■ Das Portrait: Friedel Balsam wusste nichts
„Es muss Schluss, Schluss, Schluss sein“, brach es am 190. Verhandlungstag aus dem Angeklagten mit der schmalen Lesebrille heraus. Fünf Verhandlungstage später war gestern tatsächlich Schluss: Mit dem Urteil gegen Friedel Balsam (57) ging vor dem Bielefelder Landgericht eines der größten bundesdeutschen Wirtschaftsstrafverfahren zu Ende.
Während des gesamten Prozesses hatte Balsam jegliches Mitwissen an den in der Balsam AG laufenden Betrügereien geleugnet. „Ich habe mir nie etwas zu Schulden kommen lassen“, „Von den Machenschaften habe ich nichts gewusst“ – das waren die Standardsprüche des Firmenchefs und Hauptaktionärs. Konsequenterweise hatte seine Verteidigung bis zuletzt auf Freispruch plädiert. Daraus wurde jedoch nichts. Neun Jahre und sechs Monate hatte die Staatsanwaltschaft für den Sportmäzen gefordert. Tatsächlich verhängten die Richter dann acht Jahre Haft wegen Betrugs von Banken.
Insgesamt prellten Balsam und sein untergetauchter Finanzchef Klaus Schlienkamp die Geldgeber um mehr als 1,3 Milliarden Mark. Bis 1994 schien das Unternehmen zu florieren: Ob beim Tennis-Grand-Prix in Key Biscayne, bei der Hockey-Weltmeisterschaft in Pakistan oder bei den Fußballern im ostwestfälischen Verl – alle Welt spielte auf Bodenbelägen der Balsam AG. Tatsächlich sah es im Betrieb aber gar nicht mehr rosig aus. Mit frisierten Auslandsaufträgen, gefälschten Bilanzen und Testaten sowie nachgemachten Briefköpfen US-amerikanischer Wirtschaftsprüfer und Banken ausgerüstet, erschwindelten sich die Betrüger Kredite in Milliardenhöhe und spekulierten mit dem Geld an der Börse.
Im Juni 1994 wanderte Firmenchef Balsam in Untersuchungshaft. Zuvor war der Firmenumsatz schon rapide in den Keller gegangen. Die Geschäfte setzen sich im wesentlichen aus Finanztransaktionen zusammen. Schließlich meldete das Unternehmen Konkurs an. Da fiel es auch den Banken wie Schuppen von den Augen. Vorher hatten sie den gefälschten Belegen geglaubt und sich mit Krediten von mehreren Milliarden Mark engagiert.
Kurz nach der aufsehenerregenden Pleite des Immobilienunternehmers Schneider schien damit ein weiterer Beleg erbracht, dass die Kreditinstitute blauäugig Kredite an zweifelhafte Unternehmen vergaben. Vertrauen in Friedel Balsam hatten viele Großbanken: Die Deutsche Bank gab ebenso Kredite wie die BFG-Bank und die Bayerische Vereinsbank.
Constanze Oehlrich
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