Dauerüberraschungsteam: Der Erfolg des listigen Lehrers
Bei der vogelwilden Partie in Bremen demonstriert der SC Freiburg taktische Reife. Trainer Streich ist um Bodenhaftung bemüht.
BREMEN taz | Christian Streich ist keiner, der seine Gefühle kontrolliert. Oder seine Emotionen einfängt. Also hat der Fußballlehrer des SC Freiburg mal einen ordentlichen Luftsprung gemacht und ein paar Mal die Fäuste geschwungen, als der nächste Coup seines Nischenvereins geglückt war. „Ich möchte nicht zu viel loben“, sagte er später, „aber die Jungs haben sich wirklich nicht lange aufgehalten.“
So legte der Außenseiter mal wieder einen der viel besser situierten Klubs aufs Kreuz; mit einem 3:2 beim SV Werder Bremen in einem teils spektakulären Schlagabtausch festigte die Streich-Elf ihren fünften Platz. Und Freiburg kann am nächsten Freitag sogar Eintracht Frankfurt vom vierten Rang verdrängen. „Das wäre von dieser jungen Truppe zu viel verlangt, auch wenn sie sehr beachtlich gespielt hat“, stellte ihr 47-jähriger Lehrmeister fest, um bloß die Bodenhaftung zu bewahren.
Was nach einem Fußballspiel, dessen wildes Hin und Her Bremens neuen Geschäftsführer, den gebürtigen Freiburger Thomas Eichin, zeitweise an Eishockey erinnert haben muss, ziemlich schwerfiel. „Beide volles Rohr nach vorne“, befand Freiburgs Einfädler Jan Rosenthal. „Auch wenn es zeitweise total verrückt aussah“, stellte Siegtorschütze Matthias Ginter mit einer erstaunlichen Selbstüberzeugung auch außerhalb des Platzes fest, „sind wir der verdiente Sieger gewesen.“
Bessere Systemtreue
Schlussendlich gewann der SC Freiburg nach Toren von Max Kruse (36.), Daniel Caligiuri (54./Foulelfmeter) und eben Ginter (71.) und einem Bremer Doppelschlag durch Nils Petersen (39. und 65.) tatsächlich vollauf gerecht das vogelwilde Treiben. Und zwar wegen der besseren Systemtreue und größeren Reife. „Freiburg hat das gut gemacht, wir nur phasenweise“, gab auch Eichin zu, der einst beim Freiburger FC mit Streich zusammenspielte. Und er dürfte erkannt haben, dass dieser Mann zusammen mit dem Mainzer Thomas Tuchel sich zum listigsten Fußballlehrer der Liga entwickelt hat. „Es ist unglaublich, dass wir 34 Punkte haben und unser Saisonziel erreichen werden“, verkündete er gut gelaunt.
Wenn eine Begegnung als Blaupause taugt, wie sich der einstige Champions-League-Dauergast Bremen rückwärts und die frühere Fahrstuhlmannschaft Freiburg vorwärts entwickelt hat, dann diese. Als Werder zwischen 2005 und 2009 sich in der Königsklasse mit Real, Barca oder Chelsea duellierte, darbte der Sportclub in der zweiten Liga. „Aber jetzt ist eine Entwicklung zu sehen“, jubilierte Julian Schuster, „und dann kommen solche Ergebnisse heraus.“
Moderiert von einem Unikum wie Streich, dessen Einfluss aufs große Ganze irgendwie auch prägender erscheint als auf der Gegenseite beim Urgestein Thomas Schaaf. Im Breisgau müssen sie allein für sich beantworten, wie lange sie ihr Understatement noch beibehalten wollen. „Es gibt keinen Hype“, erklärte Streich. Aber: „Wir können schlecht sagen, wir verlieren dreimal, um Zehnter zu werden“, ergänzte Rosenthal. Oben werde dummerweise die Luft dünner, das weiß er schon. „Wenn wir die Ebene verschieben, ist das eine riskante Sache, sollte die Mentalität nicht stimmen.“ Aber keine Sorge, sie stimmt. Zumindest in Freiburg.
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