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Darts-WM in LondonPfeile ins Herz der Welt

Luke Littler ist neuer Weltmeister. Der 17-jährige Engländer ist nun ein Symbol für den Aufstieg des früheren Kneipensports zum großen TV-Event.

Aus der schummrigen Kneipenatmosphäre ins grelle Licht: Luke Littler bei seiner Weltmeister-Pressekonferenz Foto: Imago/Action Plus

Am Ende wurde es eine Demonstration. Luke Littler, immer noch nicht 18 Jahre alt, schlug in seinem bereits zweiten Darts-WM-Finale den dreimaligen Titelträger Michael van Gerwen aus den Niederlanden mit 7:3, also relativ deutlich, deutlicher gar, als es das blanke Ergebnis aussagt. Und das nicht, weil van Gerwen schlecht gespielt hätte an diesem Freitagabend im Londoner Ally Pally. Nein, es war eher so, dass Luke Littler erst davongerauscht ist mit hohen Aufnahmen, einem bombensicheren Anwurf und der entscheidenden Treffsicherheit bei den Doppeln.

Und nach diesem Blitzstart – es stand schnell 4:0 – war er cool genug, seinen Konkurrenten ins Spiel und trotzdem nichts mehr anbrennen zu lassen. Van Gerwen verkürzte auf 1:4, dann auf 2:5 und 3:6, mehr war nicht drin.

Entscheidend für den Niederländer war weniger das Scoring, also die von den drei Pfeilen erzielte Punktzahl, sondern es waren tatsächlich die Doppel, also die Felder, die man treffen muss, um ein Leg zu beenden, ein einzelnes Spiel. Van Gerwen hatte immer wieder Chancen, ins Spiel zu kommen, nutzte sie aber lange Zeit nicht. Erst ab dem fünften Satz konnte er sich auf Augenhöhe mit dem Jung­star spielen. Aber da war es schon zu spät.

Alter Gigant gegen neuer Gigant, das könnte, sportlich gesehen, die Zukunft des Pfeilewerfens sein.

Luke Littler hat es also geschafft. Er holte sich zum ersten Mal den Titel, als jüngster Spieler aller Zeiten, den Pokal und eine halbe Million Pfund Preisgeld. Nachdem er im Vorjahr bereits als WM-Debütant bis ins Finale gestürmt war, dort aber vom sehr gut aufgelegten Luke Humphries gestoppt wurde, war nun alles bereitet für den großen Auftritt des Teenagers aus Warrington, Nordwest-England.

Im Laufe des Darts-Jahres hatte er bereits zehn Turniere gewonnen, so viele wie sonst niemand; auch in der Weltrangliste hat er sich auf die Lauerposition gespielt, auf der er jetzt immer noch kauert.

Die WM lief für Littler wie gemalt: Nach anfänglichen Schwierigkeiten fand er immer besser zu seinem unerbittlichen Spiel, während sich die Konkurrenten nacheinander gegenseitig ausschalteten. Die Ex-Weltmeister Rob Cross, Michael Smith und Gary Anderson scheiterten früh; Altstar Peter Wright schaltete Titelverteidiger Humphries aus und musste sich dann Stephen Bunting geschlagen geben; Gerwyn Price konnte sein Niveau nie auf langer Strecke halten.

„Alle 17 Jahre ein Darts-Superstar“

So stand nur noch Vorgänger-Talent Michael van Gerwen im Weg, der im Nachhinein scherzte, dass „alle 17 Jahre ein neuer Darts-Superstar geboren wird“ – van Gerwen ist selbst 35. Er war bis dato der jüngste Darts-Weltmeister, nachdem er mit 24 Jahren erstmals die WM gewinnen konnte. So gesehen, ist ihm Littler sieben Jahre voraus.

Der Niederländer hatte ein eher schwieriges Jahr hinter sich und präsentierte sich nun ansteigender Form; vielleicht nimmt er wie Novak Đoković im Tennis die Herausforderung eines jungen Überfliegers noch einmal an. Alter Gigant gegen neuer Gigant, das könnte, sportlich gesehen, die Zukunft des Pfeilewerfens sein.

Was auch bedeutet, dass die anderen Champs zu Eintagsfliegen degradiert sind. Wright schaffte es immerhin einmal, seinen ersten Titel zu bestätigen; Cross, Smith, Price, Humphries gelang dies nicht. Talente wie Chris Dobey oder Nathan Aspinall, die nebenbei gesagt große Sympathieträger sind, schafften bislang noch nicht den ganz großen Durchbruch. Littler, durchaus nicht fehlerfrei, hat gezeigt, dass alle ihr Niveau noch einmal heben oder zumindest mit größerer Konstanz spielen müssen. Es wird sich zeigen, wer mitziehen kann. Ansonsten schickt sich der Event- und Fernsehsport Darts an, die nächste Dimension zu erreichen.

Das Buzzword „Saudi-Arabien“ kursiert bereits, aber im nächsten Winter wird die WM noch unter den bislang üblichen Bedingungen erweitert. Heißt: Ally Pally, aber die größere Halle. Heißt: mehr Startplätze, größere Internationalität und Breite. Von der ist der Sport, von kleinen Auffälligkeiten wie der ersten trans Frau oder dem ersten Phillipiner in der 3. Runde abgesehen, noch ein gutes Stück entfernt. Man könnte fast sagen, 2,37 Meter.

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