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Das Versprechen der BilderGlück ist ein Platz diesseits des Jägerzauns

Bilder lügen. Aber wir haben uns der KI ausgeliefert. Das Heile-Welt-Marketing der geistig-moralischen Wende kehrt als Drohung zurück.

Hannelore Kohl, die Ehefrau des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, in St. Gilgen am Wolfgangsee im Urlaub Foto: Frank Mächler/picture alliance

B lond, gesund und kernig. Ob Wahlplakate, Werbungen oder Illustrationen für Social-Media-Propaganda – die Optik der maschinell erstellten Bilder, die erst das Netz ruinierten und inzwischen auch die Straßen fluten, ist öde und eintönig.

Die Frühgeborenen erinnern sich bestimmt noch an die rustikal-warme Farbpalette, in der das alles ausgeleuchtet ist: Wie der Junge von der Kinderschokolade strahlen uns seit Jahrzehnten perfekt weiße Zähne aus perfekt weißen Gesichtern an. Neu ist nur die Reproduktionsgeschwindigkeit und die überwältigende Masse des übelriechenden Einheitsbreis, der da schon lange köchelt.

Rachsüchtig auftrumpfend kehrt so das Heile-Welt-Marketing der geistig-moralischen Wende als das zurück, was es schon immer war: eine Drohung voll unerbittlicher Rohheit. Die Wiederkehr gibt sich ganz objektiv als statistisches Modell. Hannelore Kohl wird auf ewig zu Füßen ihres Gatten gnadenlos ein Rehkitz füttern müssen – und alle tun’s ihr gleich. Im direkten Schatten dieser verlogenen Bilder wird selbstverständlich genauso gelitten und jämmerlich gestorben wie auch weiter außerhalb des Sichtfeldes. Dort aber mit größerer Brutalität; irgendwo im Mittelmeer, in einer Hanauer Bar oder in einer Dessauer Polizeizelle. Glück ist ein Platz diesseits des Jägerzauns.

Wir gewöhnen uns an den stillen Schrecken dieser KI-Karikatur einer guten alten Zeit. Das verwesungssüß schmeckende Nichts der makellosen Oberflächen liegt wie ein Schleier um einen namenlosen Horror. Da, wo eventuell einmal der Zweifel wohnte, lauert hinter der bequemen Gewohnheit eilfertige Ignoranz. Nur nicht hinschauen, nur nicht auffallen. Wann warst du das letzte Mal beim Friseur, Junge, wieso ist dein Rock so kurz, Mädchen? Gleichschritt, Anpassung.

Der Verdacht ist Beweis genug, und wer verdächtig ist, bestimmt am Ende die „künstliche Intelligenz“. Objektiv und doch so hervorragend mit unseren Vorurteilen trainiert ist die, dass sie erfolgreich Kriminelle erfindet, statt sie zu ertappen. Stacheldraht ist eben fotogener als Sozialarbeit. Angst vor denen auf der anderen Seite des Gitters. Angst, selber plötzlich dort zu stehen. Die Angst fermentiert zu Hass, gefüttert mit den immer gleichen falschen Bildern. Nicht Menschen, Profile sind das, gesammelt von Werbebrokern und Geheimdiensten gleichermaßen, zusammengesetzt aus hunderttausenden Kategorien. Uns reichen für den Moment zwei. Die und wir. Wer weiß schon, welches Blond morgen normal ist.

Mit den Rufen nach Vorratsdatenspeicherung und Abschiebeoffensiven, Bett und Seife, zentraler Speicherung psychisch Erkrankter und Arbeitszwang wird die Einschüchterung trainiert – das angebliche Bollwerk gegen die Barbarei richtet die Waffen auf sich selbst. Schlüsselfertige Übergabe an die kommende Kernigkeit. Keine Zeit für Sentimentalitäten, perfekte Reißzähne im von Angst verzerrten Gesicht. Bambi trägt ein Eisernes Kreuz am Band.

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Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
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5 Kommentare

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  • „Das Heile-Welt-Marketing der geistig-moralischen Wende kehrt als Drohung zurück." Werbung und freier Wille...



    Oliver Welke war mal ein „Junger Knacker". Oli statt KI:



    www.express.de/koe...-ihn-erkannt-30849

  • Also, ich finde dieses Artikel eher etwas verwirrend. Die Schlussfolgerung des Autors, die Bilderwelt würde gerade wieder auf "weiß" getrimmt, kann ich auch nicht nachvollziehen.

    Zumindest in der Werbung gibt es seit Jahren immer mehr Spots mit nicht-weißen Menschen. Das ist auch in Ordnung, nachdem diese Menschen jahrzehntelang in der medialen Öffentlichkeit so gut wie unsichtbar waren.

    Aber manchmal bekommt man den Eindruck, dieses Versäumnis soll jetzt überkompensiert werden.

    Vielleicht ist es in den "asozialen Netzwerken" anders, aber da halte ich mich fern.

    Eine Nostalgie des "früher war alles besser" gibt es. Aber die geht nicht weg, in dem man diejenigen, die den "alten Zeiten" nachhängen, verspottet und als "Besitzstandswahrer" beschimpft, sondern man müsste Zukunftsperspektiven aufzeigen, und da sieht es momentan ziemlich mau aus, in allen politischen Lagern.

  • Wow, was für ein genialer Artikel, in wenigen Worten wird das bislang irgendwie unsagbare Unbehagen auf den Punkt gebraucht und mit Hannelore Kohl zum Emblem verdichtet.

  • Yes. “I shot a man in Reno“ - Rock Dreams -



    images.app.goo.gl/yNRZ72TLbgsiou9Q8



    & himself - Johnny Cash -



    www.youtube.com/wa...am9obm55IGNhc2g%3D

    So geht das ©️ Kurt Vonnegut



    “Darum hat Kurt Vonnegut einmal gefragt: "Was ist das für eine Presse, die wir heute haben, wenn man Bücher lesen muss, um zu wissen, was in der Welt passiert?" – Armin Wertz: Meister der geheimen Kriege, 22. März 2017 heise.de.

    • @Lowandorder:

      Kolumne „Autorkorrektur"...