Datenmissbrauch bei der Polizei: Polizisten an der Datenquelle
Immer wieder bedienen sich Polizisten an internen Datenbanken – mal um politische Gegner auszuspähen, mal um Dritten Tipps zu geben.
![Polizist und Polizistin stehen vor Mannschaftswagen Polizist und Polizistin stehen vor Mannschaftswagen](https://taz.de/picture/4016183/14/124508785-1.jpeg)
Darunter den einer 15-Jährigen, die bei der Polizei Strafanzeige erstattet hatte, weil Bilder von ihr im Internet veröffentlicht worden waren, die sie beim Sex zeigten. Dem Polizisten, der die Anzeige aufgenommen hatte, fiel nichts besseres ein, als die junge Frau anschließend per SMS zu einem Fotoshooting einzuladen.
Polizeibeamte erliegen eher selten der Versuchung, das polizeiliche Informationssystem für persönliche Zwecke anzuzapfen – doch wenn sie das tun, betrifft das oft besonders sensible Bereiche. Für Mecklenburg-Vorpommern wollte jetzt der Linken-Abgeordnete Peter Ritter wissen, wie oft „Polizeibeamte personenbezogene Daten ohne dienstlichen Grund aus polizeilichen Informationssystemen abriefen“.
Laut der Antwort der rot-schwarzen Landesregierung kam es 2019 und 2020 zu insgesamt zehn solcher Abfragen. Zwei davon wurden „im privaten Kontext“ gemacht, drei „aus persönlichem Interesse oder Neugier“, drei für Dritte.
Linke ausgespäht?
Bei einer sei das Interesse unklar gewesen – und eine weitere Abfrage hatte wegen ihrer möglichen politischen Motivation überhaupt erst Ritters Interesse geweckt: Es handelt sich um den Fall eines AfD-nahen Polizisten aus Greifswald, der ohne dienstlichen Grund die Daten von Menschen aus dem linken Spektrum abgefragt haben soll.
Der Vorfall ereignete sich im Juli 2019. Zwar sei die Datenschutzbehörde eingeschaltet und ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, sagt Ritter. „Angesichts der Vorfälle innerhalb der Landespolizei stellt sich jedoch die Frage, warum das Innenministerium nicht von sich aus zeitnah zumindest den Innenausschuss des Landtages informiert hat.“ Auch stelle sich die Frage, warum ein Polizist gezielt Angaben zu Linken sammle.
„Der Gipfel“ aber sei, dass es allein 2019 acht weitere Fälle gegeben habe, die erst durch seine Anfrage bekannt geworden seien. „Das ist ein Skandal erster Güte“, findet der Linken-Abgeordnete. Besonders interessant sei, was sich hinter den Anfragen für Dritte verberge. Das gehe aber aus der Antwort nicht hervor. Offen bleibt auch, ob es weitere Datenabfragen über Linke gegeben hat.
Als Konsequenz aus den Erkenntnissen müssten die Rechte des Datenschutzbeauftragten gestärkt werden, fordert der Oppositionspolitiker. Und der geplante Ombudsmann für die Polizei solle auch für Bürger ansprechbar sein.
Die Fälle, die durch den Datenschutzbericht 2018 bereits im Detail bekannt geworden sind, lassen eher nicht auf eine verbreitete politische Motivation für die Datenabfrage schließen. Sie zeugen von mangelnder Eignung für den Beruf: In einem Fall von 2018 geht es um die Zeugin eines Missbrauchsverfahrens. Ein Polizist verschaffte sich nach ihrer Vernehmung ihre Handynummer und begann, mit ihr auf Whatsapp zu chatten. Dabei habe er dem 13-jährigen Mädchen „sexuelle Avancen“ gemacht.
In einem weiteren Fall habe ein Polizeibeamter versucht, seinen Sohn vor Strafverfolgung zu schützen. Dieser hatte eine 16-Jährige und deren Vater bedroht, nachdem sie ihn verlassen hatte, worauf sie ihn anzeigte. Der Polizist habe per Whatsapp versucht, „die Jugendliche in bedrohlicher Form zur Rücknahme der Strafanzeige zu bewegen“.
Wie eine taz-Anfrage ergab, missbrauchen Polizisten nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern bisweilen ihre Befugnisse. 2018 wurden in Bremen zwei Polizisten vorläufig des Dienstes enthoben, weil gegen sie wegen unbefugter Datenabfragen und Dateiweitergaben ermittelt wurde. Aktuell prüft die Bremer Landesdatenschutzbeauftragte in vier Fällen, ob Polizisten entsprechende Ordnungswidrigkeiten begangen haben.
Strafvereitelung im Amt
Solche Fälle würden „ausnahmslos und konsequent verfolgt sowie einzelfallbezogen bewertet und bearbeitet“, versichert die Behörde. Datenschutzrechtlich handele es sich entweder um Ordnungswidrigkeiten oder Pannen. Sie können aber auch strafrechtlich relevant sein, wie bei zwei Bremer Fällen aus den Jahren 2018 und 2019. Damals war der Verdacht der Strafvereitelung und Bestechlichkeit im Amt aufgekommen.
In der gesamten Bremer Verwaltung gebe es fünf bis zehn unbefugte Abfragen pro Jahr. Die Dunkelziffer sei unbekannt. Die schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Marit Hansen kann keine Zahlen nennen, geht aber von einer „hohen Dunkelziffer“ aus.
Der hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar führt aktuell drei Bußgeldverfahren gegen Beschäftigte der Polizei zu Vorfällen aus den Jahren 2017 bis 2019. Ein weiteres Verfahren ruhe bisher aufgrund eines laufenden Strafverfahrens.
Die niedersächsische Datenschutzbeauftragte beantwortete die taz-Anfrage bis Redaktionsschluss nicht.
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