Das kommt: Kampf ums Sorgerecht
Das Schicksal eines zehnjährigen autistischen Jungen wird am kommenden Donnerstag den Petitionsausschuss des Landtags in Kiel beschäftigen. Die Eltern und das Schulamt Ostholstein streiten seit drei Jahren um den richtigen Schulplatz für das Kind. Da der Junge nicht kontinuierlich beschult wird, steht Anfang Februar sogar ein Prozess beim Familiengericht an.
Dem kurdischstämmigen Paar droht, dass sie das Sorgerecht verlieren. Sie bringen ihr Kind zwar jeden Tag zur Sonderschule, doch weil der Junge dort meist nicht bleiben will und sie ihn dann wieder mitnehmen, stellt das Jugendamt ihre Erziehungsfähigkeit infrage. Die Eltern sähen die staatlichen Stellen als Feindbild und übertrügen diese Haltung auf ihr Kind.
Die taz hatte über die fünfköpfige Familie Cicek aus Bad Schwartau Ende November berichtet. Der zehnjährige Junge kam 2017 auf eine normale Grundschule, musste die aber schon nach einem halben Jahr verlassen und soll seither an einem „Förderzentrum“ mit Schwerpunkt „geistige Entwicklung“ lernen.
Die Eltern legten dagegen Widerspruch ein und zogen vor Gericht, weil sie überzeugt sind, dass ihr Kind keine geistige Behinderung hat, sondern ähnlich wie ein älterer Bruder eine Störung im Autismusspektrum. Dies machen sie auch daran fest, dass er inzwischen mehr spricht und sogar kurze Texte schreibt. Da ein Gutachten den Autismus bestätigte, forderten sie eine inklusive Beschulung mit individuellem Förderplan an einer Regelschule. Doch das lehnten die Behörden bisher ab. Nach deren Sicht haben die Eltern ein Problem, die Behinderung ihres Kindes zu akzeptieren.
Der Konflikt scheint festgefahren. Anders als zum Beispiel in Hamburg haben Eltern in Schleswig-Holstein nicht das Recht, zwischen Inklusion und Sonderschule zu wählen. Die Ciceks sind in Sorge, dass ihnen ihr Kind weggenommen wird. Der Termin vor Gericht sei sehr kurzfristig angesetzt worden und ihr Antrag auf Verschiebung abgelehnt. Sie fürchten, die Entscheidung stünde schon fest und beantragten jetzt deshalb erneut eine unabhängige Begutachtung und einen Schulplatz in Lübeck. Immerhin scheint es noch Hoffnung zu geben, dass etwas in Bewegung kommt.
Zudem wandten sie sich schon vor Monaten an den Petitionsausschuss in Kiel. Der wird nun in einer nichtöffentlichen Sitzung mit den Eltern sprechen. Wie man hört, soll auch diskutiert werden, ob man kultursensible Ansprechpartner braucht. Der Petitionsausschuss kann zwar nichts entscheiden, aber auf Regelungslücken hinweisen und Empfehlungen aussprechen, nach denen die Behörde ihre Entscheidungen manchmal revidieren. Kaija Kutter
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