Dänische Wahlsiegerin Mette Frederiksen: Opportunistin, lautet ein Vorwurf
Frederiksen machte eine atemberaubende Karriere als Sozialdemokratin in Dänemark. Ihren Wahlkampf machte sie jedoch mit einer rechten Kampagne.
Einmischen wurde auch nie notwendig. Die erste Tochter aus ihrer Arbeiterfamilie, die eine höhere Ausbildung absolvierte, schaffte die nicht nur mit links, sondern brachte sie auch noch mit frühen politischen Aktivitäten unter einen Hut. Mit 12 Jahren hatte sie sich schon ein symbolisches Stück Regenwald in Südamerika gekauft und engagierte sich für die südafrikanische Anti-Apartheidbewegung.
Ihre Parteiwahl war nie eine Frage: Schon Vater, Groß- und Urgroßvater waren ja aktive Sozis. Mit 23 Jahren als jüngste Sozialdemokratin erstmals ins Parlament gewählt, wurde Mette Frederiksen schnell durch ihr starkes soziales Engagement bekannt. Und weil ihre Stimme am Rednerpult oft etwas zu laut und zu schrill wurde bekam sie neben dem Spitznamen „røde Mette“ noch einen weiteren: „Skrigeskinken“, was in etwa „Schreihals“ bedeutet.
Als 2005 ein neuer Parteivorsitzender gewählt wurde, konnte ihr Vater sie überzeugen, nicht zu kandidieren: „Wenn du das mit 27 machst, was machst du dann erst mit 40?“ Und mit 27 war sie ja schon sozialpolitische Sprecherin der Partei und stellvertretende Fraktionsvorsitzende, absolvierte nebenher noch ein Soziologiestudium und machte einen Master in Afrikakunde – das musste erst einmal reichen.
Ihre Zeit kam, als die seinerzeitige Parteivorsitzende Helle Thorning-Schmidt, in deren Kabinett Frederiksen erst Arbeitsmarkt- dann Justizministerin war, nach einer Wahlniederlage im Juni 2015 die Brocken hinwarf. An Thorning-Schmidts Stuhl, die sie schon wegen Herkunft und Vorliebe für teure Handtaschen und Kleider für keine „echte“ Sozialdemokratin hielt, hatte Frederiksen da schon länger gesägt.
Was sich wie ein roter Faden durch die Karriere der 41-jährigen zieht: Die Fähigkeit binnen kurzer Zeit die Meinung zu ändern. Das wurde ihr schon vorgeworfen, als sie Tochter Ida und Sohn Magne auf eine Privatschule schickte, nachdem sie zuvor Eltern, die das taten, just dafür kritisiert hatte.
Eine rechte oder traditionelle Sozialdemokratin?
Buchstäblich von einem Tag auf den anderen sprach sie sich im Parlament erst gegen ein Burkaverbot aus, um es 16 Stunden später ganz selbstverständlich als sozialdemokratische Forderung zu verkaufen. Wendehals und Opportunistin lauten Vorwürfe, die an ihr kleben.
Ihre Partei schluckte das bislang alles. Auch den historischen Rechtsschwenk mit dem sie die Sozialdemokraten in der Ausländerpolitik Seit an Seit zu den Rechtspopulisten positionierte. Frederiksen, die die DänInnen für die kompetenteste aller Parteivorsitzenden halten und die sich selbst nicht als „rechte“, sondern als „traditionelle“ Sozialdemokratin sieht, dürfte nun die bislang jüngste Person im dänischen Ministerpräsidentenamt werden.
„Røde Mette“ wird sie schon seit Jahren nicht mehr genannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“