Dada-Feminismus an Berliner Volksbühne: Hodenlos an die Macht
„Hyäne Fischer – Das totale Musical“ von Lydia Haider und Eva Jantschitsch macht an der Berliner Volksbühne kurzen Prozess. Mit panierten Schnitzeln.
Erst als beim Schlussapplaus alle auf der Bühne stehen, ist zu sehen, was auf den Stofffetzen steht, die den Frauen (sofern dieser Begriff zulässig ist) der Begleitband auf die schwarzen T-Shirts genäht wurden: „Kein Matriarchat ohne Transfeminismus“. Ein Slogan mehr an diesem an Slogans gar nicht armen Abend, die allerdings ausnahmslos alle in einem Gestus vorgetragen wurden, der ob seiner absurd verrätselten Verquatschtheit auf der einen beziehungsweise seiner brachialen Wortwahl auf der anderen Seite letztlich verschwommen bleibt bezüglich seiner wahren Sendungsabsicht. Im Klartext: Was soll das Ganze?
Sicher ist: Die Volksbühne in Berlin scheint sich unter der Intendanz von René Pollesch zu so etwas wie einer Speerspitze des Feminismus im hiesigen Theaterbetrieb entwickelt zu haben und die statistische Unterrepräsentiertheit von Frauen auf deutschsprachigen Bühnen ganz im Alleingang ausgleichen zu wollen.
Vor wenigen Wochen erst erlebte Florentina Holzingers fulminante Lauter-nackte-Frauen-Produktion „Ophelia’s Got Talent“ am Rosa-Luxemburg-Platz ihre Premiere. Für „Hyäne Fischer“ – Untertitel: „Das totale Musical“ – nun sind wieder ausschließlich nicht-männliche Menschen am Werk. Auch im Publikum sitzen auffällig viele junge Frauen; aber auch etliche Nicht-Frauen gucken freundlich zu.
Das Libretto des Abends stammt von der österreichischen Autorin Lydia Haider, die Musik von deren Landsfrau Eva Jantschitsch, und die Dramaturgin Marlene Engel hat die künstlerische Leitung (der Begriff „Regie“ wird auf dem Programmzettel vermieden) inne sowie das Konzept zu verantworten. Musiknummern wechseln ab mit Wortbeiträgen, die sehr oft unverständlich, weil sprachlich selbstreferentiell und so künstlerisch kleingedrechselt sind, dass ihr Sinn sich gleichsam in den nicht vorhandenen Schwanz zu beißen scheint.
Völlig transparent transportiert
Da gibt es manchmal komische, um nicht zu sagen gewitzte Momente, weil sich hin und wieder was lächerlich reimt, vieles sich penetrant um sich selbst dreht, und zwischendurch wird auch mal eine Aussage völlig transparent transportiert.
Eine Darstellerin im angedeuteten Reifrock tritt auf, sagt, sie sei die Kaiserin, und hält einen Monolog, in dem es die meiste Zeit darum geht, dass welche im Wald schlafen und von ihr skalpiert werden. Dass sie die Identitären skalpieren wolle, sagt sie, weil die hätten ja jetzt Haare.
Eine andere Darstellerin im gestreiften Anzug einer Conférencière hat einen musikalischen Auftritt, der das Panieren von Schnitzeln thematisiert und von da aufs Panieren des „Beistrichs“ kommt. In den englischen Übertiteln wird „Beistrich“ übersetzt mit „comma“; und da die Conférencière ihr authentisches Wienerisch auch ansonsten ausspielen darf, ist mensch als Preußin froh über diese Übertitel, die diffus erläutern, dass jetzt endlich mal Schluss sein muss mit den Kerlen und ihren Schnitzeln. Oder hat frau da was falsch verstanden?
Warum der Figur, die wie der Titel des Stückes „Hyäne Fischer“ heißt, nur wenige Wortbeiträge zugewiesen sind, während das zentrale Lied „Hodenlos an die Macht“ von einer anderen Figur, gespielt von Kathrin Angerer in blonder Zopfperücke, gesungen werden darf, ist ebenfalls schwer zu verstehen. („Hodenlos an die Macht“ folgt natürlich der Melodie jenes enervierenden Ohrwurms, mit dem eine deutsche Sängerin namens Helene Fischer einst sogar dem schlagerhassenden Bevölkerungsteil bekannt wurde.)
In einer anderen Nummer schwebt Schauspielerin Angerer, befestigt am Bundesadler, über die Bühne, um ein Lied darzubieten, in dem es irgendwie gegen deutschen Wein geht. Da müsste man natürlich über entsprechendes Hintergrundwissen verfügen, um das einzuordnen: Ist dieses Thema etwa, von Österreich aus gesehen, ideologisch besetzt?
Angefeuert vom Frauenensemble auf der Bühne
Ein Teil des Samstagabend-Publikums beginnt bei „Hodenlos“ mitzuklatschen, angefeuert vom Frauenensemble auf der Bühne, das die meiste Zeit nur herumlungert oder herumsteht, wenn es nicht gerade einen Chor zu performen gibt.
Die gelingen im Allgemeinen sehr kernig. Einmal wird auch schön gekämpft (choreografiert von Florentina Holzinger). Überhaupt sind die Darstellerinnen insgesamt zu bewundern für die aufrechte Ernsthaftigkeit, mit der sie die schwierigen Nonsens-Texte vortragen, die Lydia Haider ihnen aufgeschrieben hat.
Diese Ernsthaftigkeit kennzeichnet den gesamten Abend und zeitigt auf jeden Fall Wirkung, denn nur in der Kombination von Ernst und Dada ergibt sich ein theatral so absurder Effekt, wie er hier offensichtlich beabsichtigt ist. Aber in der auf nichts zusteuernden Nummernrevue, die das angebliche Musical eigentlich ist, erschöpft dieser Gestus sich schnell; und die Zuschauerin ebenso.
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