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Das zweite Halbfinale des ESC 2025Ladies' Night

Die meisten der Acts, die am Donnerstagabend ins Halbfinale gewählt wurden, sind weiblich. Das ist viel mehr als nur eine gute Quote.

Lässt sich nicht den Mund verbieten und liefert Selbstbewusst ab: Miriana Conte vertitt beim ESC in Basel Malta Foto: Alma Bengtsson

S ieben von zehn Acts, die am Donnerstagabend im zweiten ESC-Finale in Basel ins Finale gewählt wurden, sind Frauen. Neben der Ethnopop-Gruppe Tautumeitas aus Lettland, sind sechs Sängerinnen weiter. Sie zeigen eine unglaubliche Vielfalt.

Da ist Miriana Conte für Malta, mit einer Empowerment-Nummer, die dem ESC-Komitee zu anstößig war. In der Originalversion singt Mariana Conte nämlich „Serving Kant“. „Kant“ heißt auf Maltesisch „Gesang“. Doch das ist, geht es nach den ESC-Veranstaltern, klangmäßig zu nah am bösen C-Wort dran. Statt das Wort zu ersetzen, bleibt eine provokante Leerstelle, welche die zugeknöpfte Komitee-Attitüde subtil kritisiert. Und die Bühne? Die wird während Contes Auftritt zur provokant-glamourösen Collage, während die Sängerin ihr Ding macht und im Beat auf einem roten Gummiball bounct.

Dann ist da Erika Vikman aus Finnland, die sich selbstbewusst und allein die Bühne krallt, sich auf ihr räkelt. Erika wirkt cool – sowohl als sie auf einem überdimensionierten, funkensprühendem Mikrofon von der Bühne abhebt als auch als sie nach ihrem Auftritt mit Hazel Brugger Fondue mampft.

Geteilte Begeisterung in Finnland

Erika Vikmans Heimatland ist gespalten. Sie performt im enganliegenden Lack-Look, mit dem sie locker in den Berliner Fetischclub KitKat kommen würde und singt auf finnisch Sätze wie „Berühr meinen Hintern“ – in Kombination mit dem deutschen, auf zweierlei Weise deutbaren, Titel „Ich komme“. Die einen feiern es, den anderen ist es too much – so auch den finnischen Präsidenten Alexander Stubb, der stattdessen den Finnlandschweden von KAJ die Daumen drückt. Von der ehemaligen finnischen Präsidentin Sanna Marin gab es derweil auf Instagram Zuspruch für Erika. Wunderbar!

Dann ist da auch noch Klavdia für Griechenland, die mit Talent und Stimmgewalt mit einem minimalistischen Auftritt im Abendkleid überzeugt. Neben Axel von KAJ ist sie der einzige Act mit Brille (sie steht ihr sehr gut). Inspiriert ist ihr Song von Pontosgriechen, einer ethnischen Minderheit, die im 20. Jahrhundert vertrieben wurden.

Auch die schon vorab-qualifizierte Louane aus Frankreich überzeugte mit einer emotionalen Nummer, die sie ihrer verstorbenen Mutter widmet. Wo bei den Nummern von Erika Vikman und Miriana Conte Empowerment und Lust im Mittelpunkt stehen, zeigt die französische Sängerin Gefühle und Vulnerabilität, und präsentiert sie mit ihrer facettenreichen Stimme.

Auf dieser Bühne zu stehen erfordert Mut

Vulnerabel zeigt sich auch Nova-Festival-Überlebende Yuval Raphael, die mit „New Day Will Rise“ für Israel eine starke Performance abliefert. Sie war zuvor mit Morddrohungen konfrontiert, weil nicht alle damit einverstanden sind, dass Israel beim ESC antreten darf. Sich mit ihrem Hintergrund auf diese Bühne zu stellen, sich vor Millionen Zuschauern zu präsentieren, dazu bedarf es Mut.

Klar, jeder dieser Auftritte ist mutig – auch oder vielleicht weil Frauen immer noch allzu oft auf ihre Outfitwahl oder ihre Emotionen reduziert werden, statt dass ihr Talent und ihre Kunst im Mittelpunkt von Bewertungen stehen.

Die Sängerinnen, die an diesem Abend ins Finale einziehen, lassen sich nicht miteinander vergleichen, denn jede von ihnen hat ihren eigenen Stil, bringt eine einzigartige Energie auf die Bühne. Mit Werten wie Selbstbewusstsein, Selbstakzeptanz, Mut und Vulnerabilität werden sie zu Vorbildern, für Frauen und Mädchen – sowohl innner- als auch außerhalb der Musik.

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Klaudia Lagozinski
Nachrichtenchefin & CvD
Immer unterwegs. Schreibt meistens über Kultur, Reisen, Wirtschaft und Skandinavien. Meistens auf Deutsch, manchmal auf Englisch und Schwedisch. Seit 2020 bei der taz. Master in Kulturjournalismus, in Berlin und Uppsala studiert. IJP (2023) bei Dagens ETC in Stockholm.
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