: Das Wetter war an allem schuld
Gefahrenlage bei der brennenden „Pallas“ wurde von den Behörden falsch eingeschätzt, sagt das Seeamt. Hauptursache für Bergungsprobleme waren aber „äußere Umstände“ ■ Von Constanze Oehlrich
Cuxhaven (taz/AP/dpa) – Zu Beginn des „Pallas“-Unglücks haben sowohl die dänischen als auch die deutschen Behörden die Gefahrenlage falsch eingeschätzt. Zu diesem Ergebnis kam das Seeamt Kiel nach fünftägiger Verhandlung am Samstag in Cuxhaven. Um zu klären, warum das Schiff in Brand geraten und schließlich trotz aller Bergungsbemühungen auf Grund gelaufen ist, hat Jochen Hinz, der Vorsitzende des Amtes, vom 16. bis 21. August mehr als 20 Beteiligte, darunter Schlepperkapitäne, Reeder und zahlreiche Sachverständige, befragt.
Die mit Holz beladene „Pallas“ war am 25. Oktober vergangenen Jahres vor der dänischen Nordseeküste in Brand geraten und trieb tagelang ohne Besatzung im Meer. Mehrere Versuche, das Schiff abzuschleppen, scheiterten, bis der Frachter schließlich vor Amrum auf Grund lief. Aus dem leck geschlagenen Schiffswrack lief tonnenweise Öl in die Nordsee und verursachte den Tod von mindestens zehntausend Seevögeln. Die Brandbekämpfung und die Ölentsorgung dauerten Wochen und kosteten rund 14 Millionen Mark. Das „Pallas“-Unglück war bisher die schwerwiegendste Umweltkatastrophe im sensiblen Öko-System Wattenmeer.
Zwölf Punkte listete das Seeamt auf, warum der Unfall so ablaufen konnte. Als eine mögliche Ursache für den Brand wurde eine überlastete elektrische Leitung genannt. Die Brandbekämpfung sei durch mehrere Missstände an Bord gescheitert. So sei ein Alarm der Rauchmeldeanlage nicht registriert worden und die Holzladung nicht korrekt gestaut gewesen. Dem polnischen Kapitän der „Pallas“ und dem italienischen Schiffsmanagement wirft das Seeamt darüber hinaus fehlerhaftes Verhalten während der ersten Brandbekämpfung vor.
Dass die Bergung des brennenden Schiffes so wenig erfolgreich war, schiebt das Seeamt vor allem auf das schlechte Wetter und auf mangelhafte Einschätzung der Gefahrenlage durch die zuständigen Behörden in Deutschland und Dänemark. Entsprechend gab es auch schlechte Absprachen zwischen ihnen. Als fehlerhaftes Verhalten wird dies aber nicht interpretiert. Die Kritik werde den Umständen vor Ort nicht gerecht, sagte Hinz. So sei das Maritime Rescue Coordination Center in Arhus nur für das Retten der Besatzung zuständig gewesen. Die für die Bekämpfung von Ölverschmutzungen zuständige Abteilung des Umweltministeriums habe keinen Schlepper zur „Pallas“ entsenden können, weil noch keine Verschmutzung der Nordsee oder der Küste eingetreten sei. Die Seefahrtsverwaltung im Wirtschaftsministerium wiederum sah sich nicht zum Eingreifen veranlasst, weil die „Pallas“ die Schifffahrt nicht gefährdet habe. „Das Schiff war ja ein weithin sichtbares Lichtermeer“, sagte ein dänischer Verwaltungsmitarbeiter.
Die Mehrzweckschiffe „Neuwerk“ und „Mellum“ sowie deren Besatzung seien für diese Aufgabe entgegen aller Kritik qualifiziert gewesen. Dass der vom Bund gecharterte Bergungsschlepper „Oceanic“ erst mit erheblicher Verpätung zur „Pallas“ geschickt wurde, hatte nach Angaben der Schifffahrtsverwaltung seine Ursache in einem Notfall mit einem wesentlich größeren Havaristen zur selben Zeit in der deutschen Bucht.
Demnach hat jeder der Beteiligten das aus seiner Sicht Beste getan. Dass dies objektiv nicht ausreichte, macht nun die Wahrheitsfindung schwer. Dass es letztlich an einem „Quäntchen Glück“ gefehlt habe, „mag manchem nicht gefallen, ist aber fest Überzeugung des Seeamtes“, sagte Hinz. Meeresschutzexperte Peter Küster von der Umweltorganisation Greenpeace äußerte vor Beginn der Verhandlung schon Kritik. „Es besteht die Gefahr, dass sich die Verhandlung vor dem Seeamt am Ende als Persilveranstaltung entpuppt“, sagte er.
Das Seeamt ist ein ständiger Untersuchungsausschuss zur Analyse der technischen und menschlichen Fehler bei Schiffshavarien. Es kann Seeleuten bei einem nachgewiesenen fehlerhaften Verhalten das Patent entziehen. Außerdem kann der Seeamtsspruch als Grundlage für ein straf- oder zivilrechtliches Verfahren dienen.
Der nach der Havarie in die Kritik geratene schleswig-holsteinische Umweltminister Rainder Steenblock erklärte nach dem Spruch des Seeamtes, die Frage der persönlichen Schuldzuweisung sei damit beendet. Er forderte ein Notfallkonzept für die Deutsche Bucht, das ein schnelles Eingreifen in einem ähnlichen Fall ermöglicht.
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