DIE ROT-GRÜNE KOALITION LEGT GESETZENTWURF ZUR HOMO-EHE VOR: Historischer Einschnitt
Heiraten ist ja nicht mehr wirklich modern. Schon gar nicht angesichts der Scheidungsraten. Deswegen haben viele Heterosexuelle nie verstanden, warum Schwule und Lesben derart verbissen um eine „eheähnliche Partnerschaft“ kämpfen. Sollen sie doch froh sein, dass sie gar nicht erst in die Versuchung des Spießbürgertums geraten. Doch war dies immer eine arrogante und ignorante Haltung. Arrogant, weil die Heterosexuellen wie selbstverständlich ein Recht in Anspruch nehmen, das sie anderen nicht zugestanden. Denn auch wenn man nicht heiratet: Es ist eine Entscheidung, ein Akt der Wahl – und damit ein Stück Freiheit. Ignorant, weil viele Heteros das Symbolische am Kampf um die „Homo-Ehe“ nicht sehen wollten. Die Ehe ist das Kernstück der bürgerlichen Gesellschaft. Gelingt es Schwulen und Lesben, eine eheähnliche Partnerschaft zu erstreiten, dann ist das ein Signal über den akuten Rechtsfortschritt hinaus. Es ist das zentrale Symbol für soziale Akzeptanz.
So waren die Erwartungen bei Schwulen und Lesben groß, als der rot-grüne Koalitionsvertrag eine eheähnliche Partnerschaft für Homosexuelle versprach. Doch dann tat sich lange gar nichts. Erst verzögerte die Justizministerin die Diskussion, dann rückte sie mit Vorschlägen heraus, die nur Pflichten und fast keine Rechte vorsahen. Jedes schwule oder lesbische Paar wäre „bescheuert“ gewesen – so deutlich muss man es ausdrücken –, eine solche Partnerschaft einzugehen. Die Motivlage der Ministerin war nicht schwer zu erraten: Substanzielle Rechte müssen im Bundesrat durchgebracht werden, und Rot-Grün, vor allem jedoch Rot, fürchtete eine erneute Unterschriftenkampagne der Union. Schließlich sind die Kumpel im Ruhrgebiet nicht grundsätzlich toleranter als bayerische Katholiken.
Insofern ist der rot-grüne Gesetzentwurf, der gestern bekannt wurde, eine Sensation. Ein wirklich historischer Einschnitt. Denn er sieht fast alle klassischen Rechte einer Ehe vor. Wichtigste Ausnahme: das Adoptionsrecht. Unerwartet selbstbewusst riskiert Rot-Grün damit die Konfrontation mit der Union, die im Bundesrat die Mehrheit hat.
Doch schon die Bereitschaft zur Konfrontation zeigt, wie sicher sich Schröder im Zenit seiner Macht fühlt. Vor allem aber ist es ein Ergebnis des zähen und gekonnten Lobbyismus des Schwulen- und Lesbenverbandes Deutschlands. Allerdings lässt der Zeitpunkt der Bekanntgabe ahnen, dass die Schwulen und Lesben auch Glück hatten: Die eingetragene Partnerschaft dürfte das koalitionsinterne Kompensationsgeschäft für den Atomkonsens darstellen. ULRIKE HERRMANN
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