DHB-Aus bei der Handball-WM: Lange Gesichter
Das Überraschungsteam aus Portugal verwehrt Deutschland den Einzug ins WM-Halbfinale. Dabei standen die Vorzeichen so günstig wie nie.
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Bei der Abreise aus Fornebue gab es lange Gesichter. Für die designten Sessel und Sofas im Foyer des Hotels hatte keiner mehr einen Blick übrig. Die Nacht sei kurz gewesen und habe nicht im Zeichen der Analyse gestanden, verriet Benjamin Chatton, der Manager der deutschen Handball-Nationalmannschaft am Donnerstagmorgen.
Eher hieß es, Wunden lecken und sich auf das Wenige besinnen, was bei dieser Weltmeisterschaft in Dänemark, Norwegen und Kroatien wirklich gut gelaufen war. Immerhin hatte die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) das Minimalziel erreicht, war dann aber am Donnerstagabend in Baerum nahe Oslo nach spannendem Verlauf mit 30:31 an Portugal im Viertelfinale gescheitert. Portugal?
Das Überraschungsteam dieser WM hatte schon Spanien, Schweden und Norwegen distanziert und siegte nun auch verdient gegen die Deutschen – wenn auch Glück dazugehörte, den letzten Angriff der regulären Spielzeit zu überstehen; es stand 26:26 und Deutschland hatte den Ball. Doch gab es für diesen letzten Zug entweder keinen Plan oder keine Umsetzung.
„Wir hatten große Chancen“
Am Ende verlor die DHB-Auswahl, obwohl ihr Torwart Andreas Wolff 21 Bälle abwehrte. Nach Spielende tobte und schimpfte Wolff über seine Vorderleute, die ihn nicht nur beim letzten Wurf in Stich gelassen hatten; im gesamten Turnier landeten nahezu alle Abpraller nach seinen Paraden beim Gegner. Später hatte Wolff seine Mitte wiedergefunden und sagte: „Wir hatten große Chancen, haben den Sack aber nicht zugemacht. Den Knock-out haben dann die Portugiesen gesetzt.“
Wie vor zwei Jahren in Danzig gegen Frankreich schieden die Deutschen mit Bundestrainer Alfreð Gíslason in der Runde der letzten Acht aus. Es war ein Ende eines Turniers, bei dem aus deutscher Sicht vieles hakte. Verletzt, müde, erkrankt – diese WM war mehr Krampf als Freude, so richtig ins Rollen kam Bundestrainer Alfreð Gíslasons Team nie. „Ich bin stolz auf meine Jungs“, sagte er trotzdem gefasst und ruhig, „die Mannschaft hat nach schlechtem Start super gekämpft, hat Kampf und Einsatz gezeigt. Es ist bitter, Sekunden vor Schluss dieses Tor zu bekommen und auszuscheiden.“
Ausgerechnet der vorbildliche Kapitän Johannes Golla kam drei Sekunden vor Schluss nicht in den Zweikampf mit Martim Costa – auch vorn ließ er zwei große Chancen aus; insgesamt zollte Golla der Riesenbelastung des vergangenen Jahres Tribut und ging mit schmerzender Wurfschulter ins Turnier. „Wir haben uns mühsam zurückgearbeitet und waren dann nicht kühl genug“, sagte er, der sich eine ausführliche Analyse aber verbat: „Wir sind jetzt alle enttäuscht, dafür ist es zu früh.“
Nicht kühl genug waren die deutschen Offensiven um Juri Knorr und Julian Köster, als sie die Portugiesen ab der 50. Minute auf drei Treffer hätten distanzieren können. So blieb der Gegner dran und hatte in der Verlängerung das bessere Ende für sich. In einem Jubelhaufen feierten sie den größten Erfolg ihrer Verbandsgeschichte; sie treffen an diesem Freitag um 21 Uhr auf Dänemark.
Trotz des leichteren Turnierbaums, keiner Reisestrapazen und einiger Ausfälle bei den Gegnern stolperten die Deutschen durch diese Weltmeisterschaft, ließen Souveränität vermissen, mühten sich aber immer vorbildlich. Selten war der Weg in ein Halbfinale so einfach. Ein Rätsel, warum praktisch jeder erste Durchgang verhunzt wurde. Ein Rätsel auch für Gíslason und seine Mannschaft, der am Donnerstag nach erneuter Aufholjagd die Kraft fehlte.
Das ist etwas, was in den kommenden Wochen dringend analysiert werden sollte. Im März trifft sich die Nationalmannschaft zur Vorbereitung auf zwei Qualifikationsspiele zur Europameisterschaft. Die Enttäuschung von Oslo dürfte dann noch im Gepäck sein.
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