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Das Dilemma mit den NamenEin Likör, ein Gericht und die Eierfrage

Ein Schnapsproduzent braut einen Eierlikör ohne Ei – und wird verklagt. Aber das Gericht gibt ihm recht. Gute Nachrichten für vegane Schnapsdrosseln.

Gute Nachricht für vegane Schnapsdrosseln: es gibt auch Eierlikör OHNE Ei Foto: Lohfink/DEEPOL/plainpicture

E s geht zwar auf Weihnachten zu, aber wir müssen hier mal kurz über Ostern reden. Und zwar über Ostereier, also Schokofiguren in Ei-Form. Denn anders als die Süßigkeit suggeriert, enthält ein Osterei gar kein Ei. Es heißt nur so, weil es die Form des Hühnerprodukts hat. Also Osterei = nix mit Ei. Das müssen wir kurz im Hinterkopf behalten, wenn wir uns dem Verfahren widmen, das in dieser Woche vor dem Landgericht Kiel entschieden wurde. Es prozessierte: der Schutzverband der Spirituosenindustrie gegen einen nischigen Hersteller. Der hatte die Frechheit besessen, eine Substanz herzustellen, die man vermutlich so beschreiben könnte: Sieht aus wie Eierlikör, schmeckt wie Eierlikör, hat die Konsistenz von Eierlikör, enthält aber kein Ei. Und die noch größere Frechheit: Er druckte auf das Etikett „Likör ohne Ei“.

Veganer Eierlikör ist also ein Aufreger. Das wäre vielleicht in den 1950er Jahren verständlich gewesen, als Mondmissionen vertrauter schienen als eine Ernährung ohne Fleisch und Ei. Doch manch ei­ne:r scheint dort gedanklich noch festzustecken: Vor allem konservative Po­li­ti­ke­r:in­nen haben jüngst im EU-Parlament dafür gestimmt, dass Burger, Wurst, Schnitzel nur dann auf der Packung stehen darf, wenn tierische Anteile drin stecken. Und die Kuhmilchindustrie hat bereits erfolgreich gegen Bezeichnungen wie Hafermilch gekämpft.

Nachdem nun alle Witze über mögliche Verwechselungen bei Leberkäse (ohne Käse), Teewurst (ohne Tee), Sonnenmilch (ohne Eutersekret von Kühen) aufgebraucht sind, haben die Nur-Fleisch-ist-Wurst-Verfechter immer noch nicht verstanden, dass weite Teile der Bevölkerung und Industrie viel weiter sind als sie selbst. Fleischersatzprodukte? Kommen längst auch von Unternehmen, die mit Wurst und Schinken groß geworden sind. Weil sich vegane und vegetarische Würste, Schnitzel, Bouletten gut verkaufen – und Menschen, die kein oder weniger Fleisch essen wollen, auch eine Zielgruppe sind.

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Das Landgericht Kiel hat nun in erster Instanz entschieden: „Likör ohne Ei“ darf bleiben. Ein Sieg für den Tierschutz, für Ve­ga­ne­r:in­nen und natürlich den Hersteller, der zwar Ärger mit dem Prozess hatte, aber auch einiges an Bekanntheit gewann. Scheußlich finden darf man Likör übrigens trotzdem, ob mit oder ohne Hühnereier.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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1 Kommentar

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  • Vorsitzender des 'Schutzverbandes der Spirituosenindustrie' ist übrigens ein gewisser Verpoorten.

    Eieiei, genau DER.