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Deal zwischen Hamas und IsraelErste Geiseln sollen Sonntag freikommen

Premier Netanjahu geht von einer baldigen Geiselfreilassung aus. Das Kabinett will noch heute über den Waffenstillstand abstimmen.

Tel Aviv, 16 Januar: Menschen demonstrieren im Vorfeld des Waffenstillstandsabkommens für die Freilassung der israelischen Geiseln Foto: Shir Torem/reuters

Jerusalem taz | Das israelische Sicherheitskabinett hat sich dafür ausgesprochen, das Abkommen mit der radikal-islamischen Hamas zu billigen. Ein vorheriges Meeting des Sicherheitskabinetts am Donnerstag wurde wegen Streit über die Details verschoben.

Eine Sitzung des gesamten Kabinetts soll nun folgen, heißt es in einer Erklärung des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Demnach ist die Sitzung laut Medienberichten für 14.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit geplant.

Die Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln soll nach israelischen Angaben unabhängig davon am Wochenende beginnen. Wie das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mitteilt, dürften die ersten Geiseln am Sonntag freikommen.

Ein Sprecher des israelischen Premierministers Benjamin Netanyahu ging am Freitagmorgen noch von einem Treffen des kompletten Kabinetts am Samstagabend aus. Damit religiöse Menschen, die den Shabbat halten, genügend Zeit hätten, Widerspruch einzulegen.

Widerspruch von der Siedlerbewegung

Widerspruch wird es sicherlich viel geben – innerhalb und außerhalb der Regierung. Der rechtsradikale Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir macht keinen Hehl daraus, dass seine Partei Jüdische Kraft (Otzma Yehudit) sich im Falle eines Waffenstillstands aus der Koalition verabschieden wird. Er kritisiert den Deal als „fahrlässig“, neulich hat er damit angegeben, dass er die bisherigen Verhandlungen torpediert hatte.

Bezalel Smotrich, der wie Ben-Gvir ebenfalls zur nationalreligiösen Siedlerbewegung zählt und aktuell Finanzminister ist, droht auch damit, die Koalition zu verlassen. Seine Partei Religiöser Zionismus (HaTzionut HaDatit) wird dem Deal nicht zustimmen, heißt es. In der Regierung werde sie nur bleiben, wenn Israel nach der ersten Phase Kampfhandlungen in Gaza wieder aufnimmt, um den „totalen Sieg“ gegen die Hamas zu erreichen, den Netanyahu immer wieder versprochen hat.

Drei Phasen des Deals

Doch auch ohne die Parteien Jüdische Kraft und Religiöser Zionismus dürfte der Deal im Sicherheitskabinett und in der Regierung genug Stimmen haben, davon gehen viele aus.

Der Deal, der heute in den frühen Morgenstunden von den Verhandlungsteams Israels, der Hamas, Katars und der USA in Doha unterschrieben wurde, sieht drei Phasen vor. In der ersten, die 42 Tage dauern und am Sonntag beginnen soll, wird eine Feuerpause eintreten, 33 Geiseln sollen freigelassen werden. Wie viele von ihnen bereits tot sind, ist ungewiss, Israel geht aber davon aus, dass die Mehrheit noch lebt.

Heute Morgen veröffentlichte die Hamas eine Liste ihrer Namen, doch wer wann frei kommt, wird die Terrororganisation vermutlich erst am Tag selbst bekannt geben – wie es bereits im November 2023 beim ersten Geiseldeal der Fall war. Nur so viel ist momentan sicher: Am Sonntag sollen es erstmal drei Frauen sein.

Im Gegenzug sollen pro Geisel mehrere palästinensische Gefangenen freikommen, die teils wegen schwerer Straftaten verurteilt worden sind. Ihre Namen sind bislang nicht bekannt. Und das macht einige in Israel wütend, die seit Mittwoch Straßen in Jerusalem blockieren. Auf Plakaten steht etwa „Freilassung der Geiseln: nur durch den Sieg und die Niederlage des Feindes“ oder „Die Freilassung von Terroristen wird Blut vergießen“.

Mehrheit unterstützt den Deal

„Dieser Deal ist kein Stück besser als der Deal mit Shalit“, sagt David, ein 19-jähriger Ultraorthodoxe mit Schläfenlocken und schwarzem Fedorahut. Damit meint er die Freilassung des entführten Soldaten Gilad Shalit: 2011 wurde er gegen rund 1.000 palästinensische Gefangenen getauscht, darunter Yahya Sinwar, der später Führer der Hamas wurde und das Massaker vom 7. Oktober 2023 plante.

Doch eine Mehrheit in Israel unterstützt einen Deal, um alle Geiseln zurückzuholen und den Krieg in Gaza zu beenden – 57,5 Prozent sind es, laut einer Umfrage des Israeli Democracy Institute, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Laut einer Umfrage der Zeitung Maariv von heute sind sogar 73 Prozent für den Deal.

Aber selbst Befürworter des Deals kritisieren, dass nicht alle der insgesamt 98 Geiseln in Gaza nach Hause kommen werden. Eine ist Roni Meretz, seit 115 Tagen macht sie einen Hungerstreik vor der Knesset, dem israelischen Parlament. „Es ist kein guter Deal“, sagt die 56-Jährige.

Aber Politiker wie die rechtsradikalen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir würden die Geiseln „ermorden“, seien „Feinde dieses Landes“, sagt Meretz. Das Wichtigste sei nun, die Geiseln zurück nach Israel zu holen. „Wir haben versagt, sie zu schützen. Es liegt in unserer Verantwortung, die nach Hause zu bringen.“ Sie werde ihren Streik erst beenden, wenn alle Geiseln wieder zu Hause sind.

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