DIE BERLINER GRÜNEN SOLLTEN NICHT MIT ROT-ROT REGIEREN: Kompetente Opposition
So schnell kann es gehen. Noch am Wahlabend schien die politische Initiative und damit die Qual der Wahl allein beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zu liegen: Die Alternative hieß Ampelkoalition oder rot-rotes Bündnis. Bis gestern.
Überraschend sind jetzt die Grünen ins Zentrum der Entscheidung gerückt. Ein Eintritt der Ökopartei in ein Linksbündnis mit SPD und PDS scheint plötzlich als Königsweg zwischen der schwer realisierbaren Ampel und der in der politischen Großwetterlage nicht mehr opportun erscheinenden reinen SPD-PDS-Koalition.
Natürlich kann man sich angesichts zweier großer, sozialdemokratisch orientierter Parteien ein linksliberales, bürgerliches Element in den Senat wünschen. Zu Recht wähnt man Kompetenzen in der Migrations- und Bürgerrechtspolitik eher bei den Grünen als bei den beiden großen Roten. Aber das ausschlaggebende Argument für Rot-Rot-Grün wäre doch ein Handfesteres: Diese Variante würde die Grünen aus einem Dilemma befreien. Die Berliner Wähler haben sie nämlich vor eine Entscheidung gestellt. Entweder müssen die Grünen von ihren Inhalten lassen oder von Senatsposten. Grüne Vorstellungen in der Verkehrspolitik, in der Bildungspolitik oder in der Drogenpolitk sind mit einer Berliner FDP nicht umsetzbar.
Da sind die Pläne von SPD, Grünen und PDS schon eher kompatibel. Aber die Wähler haben sich nicht für diese Konstellation entschieden, sondern für Rot-Rot. Anders als für die Ampel, gibt es für Rot-Rot nicht nur eine rechnerische Mehrheit, sondern auch genügend politische Übereinstimmung und vor allem eine gesellschaftliche Basis. Die Grünen werden schlicht nicht gebraucht. Die Idee, trotzdem mitzumachen, scheint verlockend, ist in Wahrheit jedoch hochgefährlich. Politisches Gewicht kann man sich nicht ausleihen. Auf sozialdemokratische Benevolenz kann man keine Regierungsbeteiligung gründen.
Für Berlin hat der Wähler den Grünen eine andere Funktion zugedacht: Von den Oppositionsbänken haben die Grünen der großen Koalition gehörig eingeheizt und sich Verdienste um die Auflösung des rot-schwarzen Machtkartells erworben. Von den Oppositionsbänken werden sie auch die große rot-rote Koalition kontrollieren müssen. Die desolate CDU und Teile der unerfahrenen FDP-Fraktion werden Rot-Rot weiterhin vor allem ideologisch rückwärts gewandt bekämpfen. Für die Grünen bleibt die Aufgabe, auch den neuen Berliner Mehrheiten konstruktive Opposition zu sein. In einer Demokratie ist das keine unwichtige Funktion. ROBIN ALEXANDER
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