Datensicherheit im britischen Parlament: Hacken für die Demokratie

Die Britische Regierung kooperiert mit Hackern, um ihre Daten aufzubereiten. Das Ziel: Neue Lösungen für alte Probleme.

Hier braucht es keine Anonymität: Für die „Parliamant Hacks“ in England schließen sich Regierung und Hacker zusammen. Bild: dpa

LONDON taz | Vergangenes Wochenende in London: An der Rezeption des „Neuseeland-Hauses“, drei Minuten vom Piccadilly Circus, werden rote Handgelenkbänder mit der Aufschrift „Rewired State“ an die Teilnehmer eines //hacks.rewiredstate.org/events/uk-parliament-hack-21013:„Parliament Hacks“ ausgeteilt. Was hat es damit auf sich?

Matt Applegate vom Veranstalter Rewired State, also auf Deutsch: „neu verdrahteter Staat“, erklärt den Begriff Hack: „Hier werden Experten der Computerbranche zusammengebracht, um gemeinsam Probleme zu lösen, egal ob öffentlicher oder kommerzieller Natur.“

Seit drei Jahren organisieren sie dabei „Parliament Hacks“, um öffentlich verfügbare Daten des britischen Parlaments auszukundschaften, sichtbar zu machen oder klarer zu verpacken.

Damit sollen unter anderem politisch desinteressierte Gruppen zur politischen Teilnahme animiert werden. All das übrigens mit dem expliziten Segen der britischen Regierung.

Erfolgreiche Kooperation

Nigel Shadbolt, Mitbegründer des Open Data Institutes und Experte in Sachen öffentlicher Daten, führt die Kooperation zwischen der britischen Regierung und Hackern vor allen auf den Erfolg von Hacks vor etwa sechs Jahren zurück. Damals legten Statistiken die Ansteckungsgefahr in britischen Krankenhäusern bloß und führten damit zu einer radikalen Minderung von 80 Prozent der Infizierten. Seit damals wurde die Veröffentlichung staatlicher Daten parteiunabhängig betrieben.

Mitbeteiligt am Hack war auch ein EDV-Hilfsteam des Parlaments selbst. Unter ihnen sogar der Direktor der EDV-Dienste des britischen Unterhauses, John Pullinger, der als einer der Juroren nach zwei Tagen über die besten Hacks entscheiden sollte.

Was spricht gegen die Currywurst? Viel, findet Deutschlands einflussreichster Gastrokritiker, Jürgen Dollase. Was 1968 damit zu tun hat, dass die Deutschen beim Essen so kleinbürgerlich sind, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 23./24. November 2013 . Darin außerdem eine Geschichte zum Totensonntag: Ein Sohn nimmt Abschied von seiner Mutter, indem er ihre Gefrierschränke abtaut. Und der sonntaz-Streit: Die Energiekonzerne bangen um ihre konventionellen Kraftwerke – und prophezeien einen Engpass. Ist der Strom-Blackout Panikmache? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

„Mehr als 90 Prozent unserer Daten sind frei zugänglich, mit Ausnahme von Dokumenten, die aus Sicherheitsgründen geheim sind“, gibt Pullinger an. Potenzieller Missbrauch dürfe kein Grund sein, Regierungsdaten geheim zu halten.

Das Hauptproblem stellen heute die verschiedenen Dateiformate dar. Beispielsweise können PDF-Dokumente nicht von Suchmaschinen gelesen werden.

Im Zeitalter von NSA sieht Rewired-State-Mann Applegate offizielle Hacks wie diesen als fundamentale Gegengewichte, die etwas Gutes mit Daten tun. Dabei will Rewired State besonders die Jüngeren animieren, Computer, Smartphones und Tablets nicht nur als Konsumobjekte zu betrachten, sondern vor allen als Werkzeuge.

„Für eine politische Teilhabe ist man nie zu jung“

Der 15-jährige Benedict Alan aus Südwales sieht das genau so. „Niemand ist zu jung, um selber bei Politik und Business mitzumachen“, behauptet er. Seine Idee: die Westminster Stock Exchange, eine Börse mit Politikern als Aktien, wo man in Abgeordnete investieren kann. Sie gewann den Gefallen der Juroren und einen der Preise. Das Spiel prüft später in Echtzeit, wie aktiv die Politiker in der jeweils vergangenen Woche waren, wofür sich ihr Wert erhöht oder vermindert.

Ein anderes preisgekröntes Beispiel des Wochenendes kam von Lilly Dart, 26, eine Programmiererin aus London und einer der wenigen Frauen unter den parlamentarischen Hackern.

Sie entwickelte mit ihrem Team ein Programm namens Metabill, das Gesetzentwürfe detailliert verfolgt. Metabill zeigt im Gegensatz zur gegenwärtigen Internetseite des Parlaments auch die Änderungen durch das Oberhaus sowie nach Wunsch die gesamte Debatte zu verschiedenen Themen.

Ein Winner war auch „What are your true colours?“ von den Mittdreißigern Seraphina Anderson und Paul Hutson. Mithilfe der Stellungen politischer Parteien zu Gesetzentwürfen seit dem Jahr 2010 stellt ihr Programm acht willkürliche politische Fragen zu politischen Themen. Deren Beantwortung zeigt, welche Regierungspartei den eigenen Antworten am nächsten steht.

Andere zeigten mit ihren Programmen, wie Jungwähler zwischen 18 und 24 Jahren bei höherer Wahlbeteiligung bis zu 212 Sitze in Großbritannien verändern könnten. Deren Wahlbeteiligung lag bei den vergangenen Parlamentswahlen 2010 nur bei 45 Prozent. Auch welche außerparlamentarischen finanziellen Gewinne Abgeordnete machen, lässt sich aus den Parlamentsdaten herausfiltern.

Ziel ist Effizienz und Transparenz

Solches Wissen könne man in vielen Bereichen anwenden, sagt Rufus Pollock von der Stiftung Open Knowledge Foundation, der den Event mit einer Vorlesung startete.

Bei einem Hackprojekt in Ghana wäre man zum Beispiel der Behauptung der Regierung nachgegangen, dass eine multinationale Firma kein Geld für eine Schule gegeben hätte. Durch die veröffentlichten Daten richtete sich der Finger bald auf die Regierung selbst. Auch private Organisationen könnten effizienter und transparenter werden.

Mit einem Durchschnittsalter von unter 40 ist der Parliament Hack noch gesellschaftlich etwas eingeengt. Daher will Rewired State im nächsten Jahr zum ersten Mal auch Hacks für die über 60-Jährigen veranstalten.

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