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Das Gedicht zur Lagedas Schlimmste kommt noch

Kommentar von Clemens Schittko

Wenn der große Horror sich offenbart, helfen vielleicht Verse. Dass nichts bleibt, wie es ist, kann Drohung sein – aber auch Hoffnung machen.

So schlimm wird's schon nicht werden. Oder? Foto: Brian Snyder/reuters

d as Schlimmste kommt noch

so, wie es jetzt ist,

bleibt es nicht

oder hattet ihr gedacht,

dass es immer so weitergeht?

hattet ihr das wirklich gedacht?

nun, wenn dem so ist,

so muss ich euch leider enttäuschen

denn es wird definitiv nicht so weitergehen

denn wie gesagt: das Schlimmste kommt noch

ja, das Schlimmste kommt noch

man kann es eigentlich nicht oft genug sagen

und wenn ich „das Schlimmste“ sage,

dann meine ich auch „das Schlimmste“

und nicht etwa nur das Sterben

oder gar den Tod

denn gegen das Sterben gibt es Medikamente

und der Tod ist sowieso eine Erlösung

aber das Schlimmste ist und bleibt nun mal das Schlimmste

ob euch das nun gefällt oder nicht

das Schlimmste ist das Schlimmste

und wie gesagt: es kommt noch

ja, das Schlimmste kommt noch

denn so, wie es jetzt ist,

bleibt es nicht

oder hattet ihr gedacht,

dass es immer so weitergeht?

hattet ihr das wirklich gedacht?

ja, das könnte euch so passen

nur keine Veränderungen!

immer soll alles so bleiben,

wie es ist

doch das eine sage ich euch:

es wird nichts so bleiben,

wie es ist

alles wird sich ändern

ja, das wird es

und dann könnt ihr zusehen,

wo ihr bleibt

doch mit eurem Luxusleben ist es dann definitiv vorbei

denn wie gesagt: das Schlimmste kommt noch

macht euch darauf gefasst

so, wie es jetzt ist,

bleibt es jedenfalls nicht

wäre ja auch zu schön,

um wahr zu sein,

wenn es immer so weiterginge

doch es geht nun mal nicht so weiter

zumal das Leben nicht im Konjunktiv stattfindet

doch ich möchte jetzt gar nicht allzu philosophisch werden

und deshalb sage ich noch einmal:

das Schlimmste kommt noch

so, wie es jetzt ist,

bleibt es nicht

irgendwas ist schließlich immer

da könnt ihr letztlich machen,

was ihr wollt

doch das Schlimmste kommt noch

Das Gedicht haben wir dem 2024 erschienenen Gedichtband „nur Sex“ von Clemens Schittko entnommen, mit freundlicher Genehmigung des XS-Verlags, Berlin.

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10 Kommentare

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  • „We are not afraid today ha ha…“

    Joan Baez 1969 in Woodstock 2‘30“

    m.youtube.com/watch?v=RkNsEH1GD7Q

  • Ich wende hier noch ganz kurz ein:



    Was wird denn wohl das Schlimmste sein?



    Ich befürchte: Der Klima-GAU,



    Anthropogen, weiß ich genau.



    Wahlkampf-Manöver und -Taktik:



    Hier versagt täglich Politik.



    Bald kann das Wahlvolk nach Berichten



    Gestern es an der Urne richten.



    Sehr klimaschädliche Agenden



    Sind dort wirksam dann abzuwenden.



    /



    taz.de/Experten-kr...-Lindner/!6044066/

  • Nun sind wir am Arsch.

    Zur Debatte und Kritik Marsch Marsch.

  • Erinnert mich an Erich Kästner



    ... Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn.?



    Du kennst es nicht,



    Du wirst es kennen lernen...

  • „Wenn der große Horror sich offenbart, helfen vielleicht Verse"



    Offenbar.

  • Kann man so sehen, muss man aber nicht.



    Ich habe noch Zeitzeugen vor Augen oder im Ohr, die einen großen Teil ihrer Lebensenergie aus der Erkenntnis gezogen haben, dass sie die Hölle überlebt hatten, vielleicht als Einzige.



    Und nicht zu vergessen: Sie machten das Geschehene zur Vorlage für ein Programm zu Resilienz und Widerstand.



    Bei genius.com Text von Hannes Wader zu Peter Gingold



    "Nein zugegeben, über so viel Mut wie du verfüge ich nicht



    Nicht über dein Vertrauen in die Menschheit, deine Zuversicht



    Aber während meine Hand noch immer dieses Tor berührt



    Dein Tor zur Freiheit Peter Gingold habe ich nicht nun gespürt



    Dass mein Herz ganz plötzlich viel kräftiger und freier schlägt



    Ich kann sogar fühlen wie sich jetzt etwas von deiner Stärke



    Von deiner Stärke auf mich überträgt"



    Wir brauchen jetzt positive Energie, Vorbilder, Strategien.



    Dystopischen Momenten muss man sich stellen können.



    Als Lied eindrucksvoll:



    youtu.be/6NurdjzW3...i=jQRuGOYDEAejv0lP

    • @Martin Rees:

      „Ich habe noch (einen) Zeitzeugen vor Augen und im Ohr, der einen großen Teil seiner Lebensenergie im WKI vor Verdun verloren hat. Es war der Vater meiner Mutter, den ich (*194n) nur noch kurz kennengelernt habe. Er war - körperlich unversehrt - als traumatisierter Alkoholiker aus dem Krieg zurück gekommen. Aber er hat meiner Mutter untersagt, zum BDM zu gehen. „Der Hitler fängt Krieg an.", so hat sie ihn später zitiert, als ihre Kinder alt genug waren, das zu verstehen.

    • @Martin Rees:

      „Boulevard St. Martin (Live)" - Danke für den Wader-Link.



      Bald ist Namenstag. Glückauf!