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Dänische KlimapolitikGreen Deal mit Bauernrabatt

Dänemark will mit einem Pakt das Klima schonen, Naturschutz voranbringen und die Lasten für Agrarbetriebe in Grenzen halten. Wie soll das aussehen?

Gucken zwar so, aber an den Kragen soll es dänischen Kühen nicht gehen – nur der Methangehalt ihrer Rülpser reduziert werden Foto: Mical Fludra/NurPhoto/imago

Ohne sie geht es nicht, aber sie sorgt auch für gewaltige Klimabelastungen: Das ist die Krux der Landwirtschaft, nicht nur in Dänemark. Aber nur Dänemark hat jetzt ein Programm präsentiert, mit dem es alle Probleme gleichzeitig angehen will. Der Grüne Deal zwischen Regierung, Umweltschutzorganisationen, Landwirtschaft und weiteren Beteiligten soll das Klima schonen, den Naturschutz verbessern und die Belastung für die landwirtschaftlichen Betriebe in Grenzen halten – auch wenn diese künftig eine CO2-Abgabe zahlen müssen. Ein Überblick.

Wann geht es los mit dem Klimapaket in Dänemark?

Die neue und weltweit erste Klimaabgabe dieser Art wird ab 2030 fällig. Betriebe müssen dann zunächst 120 Kronen (umgerechnet rund 16 Euro) pro Tonne CO2 zahlen, die sie etwa durch Tierhaltung produzieren. Ab 2035 steigt die Abgabe auf 300 Kronen. Zum Vergleich: Für einen Großteil der anderen Branchen Dänemarks gilt ab 2030 eine Klimaabgabe von 750 Kronen pro Tonne – die Landwirtschaft bekommt also einen Rabatt. Der wird erreicht durch eine Besonderheit: Die ersten 60 Prozent ihrer klimaschädlichen Abgase sind abgabefrei. Damit sollen Anreize zu grünen Investitionen geschaffen werden.

Wie können Betriebe ihre Abgabe reduzieren?

Man hat alle Probleme zusammengedacht

Stiig Markager, Universität Aarhus

Land­wir­t:in­nen haben nun fünf Jahre Zeit, Maßnahmen zu ergreifen. In besonders emissionsintensiven Bereichen wie der Milchvieh-Haltung können sie etwa durch verbessertem Umgang mit Gülle oder eine Umstellung beim Futter den Ausstoß von CO2 oder des besonders klimaschädlichen Methans senken.

Die Klimaabgabe ist nur ein Teil des Grünen Deals – welche weiteren Elemente gibt es?

Ein neuer, rund fünf Milliarden Euro schwerer Fonds soll eine „historische Umgestaltung der Landkarte von Dänemark“ ermöglichen, das haben die Beteiligten bei der Vorstellung angekündigt. Zentraler Verwendungszweck: Agrarflächen sollen aufgekauft und umgewandelt werden. 250.000 Hektar neuer Wald sind so in Dänemark geplant. 20.000 davon will der Staat selbst auf aufgekauften Flächen anpflanzen, den Rest sollen die Landwirte auf freiwilliger, staatlich geförderter Basis übernehmen. Außerdem sollen 140.000 Hektar kohlenstoffreiche Niedermoorflächen aus der landwirtschaftlichen Nutzung genommen und renaturiert werden. Eine weitere Milliarde Euro soll für die Lagerung von Biokohle aus Pyrolyse ausgegeben werden – durch die Verkohlung von Biomasse wird dabei CO2 gebunden. Als Anreiz für die auf freiwilliger Basis geplante Umwidmung landwirtschaftlicher Flächen bekommen Betriebe umgerechnet gut 10.000 Euro pro Hektar. Beobachter zeigen sich gespannt, ob das reicht, oder ob die Regierung hier später mit Gesetzen nachhelfen muss. Ökonomen warnen davor, dass die Bodenpreise steigen werden.

Woher kommt das Geld für den Fonds?

Wohl nicht aus der Klimaabgabe, denn die soll in Form von Förderungen für grüne Investitionen zurück an die Betriebe gehen. „Es ist eine große Rechnung“, bestätigte der sozialdemokratische Steuerminister Jeppe Bruus, „und die müssen wir gemeinschaftlich tragen“. Die Landwirtschaft könne nicht alleine dafür aufkommen. Chefökonom Ulrik Beck vom dänischen Thinktank Kraka sagte im dänischen Rundfunk DR, man hätte die Klimabgabe aus der Landwirtschaft stärker dafür nutzen können, habe nun aber die Lösung mit starken Zuschüssen für die Betriebe gewählt. Jetzt bleibe die Rechnung beim Steuerzahler hängen. Chefökonom Ulrik Beck vom dänischen Thinktank Kraka sagte ebenfalls auf DR, die Menschen in Dänemark bekämen aber auch viel für ihr Geld: „Mehr Natur, verbesserte Gewässer und Erholungsgebiete.“

Wer lobt die Pläne?

Erfreut zeigt sich Meeresexperte Stiig Markager von der Universität Aarhus. Zusammengenommen seien die Pläne „richtig gute Nachrichten für unser Meeresumwelt, wo Stickstoffeinleitungen speziell aus der Landwirtschaft umfassenden Sauerstoffmangel verursacht haben“, sagte er dem DR. Für die vollständige Erholung der Meeresumwelt sei allerdings eine stillgelegte Fläche von bis zu 600.000 Hektar vonnöten. Markager hob positiv hervor, dass der Deal den Zusammenhang zwischen den Klimagasen, Stickstoff, Trinkwasser und Biodiversität anerkenne. „Man hat alle Probleme zusammengedacht, die eine intensive Landwirtschaft mit sich bringt, und kommt zur einzig richtigen Lösung, nämlich Flächen außer Betrieb zu nehmen.“

Gibt es Kritik an dem Deal?

Die dänische Regierung erwartet, dass die Pläne 2030 zur Einsparung von 1,8 Millionen Tonnen CO2 führen. Damit ziele sie nur auf das unterste Ende der Szenarien, die zuvor in mehreren Gutachten entworfen wurden, kritisieren Experten. Klimaminister Lars Aagaard (Moderate) werfen sie vor, sich bei seinen Berechnungen teilweise auf nicht sichere Zahlen berufen zu haben. So sei noch nicht klar, ob die Klimaemissionen der Niedermoore tatsächlich so hoch sind wie genannt – und die der übrigen Flächen nicht höher als angekommen. An der Universität Aarhus wird zu diesen Fragen noch geforscht. Kritik gibt es auch daran, dass bei den Aufforstungsplänen bislang erst eine Fläche von 20.000 Hektar gesichert sei.

Sind Jobs in der Landwirtschaft in Gefahr?

Der Verlust von Arbeitsplätzen war eine große Sorge. Das dänische Wirtschaftsministerium rechnete diese Woche vor, dass auf dänischen Höfen bis zum Jahr 2035 etwa 2.100 Arbeitsplätze verloren gehen dürften. Dafür rechne man allerdings mit neuen Jobs in Bereichen, die ebenfalls Folgen des Abkommens sind. Der Netto-Arbeitsplatzverlust werde vielleicht bei 100 liegen. Der Arbeitgeberverband Dansk Industri gibt sich ebenfalls zuversichtlich, dass es landwirtschaftsnahe neue Jobs geben wird, etwa in den Forsten, die mit dem geplanten Aufforstungsprogramm einen großen Mehrbedarf an Arbeitskräften haben werden. Die Gewerkschaft 3F kritisiert, für einen Wechsel zwischen den Bereichen seien Umschulungen nötig. Die Abgabe hat die Gewerkschaft aber akzeptiert, sie verweist nun darauf, dass sie dafür gekämpft habe, sie so gering wie möglich zu halten.

Wie sicher ist es, dass das Abkommen umgesetzt wird?

In Neuseeland sind Pläne für eine Klimaabgabe für die Landwirtschaft nach Branchen-Protesten zuletzt gescheitert. Da in Dänemark Bauernvertretungen mitverhandelt haben, ist das hier nicht zu erwarten. Diskussionsbedarf sieht die Opposition vor allem bei der Finanzierung des neuen Fonds. Die Regierung hat die Gespräche mit den im Parlament vertretenen Parteien begonnen. Nach den Sommerferien soll der Deal dort verabschiedet werden.

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3 Kommentare

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  • Da sollten sich mal Deutsche Politiker ein Beispiel nehmen, wenn man auf Augenhöhe mit Landwirten verhandelt kommt man auf Lösungen nicht aber wenn man von oben herab, über die Köpfe der betroffenen hinweg, einfach bestimmt was zu tun ist. Nur haben bei uns einzelne Parteien und NGO ein so verschrobenes Weltbild über die Landwirtschaft ( oder wie sie sein soll ) das es da keine Lösung geben wird.

  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ohne die Preisgabe des Ziels der Vollbeschäftigung zu einem wirksamen Klima- oder allg. Umweltschutz kommen wird.



    Die Natur sich in Ruhe erholen zu lassen ist einfach nicht arbeitsintensiv - im Gegensatz zu ihrer Zerstörung.

    • @Eric Manneschmidt:

      Vollbeschäftigung zugunsten der Umwelt und eines gesunden und nachhaltigen Lebens - das ist der Wirtschaft leider zu unattraktiv, das produziert nicht genug Reibach, um den großen Haufen noch zu erhöhen.