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■ Das PortraitArgentinischer Schlächter

Emilio Massera: Das ehemalige Mitglied der argentinischen Militärjunta ist erneut in Haft Foto: Reuters

Die lebenslange Haft, zu der Emilio Massera 1985 verurteilt worden war, dauerte nicht einmal fünf Jahre. Schon 1990 wurde Massera, als Chef der Marine einer der drei Köpfe der argentinischen Militärjunta, die sich 1976 an die Macht geputscht hatte, vom damals frisch gewählten peronistischen Präsidenten Carlos Menem wieder auf freien Fuß gesetzt. Für den Großteil der Verbrechen, die unter seine Herrschaft fallen, darunter die rund 30.000 Verschwundenen, kann Massera in Argentinien aufgrund der geltenden Amnestieregelungen nicht mehr belangt werden. Wie Chiles Ex-Diktator Augusto Pinochet sieht er sich allerdings einem Verfahren des spanischen Richters Baltazar Garzón ausgesetzt.

Als oberster Befehlshaber der Marine hatte Massera auch die Aufsicht über die berüchtigte Esma, die „Mechanikschule der argentinischen Marine“, das schlimmste Folterzentrum des Landes. Zwei ehemalige Untergebene Masseras, der Folterknecht Jorge Perrén und der Mörder und Entführer Alfredo Astiz – der wegen Mordes an zwei französischen Nonnen mit internationalem Haftbefehl gesucht wird und lediglich in Argentinien per Amnestie geschützt ist – haben jetzt bestätigt, daß Massera persönlich über alles wachte, was in der Esma geschah.

Und dazu gehört eben auch die Entführung von Kindern, die in der Esma geboren wurden, wie im Fall des Javier Gonzalo Penino. In seiner viereinhalbstündigen Befragung vor der zuständigen Ermittlungsrichterin gab Massera an, davon nichts gewußt zu haben, er sei auch nicht verantwortlich für die Esma gewesen. Er sei dort lediglich mitunter aufgetaucht, und es könne sein, daß er dort auch einmal einen Gefangenen gesehen habe.

Bei der Urteilsverkündung am 9. Dezember 1985 hatte der Schlächter Massera versucht, so etwas wie trotzige Würde zu zeigen: „Meine Herren Richter, Ihnen bleibt es, die Chronik zu schreiben – die Geschichte aber bleibt die meine.“ Er meinte die Geschichte des argentinischen Militärs, das in der Not stolz und kampfbereit die Nation gegen Subvention und Chaos schützt – eine Lebenslüge, von der sich die Militärs bis heute nicht völlig verabschiedet haben. Die wahre Geschichte hat ihn jetzt, im Alter von 73 Jahren, wieder eingeholt. Seit Dienstag sitzt er in Einzelhaft im Gefängnis Campo de Mayo. Bernd Pickert

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