DIE UNION BENUTZT „MEHMET“ FÜR AUSLÄNDERFEINDLICHEN WAHLKAMPF: Ein zünftiges Thema für Stoiber
Nach außen hin empören sich die Wahlkämpfer der Union über das Urteil im Fall „Mehmet“. Intern dürften sie gejubelt haben, als die Rückkehr des jungen Straftäters erlaubt wurde. Denn auch wenn sich der Kandidat Edmund Stoiber zahm gibt: Die Union braucht ein emotionales Thema, um ihre Stammkundschaft zu mobilisieren. Erfahrungsgemäß eignet sich dafür nichts so gut wie ein zünftiger Ausländerwahlkampf. Bisher hatte das ja nicht so recht funktioniert. Gegen das rot-grüne Zuwanderungsgesetz lässt sich nur mühsam agitieren, weil die Union mit ihrem Protest allein dasteht und niemand glaubt, dass ausgerechnet Otto Schily das Land mit Ausländern überfluten wird. Im Gegenteil: Beim Kampf um den rechten Rand liegt der Innenminister vorn. Mehr als eine Reduzierung der Zuwanderung und Assimilierung der Migranten kann auch die Union nicht fordern.
Umso schöner für die Strategen der Union, dass sie jetzt in trauter Eintracht mit der Bild-Zeitung eine Kampagne starten konnten: Gegen „Mehmet“. Gegen den viel zu milden Umgang mit kriminellen „Ausländern“. Gegen ein Urteil, das „nicht im Namen des Volkes“ gesprochen wurde. So skandalös diese ungenierte Richterschelte ist: Eigentlich zielt die Kampagne auf die rot-grüne Koalition, die an den laschen Gesetzen schuld sein soll. Doch das ist grober Unfug. Nach wie vor können Jugendliche abgeschoben werden, die hier geboren wurden. Daran hat sich nichts geändert. Weder durch die Politik der letzten vier Jahre – obwohl es die Grünen versprachen – noch durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.
Nur die mangelnde Schwere seiner Straftat schützte „Mehmet“ vor der Verbannung in die Türkei. Hätte der damals 14-jährige Münchner statt eines Raubüberfalls einen Mord begangen, dürfte er nicht in seine Heimatstadt zurückkehren. Auch jetzt droht ihm erneute Ausweisung, wenn er noch einmal straffällig wird. Gleiche Rechte für faktische Inländer im neuen Zuwanderungsgesetz? Schön wär’s. Deutschland behandelt die Kinder der früheren Gastarbeiter immer noch wie Fremde. Das Ausländerrecht hinkt auch nach vier Jahren Rot-Grün weit hinter dem Anspruch eines Einwanderungslandes hinterher. LUKAS WALLRAFF
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