DFB-Team gewinnt EM-Qualifikationsspiel: Kein Sieg für die Tribüne
Mit einem 4:0 konnte sich Löws Elf klar gegen Kasachstan durchsetzen. Doch nur eine Halbzeit war sehenswert. In der zweiten Hälfte ernteten Schweinsteiger und Co. gellende Pfiffe.
KAISERSLAUTERN dpa | Nach dem erwarteten Pflichtsieg gegen das Fußball-Entwicklungsland Kasachstan befindet sich die deutsche Nationalmannschaft weiter auf dem direkten Weg zur EM-Endrunde 2012. Beim ungefährdeten 4:0 (3:0)-Sieg am Samstagabend in Kaiserslautern trafen die beiden Bayern-Profis Miroslav Klose (3./88. Minute) mit seinem 60. und 61. Länderspieltor sowie Thomas Müller (25./43.) jeweils doppelt.
"Es war klar, dass wir uns an uns messen. Mit der ersten Halbzeit kann man gegen so einen defensiven Gegner zufrieden sein", erklärte Bundestrainer Joachim Löw, der später wie die 47.849 Zuschauer im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion das "ganz große Tempo vermisste. Anfangs beglückten Spielmacher Mesut Özil & Co. die Fans jedoch mit ihrem Offensivfußball, der sich auch in Toren niederschlug.
"Wir freuen uns, dass wir die Aufgabe gemeistert haben. Ein Spektakel hat der Gegner verhindert. Die Kasachen haben sich hinten reingestellt", meinte Doppel-Torschütze Müller.
Bei Halbzeit der EM-Qualifikation hat der dreimalige Europameister Deutschland bei der Maximalausbeute von 15 Punkten als Tabellenführer der Gruppe A schon acht Zähler Vorsprung auf die Verfolger Österreich und Belgien (je 7). Die Kasachen bleiben punkt- und torlos Letzter. Die Löw-Elf kann möglicherweise schon in den Auswärtsspielen in Österreich und Aserbaidschan Anfang Juni frühzeitig das Ticket für Polen und die Ukraine buchen. "Es kann noch einiges schiefgehen, aber ich bin sehr zuversichtlich", erklärte Kapitän Philipp Lahm.
Am kommenden Dienstag bestreitet die DFB-Auswahl ein weiteres Länderspiel gegen Australien. Beim Testspiel in Mönchengladbach will Bundestrainer Joachim Löw Talenten wie dem Mainzer André Schürrle eine Bewährungschance Richtung EM-Endrunde 2012 geben.
Löw hatte für das Spiel gegen die Auswahl von Kasachstan "Spielfreude und Spielwitz wie bei der WM" gefordert - und das setzte seine komplett mit Südafrika-Fahrern besetzte Startelf zunächst lobenswert um. Als Schwungrad der Offensive fungierte dabei Özil, der die Zuschauer mit seiner spielerischen Leichtigkeit, seinen Tricks und als Torvorbereiter besonders begeisterte. "Das war kein schweres Spiel für uns, wir wussten, dass wir gewinnen", sagte Özil.
Auch der dynamische Lukas Podolski, der in der Abwehr unterforderte Kapitän Lahm sowie Doppel-Torschütze Müller sorgten für Druck. Anders als beim 3:0-Hinspielsieg gelang es der deutschen Elf zudem, den kasachischen Abwehrriegel frühzeitig zu knacken. Außerdem durfte sich Bundestrainer Löw darüber freuen, dass endlich einmal gleich zwei Tore nach Standardsituationen erzielt werden konnten.
Löw hatte im Abwehrzentrum neben Per Mertesacker wie in den bisherigen Qualifikationsspielen überraschend Holger Badstuber aufgeboten, der bei Bayern München aktuell nur zweite Wahl ist. Auf der linken Außenbahn ist der Hamburger Dennis Aogo derzeit die Nummer 1 vor dem Dortmunder Marcel Schmelzer. Ihre Defensivqualitäten wurden aber kaum überprüft - der chancenlose Weltranglisten-132. aus Kasachstan konnte sich nur auf Schadensbegrenzung konzentrieren. Torhüter Manuel Neuer musste nur bei harmlosen Schüssen eingreifen.
In der Trainingseinheit Angriff gegen Abwehr wurde die deutsche Mannschaft stets dann gefährlich, wenn sie das Tempo anzog. Das tat sie nach einer Schweigeminute für die Erdbebenopfer in Japan auch gleich zu Spielbeginn und wurde dabei durch das frühe 1:0 von Klose belohnt. Nach Freistoß von Bastian Schweinsteiger bewies der Münchner bei seinem siebten Qualifikationstor, dem später Nummer acht folgte, am langen Pfosten seinen Torriecher und staubte erfolgreich ab. Mit 61 Länderspieltoren liegt der 32-Jährige nun nur noch sieben Treffer hinter Deutschlands Rekordschütze Gerd Müller (68) zurück. "Wenn ich Gerd einholen oder überholen sollte, wäre das faszinierend für mich."
Nach Chancen von Podolski (6./16.) und Kapitän Lahm (13.) fiel auch der zweite Treffer nach einem ruhenden Ball. Özil flankte einen Freistoß von der rechten Seite auf den Kopf von Müller, der 450 torlose Länderspielminuten seit der WM beenden konnte. Kurz vor der Pause durfte der Bayern-Angreifer seinen zweiten Doppelpack im Nationaltrikot bejubeln: Ein prächtiges Zuspiel von Özil verwertete Müller nach einer ebenso perfekten Ballannahme mit der Brust. "Ich bin froh, dass ich zwei Torvorlagen geben konnte", sagte Özil.
Zur Halbzeit war nur noch die Frage, wie oft die DFB-Auswahl nachlegen würde. Der Angriffsmotor geriet jedoch ins Stottern, "viel Ballgeschiebe" beklagte Müller. Das Publikum in Kaiserslautern reagierte mit gellenden Pfiffen und Buhrufen auf die Leistung der Mannschaft ab der 45. Minute. Löw reagierte mit der taktischen Umstellung auf 4-4-2, brachte Mario Gomez als zweiten Stürmer. Der Münchner spitzelte den Ball auch gleich mit dem Fuß knapp am Tor vorbei (68.). Den Schlusspunkt setzte dann Top-Torjäger Klose, der nach Pass von Sami Khedira den Ball ins leere Tor schob.
"Ich finde es nicht fair gegen den einzelnen Spieler und die Mannschaft", entgegnete Mittelfeldspieler Sami Khedira den Unmutsbekundungen einiger Fans, die sich besonders gegen die Münchner Bastian Schweinsteiger und Mario Gomez gerichtet hatten. "Das empfinde ich als äußerst negativ. Bastian Schweinsteiger hat auch einmal das Recht, ein Spiel zu machen, was nicht ganz auf seinem Niveau abläuft. Er ist im deutschen Fußball ein unersetzbarer Spieler", betonte Löw und ergänzte: "Es ist klar, die Ansprüche und Erwartungen sind gewachsen aufgrund unserer Spiele zuletzt. Da wird erwartet, dass man jeden Gegner mit 6:0, 7:0 oder 8:0 nach Hause schickt."
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