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Das PortraitDie Frau an der Spitze der Guerilla

■ Comandante Ramona

In der sengenden Mittagssonne steht sie mit ihrer wollenen Skimütze. Mit beiden Händen umklammert sie drei rote Papierrosen, die ihr Subcomandante Marcos zum Abschied auf die Reise vom Lacandonen- in den Asphaltdschungel mitgegeben hatte. Klein, unbewegt, nur die dunklen Augen schweifen ab und an über den Zócalo, den riesigen Platz im Herzen von Mexiko-Stadt, und auf das Menschenmeer vor ihr. „Wir alle sind Ramona“, steht auf Transparenten. Comandante Ramona, die nach langen Verhandlungen schließlich doch noch als erste Abgesandte der Zapatistenguerilla EZLN zum Indianer-Kongreß nach Mexiko-Stadt eingeflogen werden konnte, ist noch nie in der Hauptstadt gewesen. Geflogen erst recht nicht.

Ramona ist todkrank. Dünn ist sie geworden, wie ausgezehrt. Längst nicht mehr die rundliche Erscheinung mit der buntbestickten Bluse und den sanften Augen hinter der Maske, die Anfang 1994 bei den ersten Friedensverhandlungen in San Cristóbal als eine von zwei weiblichen Delegierten die Aufmerksamkeit der Presse erregt hatte.

Ebenso unbekannt wie Antlitz und bürgerlicher Name der „ungefähr“ 34jährigen Tzotzil-Indianerin sind Einzelheiten ihrer Biographie. Vor 12 Jahren hat sie die Guerilla mitgegründet und gehört heute ihrer politischen Führung an. In einem der seltenen Zeitungsinterviews berichtete Ramona, wie sie „vor vielen Jahren“ auf der Suche nach Arbeit aus ihrem Dorf aufgebrochen und dabei auf „die Organisation“ – die spätere Zapatistenarmee – gestoßen war.

Doch seit zweieinhalb Jahren fehlt Ramona bei den Veranstaltungen der Zapatistas. Sie habe Krebs, wurde gemunkelt, Frauengruppen initiierten Kampagnen für freies Geleit und ärztliche Versorgung. Die Gerüchte haben sich bestätigt: Vor ihrem Tod, erklärte Marcos beim Abschied, habe sie sich „noch einmal mit anderen Indigenas treffen“ wollen.

Das Sprechen fällt ihr schwer. Nach jedem ihrer leisen Worte vergeht eine kleine Weile. Sie hält ihre kurze Rede erst in Tzotzil, dann in stockendem Spanisch. Viele Vivas schallen der kleinen, zerbrechlichen Frau entgegen. Und: „Ramona lebt!“ Noch einmal winkt sie mit ihren papiernen Rosen durch das Busfenster. Dann geht es auf die Intensivstation. Anne Huffschmid

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