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„Das Verbrauchergesetz ist Etikettenschwindel“

Bayerns Verbraucherschutzminister Eberhard Sinner fordert statt des neuen Gesetzes eine strengere Kennzeichnungspflicht

taz: Auch in Bayern ist das verbotene Pflanzenschutzmittel Nitrofen im Biofleisch entdeckt worden. Die betroffene Genossenschaft Tagwerk aus München hat bereits im April die brancheneigene Kontrollstelle informiert. Doch die gab den Hinweis nicht an Ihr Ministerium weiter. Welche Konsequenzen ziehen Sie?

Eberhard Sinner: Die Wissenden dürfen ihr Wissen nicht für sich behalten. Die Behörden müssen sofort davon erfahren. Dazu muss einmal die für 2005 vorgesehene EU-Regelung sofort in Kraft treten, die die Unternehmen verpflichten wird, bei Gesundheitsgefahren die Behörden zu informieren. Hier ist Frau Künast gefordert. Zum anderen wollen wir die Eigenkontrollen der Betriebe und die staatlichen Kontrollen so vernetzen, dass jede Information automatisch zur Verfügung steht. Mit dem Fleischhersteller Südfleisch machen wir dazu gerade einen Modellversuch.

Wie sieht der aus?

Wir wollen hier zwischen den Beteiligten einen schnellen Datenaustausch online organisieren. Dann können wir auch viel schneller reagieren.

Müsste das auch auf Bundesebene passieren?

Allerdings. Was Bundesministerin Renate Künast bisher anpeilt, reicht nicht aus. Das geplante Verbraucherinformationsgesetz ist ein Etikettenschwindel.

Rot-Grün will das Verbraucherinformationsgesetz morgen durch den Bundesrat bringen. Warum sind Sie dagegen?

Das Gesetz gibt dem Verbraucher Steine statt Brot. Viele der Informationen, die die Verbraucher haben wollen, sind bei den Behörden doch gar nicht vorhanden. So wichtige Bereiche wie Dienstleistungen oder die Futtermittel sind gar nicht erfasst. Und das Ganze soll die Bürger auch noch Geld kosten.

Immerhin wären die Behörden verpflichtet, Informationen herauszugeben, die sie haben. Das wäre neu.

Seit Februar 2002 gilt eine Vorschrift der EU, dass Behörden bei hinreichendem Verdacht auf Gesundheitsrisiken bei Lebens- oder Futtermitteln die Öffentlichkeit aufzuklären haben. Das war offenbar nicht bei allen Bundesbehörden bekannt. Wir haben in Bayern bei Gesundheitsgefahren im Übrigen schon immer informiert. Zudem haben wir ein umfassendes Verbraucherinformationssystem im Internet. Dort veröffentlichen wir auch, wenn Firmen ihre Produkte zurückrufen. Frau Künast sollte ihre Energie darin investieren, auf europäischer Ebene die Kennzeichnungspflichten zu reformieren. Herkunft und Inhalt von Lebensmitteln müssen auf dem Etikett stehen. Dort sucht der Verbraucher die Information, nicht bei Behörden.

Angaben über eine Vergiftung mit Nitrofen wird man dort nie finden.

Dafür brauchen wir eine Rechtspflicht der Unternehmer, Ergebnisse der Eigenkontrollen den Behörden mitzuteilen. Das ist auch billiger als die Informationspflicht der Behörden, die der Bund nicht finanzieren will.

INTERVIEW: HANNES KOCH

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