DFB-Team überzeugt gegen Niederlande: Mutig und wehrhaft

Die Gewinner in der DFB-Elf sind beim Remis in den Niederlanden junge Spieler. Für die WM deutet sich so eine interessante Mischung an.

Zweikampf zwischen grätschendem Musiala und Dumfries

Auch defensiv stark: Jamal Musiala stört Denzel Dumfries Foto: Uwe Kraft/imago

Auf dem Rasen der stimmungsvollen Johan-Cruijff-Arena hatte es in der als „erster echter Test“ seit der Europameisterschaft titulierten Partie zwischen den Niederlanden und Deutschland keinen Sieger gegeben, und dennoch betrat nach dem 1:1 (0:1) ein großer Gewinner den engen Presseraum des Stadions. Der 19 Jahre alte Jamal Musiala strahlte im Wissen, einen tiefen Eindruck hinterlassen zu haben. Er müsse auf seiner Nationalmannschaftsposition im defensiven Mittelfeld „cleverer und mit mehr Disziplin“ spielen als weiter vorne, sagte er, und verkündete selbstbewusst: „Aber in der letzten Zeit mache ich das schon gut.“

Der junge Profi kam nicht wie unter Joachim Löw und beim FC Bayern der vergangenen Saison auf einer der Offensivpositionen, sondern neben Ilkay Gündoğan im strategischen Zentrum vor der Abwehr zum Einsatz, wo er zuletzt auch unter Julian Nagelsmann in München spielte. Und wirkte ähnlich abgeklärt wie Hollands großer Star Frenkie de Jong vom FC Barcelona.

Immer wieder öffnete Musiala das Spiel mit seinen klugen Drehungen, „im Ballbesitz war schon vorher klar, dass er sich immer sehr gut durchzusetzen weiß“, sagte Hansi Flick. Weniger bekannt war, wie stark dieser eher schmächtige Fußballer ist, wenn er das gegnerische Spiel stören soll. „Was er heute auch in der Defensive geleistet hat, das war schon herausragend“, sagte Flick.

Nach zuvor acht Siegen seit seinem Amtsantritt sah die Versuchsanordnung, an deren Ende ein funktionierendes Konzept für die WM in Katar stehen soll, eine erste Begegnung mit einer Fußballnation aus dem obersten Leistungssegment vor. Sechzig Minuten lang spielte die Mannschaft einen intensiven Pressingfußball, aus dessen Druck die Niederländer sich nur mühsam befreien konnten. Thomas Müller traf zum 0:1 (45.), wobei die Angreifer selbst in der starken ersten Stunde Mühe hatten, klare Chancen herauszuspielen.

Standhaft unter Druck

Kai Havertz und Timo Werner arbeiteten viel, ohne Lücken zu finden, und Leroy Sané fehlte oft die letzte Durchschlagskraft. Aber die Haltung und die Intensität, mit der Deutschland unter Flick auftritt, erfreut den Bundestrainer. „Mutig, erfrischend und selbstbewusst“ fand er den Auftritt seines Teams.

Trainer Flick hat den Mut, jungen Spielern eine konkrete WM-Perspektive zu bieten

Sogar den weniger guten dreißig Minuten, die im Anschluss folgten, konnte Flick positive Details entnehmen, weil sie seine Mannschaft erdeten und den Spielern zu ein paar Erfahrungen verhalfen, die dem Hansi-Flick-Deutschland bisher fehlten: Die Mannschaft geriet in einem immer stimmungsvoller werdenden Stadion mächtig unter Druck. Leute wie David Raum oder Nico Schlotterbeck, neben Musiala der zweite große Gewinner dieses Länderspielfensters, haben solche Momente noch nicht oft erlebt in ihren jungen Karrieren. Nachdem Steven Bergwijn begünstigt durch ein schwach geführtes Kopfballduell von Raum zum 1:1 getroffen hatte, drohte die Partie endgültig zu kippen. Die DFB-Elf hatte Glück, dass die Schiedsrichter einen bereits verhängten Elfmeter nach Ansicht der TV-Bilder annullierten – eine streitbare Entscheidung.

Aber in dieser schwierigen Phase entwickelte Flicks Ensemble eine beeindruckende Wehrhaftigkeit und bleibt ungeschlagen unter dem neuen Trainer. In genau solchen Situationen entscheide sich während eines Turniers, ob eine Mannschaft Großes erreicht oder eben nicht, hatte Thomas Müller in der vergangenen Woche erläutert. Auch diese Sorte Widerstandsfähigkeit konnten die Nationalspieler also trainieren.

Nachdem es Löw zuletzt viel Überwindung kostete, Verantwortung an weniger erfahrene Leute abzugeben, hat Flick den Mut, Leuten wie Schlotterbeck, Raum und Musiala eine konkrete WM-Perspektive zu bieten. Verbunden mit der Routine von Neuer und Müller sowie der Qualität von Kai Havertz, Joshua Kimmich oder Antonio Rüdiger könnte wieder einmal eine interessante Erfolgsmischung entstehen. Wobei es auch Verlierer gibt. Julian Draxler, Florian Neuhaus und Julian Brandt konnten ihre Chance wieder nicht nutzen. Auch Thilo Kehrer wird seinen Platz auf der rechten Abwehrseite wohl räumen müssen, wenn Jonas Hofmann von seinem Muskelfaserriss genesen ist. Von der Bank kamen in Amsterdam kaum Impulse. Aber das wird sich ändern, wenn Kimmich, Hofmann, Goretzka, Reus, Adeyemi und vielleicht sogar irgendwann Florian Wirtz zurückkehren.

Die Zuversicht ist in jedem Fall groß. Am Freitag reist Flick nun zur Gruppenauslosung nach Doha und um eine endgültige Entscheidung zum Quartier zu fällen. Favorisiert wird ein Wellness-Resort im Norden des Landes, direkt an der Küste des Persischen Golfes, wo der neue Geist dieser Mannschaft seine ganze Pracht entfalten soll.

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