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Kolumne Press-SchlagDas Fluchen des Königs

Kolumne
von Thomas Winkler

Das DFB-Team gewinnt bei der EM-Qualifikation so souverän die Spiele, die sie gewinnen muss, dass ihr diese Selbstverständlichkeit übel genommen wird.

G eht man an einem Samstagabend, sagen wir mal, ins Kino, während zur gleichen Zeit das deutsche Fußballteam gegen, sagen wir mal, Kasachstan spielt, braucht man sich heutzutage keine großen Sorgen mehr zu machen. Man kann, sagen wir mal, "The Kings Speech" gucken, anschließend noch gemütlich diskutieren, ob Colin Firth nun wirklich den Oscar verdient hat, oder sich auch ein klein wenig streiten, ob denn Schauspieler immer so exzessiv fluchen müssen, um für preiswürdig befunden zu werden. Man kann also einen netten Abend verbringen und wenn man wieder zu Hause ist, kurz Videotext oder Internet gucken, um sich folgende Fragen beantworten zu lassen: Wie hoch hat die DFB-Auswahl gewonnen? Und, wenns unbedingt sein muss: Wer hat die Tore geschossen?

Die Antworten auf solche, dieser Tage nicht mehr ganz so drängende Fragen sind in diesem Fall: 4:0. Und: Klose, Müller, Müller, Klose. Doch das Spannendste an diesem Spiel in Kaiserslautern war, dass dessen Ausgang zu keinem Zeitpunkt infrage stand, noch nicht einmal im Vorfeld. Was nicht nur beweist, wie aktuell die Dialektik noch ist, und was zudem den immer noch allseits beliebten, vom ehemaligen DFB-Teamchef Rudi Völler einst in die Welt geworfenen Allgemeinplatz "Es gibt keine Kleinen mehr" zum wiederholten Male der Absurdität überführte.

Nach dem Spiel wurde aber noch nicht einmal darüber diskutiert, wie souverän die deutsche Nationalmannschaft mittlerweile Fußball zu spielen imstande ist. Das war zwar, Ältere unter uns erinnern sich mit Grausen, nicht immer so. Das 4:0 aber war nicht nur der fünfte Sieg im fünften Spiel und macht das DFB-Team zu einem von drei verlustpunktfreien in der EM-Qualifikation neben Spanien und den Niederlanden. Dieser Sieg war vor allem mit allergrößter Selbstverständlichkeit herausgespielt - und eben nicht erkämpft. Doch die stabile Spielkultur ist längst das Thema von gestern. Findet auch die Mannschaft selbst und beschäftigt sich auf entsprechende Reporterfragen nach dem Spiel lieber damit, ob und wie Jupp Heynckes demnächst den FC Bayern München trainieren wird.

Bild: privat

Thomas Winkler ist Autor der taz.

Die Einzigen, die das Geschehen auf dem Rasen selbst tatsächlich noch zu interessieren schien, waren die Zuschauer in Kaiserslautern. Die allerdings pfiffen in der zweiten Halbzeit angesichts einer dermaßen erbärmlichen 3:0-Führung. Da war der nette Herr Löw plötzlich gar nicht mehr so nett und klassifizierte die Meinungsäußerungen der Verwöhnten als "äußerst negativ". Der Bundestrainer jammerte aber auch, wie es seine Art ist, messerscharf analysierend: "Die Ansprüche und Erwartungen sind gewachsen."

Ja, muss man da sagen: selbst schuld. Hätte die deutsche Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft nicht so prima gespielt und hätte sie dieses Niveau nicht um ein erstaunliches Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit ergänzt, würde sie seitdem nicht fürchterlich erwartbar jene Spiele gewinnen, die sie gewinnen muss, dann, ja dann würden die Zuschauer in Kaiserslautern vielleicht nicht pfeifen. Und andere würden vielleicht nicht ins Kino gehen. Zumindest nicht so beruhigt.

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