Raffinerien befinden sich im Bau beziehungsweise in der Planung. In drei bis fünf Jahren wird der Iran von einem Importeur zu einem Exporteur von Benzin geworden sein.
Ein Benzinembargo wäre zudem für die Regierung von Ahmadinedschad wie ein Geschenk: Ökonomisch würde es den Staatshaushalt erheblich entlasten. Denn das zu Weltmarktpreisen importierte Benzin wird zu vom Staat subventionierten Schleuderpreisen weiterverkauft. Diese Kosten entfielen, doch das Benzin verteuerte sich trotzdem und würde gerade die ärmeren Bevölkerungsschichten belasten.
Und die politischen Folgen? Die Iraner würden vor allem die USA und die anderen westlichen Mächte für solche neuen Sanktionen verantwortlich machen - zu Recht. Drohgebärden und Sanktionen würden damit Ahmadinedschad helfen, seine Machtbasis zu stabilisieren und sogar kritische Teile der Bevölkerung wieder hinter sich zu scharen. Das Regime würde also von der Konfrontationspolitik profitieren.
Ohnehin ist es so gut wie ausgeschlossen, dass im UN-Sicherheitsrat Einigkeit über ein Benzinembargo hergestellt werden könnte. Russland und China haben nicht nur eigene ökonomische Interessen, sondern sich auch einen Realitätssinn bewahrt. Weder schätzen sie die "iranische Gefahr" als so groß ein, noch übersehen sie die kontraproduktiven Folgen einschneidender ökonomischer Sanktionen gegen Teheran.
Eine Einigung im UN-Sicherheitsrat auf Benzin- oder andere ernsthafte ökonomische Sanktionen wäre nur vorstellbar, wenn eindeutige Beweise für ein aktives Atomwaffenprogramm des Iran zu Tage träten. Bisher ist das jedoch nicht der Fall. Die Angst vor der iranischen Bombe hält etwa der scheidende IAEO-Generaldirektor Mohammed al-Baradei für übertrieben: "Wir haben keinen konkreten Beweis gesehen, dass Teheran ein laufendes Nuklearwaffenprogramm hat."
Und auch die USA sind keineswegs einheitlich der Ansicht, dass Teheran eine Atombombe anstrebt. Selbst die US-Geheimdienste gehen davon aus, dass Teheran nuklearwaffenspezifische Forschungen schon 2003 eingestellt hat. Zu hochangereichertem Uran - dem Stoff, aus dem die Bombe ist - sagte der US-Geheimdienstchef Dennis Blair unlängst: "Die US-Geheimdienste haben keinen Beweis dafür, dass der Iran schon die Entscheidung getroffen hat, hochangereichertes Uran zu produzieren, die Informations- und Forschungsabteilung des US-Außenministeriums schätzt ein, dass es unwahrscheinlich ist, dass Teheran eine solche Entscheidung trifft, solange internationale Aufmerksamkeit und Druck andauern."
Benzinsanktionen von einer westlichen "Koalition der Willigen" wären eine mögliche Alternative zu unwahrscheinlichen UN-Sanktionen, aber noch ineffektiver. Denn längst hat der Iran ein ökonomisches Netz unter anderem mit Pakistan, Indien, Malaysia, China, Russland, Venezuela und den Golfstaaten aufgebaut, mit dem solche Sanktionen aufgefangen und umgangen werden könnten.
Deshalb wäre es an der Zeit, den Sanktionsknüppel wegzupacken. Die einzig erfolgversprechende Strategie ist, Verhandlungen ohne Vorbedingungen zu beginnen. Das realistische Ziel ist, den Iran in einem Status zu halten wie zum Beispiel Japan: mit der technischen Fähigkeit, spaltbares Material für Atombomben herzustellen, aber ohne den politischen Willen, die Bombe zu bauen.
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