■ Das Parlament beschließt Bosnieneinsatz der Bundeswehr: Der Krieg der Bilder
Als 1994 die ersten deutschen Soldaten in Somalia landeten, stieg ein Offizier froh aus dem Flugzeug, blickte mannhaft in die TV-Kameras und verkündete: „Wir sind froh, wieder in die internationale Waffenbrüderschaft aufgenommen worden zu sein.“ Ein stolzer deutscher Soldat. Was war das? Der Vorschein des wiedererstarkten deutschen Militarismus? Oder dessen Wiederaufführung als Komödie?
Die dramatischen Szenarien, die manche Pazifisten an die Wand malten, haben sich bisher nicht erfüllt. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr verliefen unspektakulär. Die martialische Geste des Offiziers – Wir sind wieder wer! – war, angesichts dessen, was die Deutschen in Somalia (nicht) taten, eher obskur.
Auch der Einsatz in Bosnien wird den pazifistischen Schreckensvisionen wohl nicht entsprechen. Daß deutsche Soldaten massenhaft in Zinksärgen in die Heimat zurückkehren werden, dafür gibt es kein Indiz. Zudem ist das SFOR-Mandat nötig, um den Frieden in Bosnien zu stützen – als Übergang zu einer zivilen internationalen Präsenz. Aber müssen deutsche Soldaten dabeisein?
Die deutschen Linken haben in dieser Frage bisher eine recht unglückliche Figur gemacht. Die Parteitagsbeschlüsse von SPD und Grünen, stets mühsam ausgetüftelte Formelkompromisse zwischen den pazifistischen und interventionistischen Flügeln, wurden stets rasch von der Wirklichkeit überholt. Während die SPD-Tauben sich vor zwei, drei Jahren die Köpfe heißredeten, ob deutsche Blauhelme möglicherweise doch legitim wären, plante Volker Rühe, was nun Fakt ist: deutsche Soldaten unter Nato-Befehl in Bosnien. Während die Opposition damit beschäftigt war, ihre Positionen nachträglich der Praxis anzupassen, trieb Rühe die Sache ohne Wimpernzucken voran. So wurde Stück für Stück Wirklichkeit, was gestern noch undenkbar schien.
Die Opposition steckt in einem strategischen Dilemma. Auch Scharpings Versuch, die SPD regierungsfähig zu machen, indem er unlängst proklamierte, die Partei sei außenpolitisch auf Regierungskurs, wiederholt den alten Fehler nur – unter umgekehrten Vorzeichen. Damals verzettelte sich die SPD in gesinnungsethischen Fragen, nun soll mit Kohl fraternisiert werden. Brauchbare Oppositionspolitik wird aus beidem nicht.
So geht Rühe unangefochten seinen Weg zur Normalisierung deutscher Militäreinsätze. Sein letzter Coup war die gestrige Ankündigung, man müsse sich auf den möglichen Einsatz von Leopard-Panzern zur Rettung deutscher Soldaten in Bosnien vorbereiten. Das ist, angesichts der stabilen Lage in Bosnien, ein ausgesprochen entlegenes Szenario. Aber darum geht es gar nicht. Sondern um die Gewöhnung an das Bild: Deutsche Panzer rollen im Ausland. Rühe strebt, fürs erste, vielleicht weniger die Aufrüstung der deutschen Außenpolitik als die des deutschen Gemütes an: die Zerstörung der pazifistischen Kultur der alten Bundesrepublkik. Kein Krieg, hat Alexander Kluge geschrieben, kann ausbrechen, ohne daß es zuvor Bilder von ihm gibt: Bilder, die seine Unabwendbarkeit belegen, und die, je näher der Krieg rückt, immun gegen Worte werden. Genau daran arbeitet Rühe derzeit. Stefan Reinecke
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