Datensammler bei Berlins Polizei: Von gewalttätig bis geisteskrank
Die Polizei sammelt massenhaft personengebundene Hinweise in einer Datenbank. Berlins oberster Datenschützer kritisiert das.
BERLIN taz | Alle Welt empört sich über die Datensammelwut des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA. Aber auch die heimischen Sicherheitsbehörden sammeln kräftig Daten. Zum Beispiel die Berliner Polizei. Knapp 270.000 personengebundene Hinweise sind in der Polizeidatenbank Poliks gespeichert. Das hat der Abgeordnete Christopher Lauer (der trotz seines Parteiaustritts in der Piraten-Fraktion bleibt) in Erfahrung gebracht.
Die allermeisten Hinweise betreffen Drogenkonsum, gefolgt von Hinweisen auf „gewalttätig“ und „bewaffnet“. Auch Merkmale wie „geisteskrank“ oder „Ansteckungsgefahr“ sind gespeichert – was beim Datenschutzbeauftragten Alexander Dix auf scharfe Kritik stößt. Gesundheitsinformationen hätten in so einer Datei nichts zu suchen, sagte Dix am Donnerstag zur taz.
Die Daten werden in der Berliner Polizeidatenbank Poliks geführt, betreffen aber nicht nur in der Stadt gemeldete Bürger. Die Speicherung der Merkmale ist laut Landespolizeigesetz erlaubt. Bei Einsätzen müsse man zur Eigensicherung wissen, ob von einer Person eine Gefahr ausgehe, verlautet aus Polizeikreisen.
Mehr als 150.000 mal sind Menschen als Drogenkonsument gespeichert. 38.000 Hinweise betreffen Gewalttäter, 17.000 mal heißt es „bewaffnet“ und fast 13.000 Mal „Sexualstraftäter“. 3.300 Personen sind als „Straftäter linksmotiviert“, 3.400 als „Straftäter rechtsmotiviert“ eingestuft. Ab 2012 sind die Zahlen zum Teil deutlich gestiegen.
Den Hinweis „Sofortanruf LKA 5“ (polizeilicher Staatsschutz) gibt es erst seit 2013. Inzwischen sind in der Rubrik 100 Personen vermerkt. Das alles wirft Fragen auf. Die Polizeipressestelle indes war am Donnerstag zu keinerlei Auskunft bereit. „Wegen der Komplexität des Themas“ sähe man sich dazu nicht in der Lage, hieß es.
Lauer kritisierte die umfangreiche Speicherung als Stigmatisierung ganzer Gruppen. Er will von der Polizei Aufklärung darüber verlangen, nach welchen Kriterien die Daten gespeichert und gelöscht werden. Nach Angaben des Datenschutzbeauftragten Dix hatte das Abgeordnetenhaus Merkmale wie „Ansteckungsgefahr“ und „geisteskrank“ 1988 aus dem Kriterienkatalog gestrichen. Die SPD-CDU-Koalition habe die Regelung in dieser Legislaturperiode nach einem entsprechenden Beschluss der Innenministerkonferenz wieder rückgängig gemacht. Er sei dagegen gewesen, so Dix: „Mir ist kein Fall bekannt, bei dem sich ein Polizist bei einem Verdächtigen angesteckt hat.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin