Das war die Woche in Berlin I: Ein billiger PR-Coup der AfD
Beatrix von Storch's Konto wird gepfändet, weil sie keine GEZ-Gebühren zahlt. Sie inszeniert sich als Märtyrerin, obwohl ihre Partei auf öffentlich-rechtliche Medien angewiesen ist.
So ein Zufall: „GEZ-Gefangene befreien: nächstes Mal AfD wählen“, hatte die AfD-Landesvorsitzende Beatrix von Storch gerade erst auf Twitter gefordert, nachdem bekannt geworden war, dass eine GEZ-Verweigerin aus Chemnitz in Erzwingungshaft sitzt. Nur knapp zwei Stunden später an diesem Montag ein neuer Tweet: Ihr eigenes Konto sei nun gepfändet worden, schreibt von Storch, weil Rundfunkbeiträge fehlen.
Der AfD-Sprecher Ronald Gläser bestätigte später die Nachricht – ob sie wirklich stimmt, sei dahingestellt. So oder so ist Beatrix von Storch damit ein hübscher PR-Coup gelungen: Sie inszeniert sich als Märtyrerin, die für ihre Überzeugungen auch persönliche Nachteile in Kauf nimmt. Und das nicht ohne Grund ausgerechnet beim Thema Rundfunkgebühren: Missbilligung der GEZ-Beiträge ist ein anschlussfähiges Thema, auch über die Stammklientel der AfD hinaus. Facebook-Seiten, die Stimmung gegen die Gebühren machen, gefallen Tausenden NutzerInnen. Auch Neonazis nutzen das Thema übrigens gern für ihre Zwecke, etwa indem sie Anti-GEZ-Facebook-Seiten betreiben, auf denen sie dann rechtsextreme Propaganda verbreiten.
Der AfD sind dabei nicht nur die Gebühren selbst, sondern gleich der gesamte öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Dorn im Auge: Einen Änderungsantrag, nachdem dieser als „verfassungswidrige Propagandamaschine“ bezeichnet wurde, lehnte der Landesparteitag am vergangenen Sonntag zwar ab; allerdings, das betonte von Storch persönlich, sei der Antrag „in der Sache richtig“, nur vom Sprachduktus her passe er nicht in das Programm, in dem sich die AfD insgesamt um eher zahme Formulierungen bemüht. Auch diese Medienkritik ist anschlussfähig – einerseits an die „Lügenpresse!“-Schreier auf Pegida- und Neonazidemos, andererseits an all jene, die oftmals berechtigte Kritik an nur vorgeblich neutraler Berichterstattung üben.
So weit, so folgerichtig in der AfD-Logik. Was sie und ihre AnhängerInnen dabei aber offenbar vergessen, ist die wichtige Rolle, die die Berichterstattung gerade auch der öffentlich-rechtlichen Sender für die Partei spielt: Könnten deren ProtagonistInnen nicht in gefühlt jeder zweiten Talkshow ihre kruden Ansichten verbreiten – was auch die vermeintliche Märtyrerin von Storch nie ausschlägt – und damit den öffentlichen Diskurs über Asylpolitik entscheidend prägen, wäre es mit dem Erfolg der AfD wohl längst nicht so weit her. Deswegen ein Vorschlag zur Güte: Von Storch und alle anderen AfD-PolitikerInnen werden von der GEZ-Gebühr bezahlt – und tauchen dafür nie wieder in der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung auf.
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