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Das Weltbild der Fans von Ken JebsenWenn Linke nicht mehr links sind

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Die politische Linke lebt von ihrer Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Wo sie nur in Feindbildern denkt, hört sie auf zu sein.

Sie wollen doch nur Frieden Foto: dpa

S ie singen die Internationale, verleihen Preise mit Karl-Marx-Konterfei, schwenken Fahnen mit der Friedenstaube, ganz klar, das müssen Linke sein. Angesichts dieser Insignien gibt es eigentlich keine Zweifel an der politischen Gesinnung derjenigen, die am vergangen Donnerstag in und vor dem Kino Babylon zusammengekommen sind. Die Fans des Medienmachers Ken Jebsen, die einer Preisverleihung an den „mutigen Journalisten“ beiwohnen und zuvor demonstrieren wollten, betrachten sich als „Friedensbewegung“ und Verteidiger der Meinungsfreiheit.

Es gibt keine Zweifel, dass sie sich selbst als Linke sehen. Wie überhaupt, Zweifel dieser „Bewegung“ ziemlich fremd sind. Sie sind die Guten, die Unverstandenen, die Kleingehaltenen. Und auch die Rollen der Bösen sind vergeben: Es sind die etablierten Medien, von den GEZ-Sendern bis zur Jungen Welt, die USA und Israel, die politischen Parteien und das parlamentarische System, und im konkreten Fall Kultursenator Klaus Lederer (Linke). All die, soviel ist klar, stehen im Dienste der Waffenlobby und der Nato.

Es ist ein Glück für die Bewegten, dass sie linke Kronzeugen haben, Mitglieder der Partei Die Linke, wie der Exabgeordnete Wolfgang Gehrcke, die mit ihnen solidarisch sind – noch so ein linker Wert. Oder Oskar Lafontaine, der ihnen beisteht mit seinem Verdikt „Begriffe wie ,Verschwörungstheoretiker' oder auch ,Querfront‘ stammen aus dem Arsenal der Geheimdienste“. Kritik erkannt, Kritik gebannt.

Zweifel sind dieser Bewegung fremd

Doch genau hier offenbart sich das Problem der Szene: Die verlorene Fähigkeit komplexe Zusammenhänge zu erkennen und die Verhältnisse angesichts systeminhärenter Prozesse zu bewerten. Politische Entscheidungen fallen nicht allein deshalb, weil die Mächtigen böse sind. Und sie fallen nicht, weil die eigentlich Mächtigen dunkle Gestalten im Hintergrund sind. Nicht jeder Feind des eigenen Feindes kann ein Freund sein.

Wo dieses Differenzierungsvermögen verloren geht, wo die Welt nur noch hell oder dunkel ist und Widersprüche ausgeblendet werden, löst sich der Abstand zwischen links und rechts und die moralische Überlegenheit der politischen Linken auf. Da helfen auch die schönen Insignien nichts.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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15 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Bei dem ganzen Linken-Bashing hier weiss ich wieder sehr gut, warum ich von Verschwörern nichts halte.

    Keine einzige realpolitische Forderung hier, wie es unter Verschwörern so üblich ist, reicht wohl das Wissen um "die Wahrheit", um die Krise zu bweältigen?!

    Die meisten der Nutzer*innen haben sich etwa an den äußerst regen Diskussionen über Alternativen zum Kapitalismus in den letzten Tagen gar nicht beteiligt.

     

    Ach, noch zur Wahrheit:

    Die Dekonstruktion ist die Wahrheit.

  • OMG, das Problem ist doch, dass gerade der Mainstream, und auch die Taz, die heutztage wichtigsten Begriffe der Kapitalismuskritik nicht mehr verstehen. Z. B. Giralgeldschöpfung. Hm, da müsste man halt eine Bilanz lesen können und wissen, was eine Bilanzverlängerung ist. (Nachzulesen in den Schulungsbriefen der Bundesbank. Unter anderem.) Und wer dann noch die zwingend daraus sich ergebenden Folgen verstehen will, der schaue sich den Werdegang der Deutsche Wohnen an...

    • @theo waldschrat:

      Geldschöpfung und Bilanzierung finden in jeder Wirtschaftsform statt. Dass eben keine ungezügelte Geldschöpfung betrieben wird ist die Verantwortung der BaFin und EZB.

      Was soll daran den Kapitalismus kritisieren? Werden in der Zentralverwaltungswirtschaft keine Kredite vergeben und alle Geschäfte bar getätigt? Sicher nicht.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @theo waldschrat:

      Erst im September ist folgender Artikel über das Keystroke-Prinzip aus der Le Monde Diplomatique hier in der taz syndikalisiert worden: https://monde-diplomatique.de/artikel/!5430639

  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    "Die Szene" auf das Unvermögen zu reduzieren "komplexe Zusammenhänge" nicht bewerten zu können, halte ich für sehr herablassend und anmaßend und ist Ausdruck dessen, dass der Autor möglicherweise nicht unbedingt ein ausgewiesener Kenner dieser von ihm vorverurteilten „Szene" ist.

     

    Hat sich die Taz eigentlich jemals von ehemaligen Mitarbeitern wie Matthias Bröckers, Lejeune, Shahyar öffentlich distanziert?

    Man könnte auf polemische Weise den Spieß umdrehen und fragen, wie viel Querfront steckt in der Taz?

     

    Wir haben ein Fascho-Problem in Deutschland, kein Jebsen Problem.

     

    Ignorieren statt Bühne bereiten falls Aversion und Vorurteile gegen die Person Jebsen bestehen.

  • Lieber Journalist, mir ist offenbar die Fähigkeit abhanden gekommen, gewisse komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Beispielsweise den Zusammenhang zwischen Ken Jebsen, Antisemitismus und Querfront.

    Nun hat der Herr Lederer diesen anscheinend bestehenden Zusammenhang nicht differenziert erklären können. Aber du bist doch ein Journalist, also kannst du so etwas auch hieb- und stichfest rechechieren. Kannst du mir vielleicht helfen?

  • 3G
    33710 (Profil gelöscht)

    In der Jungen Welt las ich in einem Leserbrief:

    "Wo war Lederer, als am 26. November dieses Jahres in der angesagten Location 'Italienische Höfe' (Zitadelle Berlin) der Gerhard-Löwenthal-Preis des rechten Blatts Junge Freiheit verliehen wurde? Übrigens im Beisein von Beatrix von Storch und Martin Hohmann?"

    Die Informationen stimmen, man kann sich die ganze Preisverleihung bei YouTubes ansehen.

    Die Zitadelle Berlin gehört zum Kulturamt des Bezirkes Spandau.

     

    Die Frage von Uli Gellermann, was hätte Klaus Lederer bei einer Preisverleihung an ausgewiesene Rechte gemacht, ist also keine rethorische Frage mehr.

  • "Die politische Linke lebt von ihrer Fähigkeit komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Wo nur noch in einfachen Feindbildern denkt (sic!), hört sie auf zu sein."

    "--- die Verhältnisse angesichts systeminhärenter Prozesse zu bewerten."

     

    "löst sich ... die moralische Überlegenheit der politischen Linken auf."

     

    Gegenthesen zu diesem eitlen Selbstlob:

     

    1. Die politische Linke postuliert derart verworrene, sich selbst widersprechende und nicht nachvollziehbare Konklusionen und Argumentationen als Thesen und Begründungen, dass nur die Ideologisierten selbst die Gedanken nachvollziehen können.

    "Die meisten paranoiden Wahnvorstellungen sind verwirrend, aber diese hier ist brilliant" (Zitat aus "The Terminator") Nein, ich will weder den Autor noch "die Linke" beleidigen.

    Eine selbstkritische und ideologiefreie Auseinandersetzung mit den "linken" Thesen findet jedenfalls nicht statt, das verbietet die Ideologie und die "Solidarität".

     

    2. "Moralische Überlegenheit"?

    Jede Ideologie hält sich selbst für moralisch Überlegen. Die daraus folgende Einstellung, "Gut ist was unserer Sache dient, weil wir die Guten sind" hat fatale Folgen auf die politische Auseinandersetzung. Alles, auch die "systeminhärenten Prozesse" werden nur noch mit ideologischen Scheuklappen betrachtet und bewertet.

    Eine offene Auseinandersetzung kann so nicht stattfinden.

     

    Und es ist genau diese selbstverliebte, egozentrierte "Linke", bei der die Fähigkeit zur politischen und sozialen Gestaltung nicht vorhanden ist.

    "Sie sind die Guten, die Unverstandenen, die Kleingehaltenen. Und auch die Rollen der Bösen sind vergeben:"

    Für die Mehrheit der Linken sind es

    die "Neoliberalen", das "Kapital" oder der "Westen".

  • Ist Herr Peter Herr über die Deutungshoheit des Linksseins?

  • Was will uns dieser Text sagen?

    Will er sagen, dass die Welt jetzt so kompliziert geworden ist, dass plötzlich Bombardierungen und Aufrüstung gut sind, und es auch korrekt ist, wenn die Armut vieler zunimmt, wie auf der anderen Seite der Reichtum weniger?

     

    Natürlich fallen Entscheidungen aufgrund von vorhandenen Machtstrukturen und von Möglichkeiten zur Einflussnahme.

     

    Ich denke es wird sehr viel differenzeierte gedacht, als der Autro uns weismachen möchte.

     

    Ich persönlkich sehe nicht, bloß weil ein rechter und ein linker an einer roten ampel halten, dass sie eine sog. "Querfront" bilden aber genau das wird in den Medien propagiert, und jeder, der die augenblickliche Politik einer in Israel umstrittenen Regierung nicht toll findet wird automatisch als Antisemit verunglimpft. Soviel zu systeminhärenten Prozessen und moralischer Überlegenheit.

  • Schade. Ich hätte jetzt einen differenzierteren Artikel erwartet, der erklärt, wieso "Querfront" und "Verschwörungstheorie" kein BND-Sprech ist (mit Nennung historischer Quellen) und warum Verschwörungdenken grundsätzlich reaktionärer Hirnkot ist (nämlich weil Verschwörungtheorien so formuliert sind, dass sie unfalsifizierbar sind und/oder weil für einen Verschwörungstheoretiker jedes Gegenargument ein Argument für sein Weltbild ist und Argumentieren mit solchen Leuten folglich unmöglich ist!). Stattdessen ein offensichtlich schnell hingehuddeltes Fünf-Absätze-Artikelchen - wo die immerhin werbungsfreie und leserfinanzierte taz solche billigen Clickbaits doch gar nicht nötig hat! Das verstehe einer...

  • "Die politische Linke lebt von ihrer Fähigkeit komplexe Zusammenhänge zu verstehen."

     

    Soweit das überhebliche Selbstverständnis.

    Wer verstehen will, wie es zu den - vom Autor offensichtlich bedauerten - Verrenkungen kam, muss sich auch die zahlreichen abenteuerlichen Wendungen und Verrenkungen anschauen, für welche Linke schon immer standen. Und ich spreche gerade mal nicht von 100 Millionen Toten, sondern auch von der selbsternannten intellektuellen Vorhut der Arbeiterklasse.

    Die sich seit jeher zu-tode-publizierende geisteswissenschaftlich-postmoderne Linke betreibt eigentlich nur ein Verwirrspiel, das komplexe Zusammenhänge eher erzeugt als versteht. Durch das postmoderne Verwirrspiel kann man (* auch) durch die Wahl einer entsprechend akademisch geschraubten Rhetorik eine "Erkenntnis" in jede beliebige Richtung lenken. Wenn Linke vom "Konstruktivismus" sprechen, so meinen sie damit vor allem die Formung ihrer eigenen Wirklichkeitsblase.

    Was herauskommt ist ein Selbstbetrug, bei welchem eine meist triviale Botschaft hinter Wortgerümpel aufbewahrt wird. Linke Weltanschauung ist per se einfach gestrickt, aufwendig ist einzig das Beiwerk, der Baumschmuck sozusagen.

    Wer sich das Manifest der kommunistischen Partei zumutet, findet eine argumentative Höhe wieder, welche auch dem Kopp-Verlag entsprungen sein könnte. Aluhut at its best.

    Einfache Feindbilder sind das Substrat, auf dem seit jeher linke Weltanschauung gedeiht.

    Die Linke hat längst abgedankt - intellektuell, ideologisch, praktisch. Sie hat es nur noch nicht mitgekriegt, dass sie schon immer "aufhörte zu sein". Die im Artikel angedeutete Querfront (Ken Jebsen) ist eine logische Folge dessen.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Die "moralische Überlegenheit" der Linken war nie mehr als eine Selbstempfindung.

    • @80576 (Profil gelöscht):

      Wo immer mit "moral" dem bürgerlichsten Konzept überhaupt argumentiert wird ist so wie so nicht mehr viel "links" übrig.

      Schade das es die Erkenntnis die in diesem Artikel mal wieder als neu verkauft wird nicht auf den anderen, deutlich reaktionäreren Flügel der politischen Linken angewandt wird.

      Das gute alte Querfront-bashing wird eben doch nie so wirklich alt

  • Die "moralische Überlegenheit der politischen Linken" ist auch nur ein Popanz...