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Das Problem ist der Vater

Die Winsener Lindhorst-Gruppe baut in Osnabrück in bester Innenstadt-Lage ein teures Quartier. Doch es gibt eine Schwierigkeit: Die Weltanschauung von Lindhorst Senior

Schön hier, ‘ne? Bald soll es noch schöner werden, wenn erst mal dick investiert wird Foto: Heiko Pohlmann

Von Harff-Peter Schönherr

Wer den Neumarkt meiden kann, Osnabrücks zentralen Platz zwischen Alt- und Neustadt, meidet ihn. Leerstände prägen ihn, marode Bausubstanz, Abgase. Viele Konzepte wurden schon entwickelt, wenig Taten folgten. Es ist kein Ruhmesblatt für den Rat der Stadt.

Aber jetzt soll der Neustart kommen. Ein „Glücksfall“ sei das, sagt Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU). Neuer Investor, neues Ziel: Statt der Shopping-Mall des Investors Unibail-Rodamco-Westfield, das nach jahrelangem Gepoker endgültig Geschichte ist, will die Winsener Lindhorst-Gruppe hier jetzt ab 2023 die „Johannis-Höfe“ hochziehen, ein 140 Millionen Euro teures Quartier von 47.000 Quadratmeter Nutzfläche aus Wohnen, Einzelhandel und Pflege, mit Flächen für Büros und Bildung.

Aber es gibt ein Problem: Die politisch-weltanschauliche Ausrichtung von Firmensenior Jürgen Lindhorst, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats der JLW Holding AG. Es gebe „Anlass zur Sorge, dass sein Wertekompass nicht mit dem der Friedensstadt Osnabrück kompatibel ist“, sagt Sophie Haas, Vorstandsmitglied der Jusos Osnabrück-Stadt.

Die Jusos stört nicht nur der Findling, der an der Einfahrt zu Lindhorsts Grundstück in Winsen an der Aller steht. Er zeigt den Familiennamen, in altdeutscher Schrift, darunter eine Wolfsangel, ein einst von der Wehrmacht und heute von Rechtsextremen genutztes Symbol. Besonders brisant: Die Straße, an der das Grundstück liegt, führt zur KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen. Die Jusos stört auch, dass der AfD-Faschist Björn Höcke bei einem der „politischen Abende“ des Firmenseniors als Redner auftrat. Zudem bezeichnet Lindhorst auf dem digitalen Wutbürger-Portal „Hallo Meinung“, das er mitfinanziert, Geflüchtete als vandalistisch und als „Leute“, die Hilfen „hier schmarotzerhaft erschleichen“. Nach den Zuwanderungszahlen von 2015, sagt er auf dem neurechten Medium, auch im Namen seiner Familie, habe man lieber im Ausland investiert, „um Schlimmerem vorzubeugen“.

Nico Möller, der stellvertretende Landesvorsitzende der Jusos, fordert daher eine eindeutige Distanzierung der Lindhorst-Gruppe von ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden, sogar seine Entlassung. Auch Giesela Brandes-Steggewentz, Fraktionsvorsitzende der Linken im Rat Osnabrück, sagt: „Die mehr als fragwürdigen Sympathien von Seiten der Lindhorst-Gruppe für die AfD, eine rechtsextreme, demokratiefeindliche Partei, müssen diskutiert werden.“

Geklärt werden müsse laut Brandes-Steggewentz, ob Griesert bewusst gewesen sei, welche Kritik es an dem Investor gibt. „War die Kritik nicht wichtig, weil so ein Erfolg am Neumarkt vermeldet werden konnte?“, fragt sie.

Gerade für eine Stadt, die sich mit dem Titel „Friedensstadt“ schmücke, sei ein solches Vorgehen skandalös, sagt Heidi Reichinnek, Linken-Ratsmitglied und Landesvorsitzende. „Es ist ein Schlag ins Gesicht der Osnabrücker Zivilgesellschaft, die es mit ihrem Engagement gegen Faschismus geschafft hat, die AfD aus dem Stadtrat herauszuhalten.“ Klar, die Neumarktflächen seien ein Deal zwischen zwei Investoren. „Aber diesen Prozess kritisch zu begleiten, sollte das Mindeste sein“, so Reichinnek.

Volker Bajus, Fraktionschef der Osnabrücker Grünen und Landtagsabgeordneter, sieht es genauso. „Dass Mitglieder der Investorenfamilie die Nähe zu Extremisten in der AfD und rechtspopulistischen Medienportalen gesucht haben“, sagt er, „irritiert uns sehr“. Er fordert von Geschäftsführer Alexander Lindhorst, dem Sohn des Seniors, sich „deutlich zu positionieren“.

„Es ist ein Schlag ins Gesicht der Osnabrücker Zivilgesellschaft“

Heidi Reichinnek, Linke Landesvorsitzende

Das versucht Alexander Lindhorst auch. Er distanziere sich, sagt er der taz, „mit aller Deutlichkeit von allen politischen Extremen“. Als CDU-Mitglied stehe er für die politische und demokratische Mitte ein. Vor allem aber ist ihm wichtig: „Was mein Vater tut oder nicht tut, hat überhaupt nichts mit mir oder meiner Investition in Osnabrück zu tun.“ Er führe seine Unternehmen in Gänze eigenständig und vor allem unpolitisch. Sein Vater sei in keinem seiner Unternehmen aktiv. Was man dazu wissen muss: Die Lindhorst Gruppe hat viele Geschäftsfelder, darunter Agrarindustrie und Energie. Hier liegt der Schwerpunkt des Seniors.

Auch der wehrt ab und legt Distanz zwischen sich und seinen Sohn: „Ich habe keinerlei Anteil an oder Einfluss auf die Gesellschaften oder Entscheidungen meiner Kinder.“ Über sein politisch-weltanschauliches Denken sagt er nicht viel. Seine Zeit erlaube es nicht, schreibt er der taz, „wieder und wieder in alte Kamellen einzusteigen“. Er sehe sich „als selbstbewussten und heimatverbun­denen Demokraten“, abseits von politischen Extremen, aber auch „außerhalb des Mainstreams“.

Und die Stadt Osnabrück? Alexander Lindhorst habe gegenüber dem Oberbürgermeister Griesert glaubhaft dargelegt, dass er keinerlei Nähe oder Verbindungen zur AfD pflegt, sagt Sven Jürgensen, Pressesprecher der Stadt. Diese Offenheit, auch zu den Ansichten seines Vaters, habe sehr zur Vertrauensbildung beigetragen.

Eine anonyme Gruppe befestigte am zukünftigen Bauplatz ein Plakat: „Hier könnte ihr Nazi vermieten“, lautet die Botschaft, und die Forderung: „Jürgen Lindhorst raus aus Aufsichtsrat“. Ermittlungen wegen Hausfriedensbruchs und Beleidigung sind die Folge, der Staatsschutz trat auf den Plan. Jürgen Lindhorst wird es freuen.

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