DFB-Spieler in der Einzelkritik: 46 Beine für den vierten Stern
Jeder Spieler im Kader war wichtig, sagt Torhüter Manuel Neuer nach dem Finale. Ein Teamcheck der 23 deutschen Weltmeister.
BERLIN taz | Mit einer „Lass das mal den Papa machen“-Aura gab Manuel Neuer, der beste Torwart des Turniers, der deutschen Verteidigung auch im Endspiel den nötigen Rückhalt. Vielleicht war es eben diese Autorität die dafür sorgte, dass Higuaín, Messi und Palacio bei ihren Großchancen die Nerven versagten.
Ersatzkeeper Roman Weidenfeller zeigte in der Vorbereitung, dass er ein starker Vertreter für Neuer wäre, kam aber ebenso wie Ron-Robert Zieler nicht zum Einsatz.
Dem gelernten Innenverteidiger Benedikt Höwedes war die Unerfahrenheit auf der linken Abwehrseite anzumerken, doch er fand immer besser in seine Rolle. Konzentrierte sich auf seine Defensivaufgaben und scheiterte im Endspiel kurz vor der Halbzeitpause am Pfosten.
Per Mertesacker überzeugte in der Vorrunde in der Innenverteidigung und musste sich mit Beginn der K.-o.-Spiele dennoch mit dem Platz auf der Ersatzbank begnügen. Der zweifache WM-Torschützen Mats Hummels und Abräumer Jérôme Boateng waren in der Zentrale unverzichtbar. Insbesondere Boateng spielte im Finale überragend.
Shkodran Mustafi spielte eine durchwachsene WM und seine Verletzung sorgte dafür, dass Philipp Lahm, der das Turnier noch mit argen Problemen im Mittelfeld begann, wieder auf die Rechtsverteidigerposition rückte. Fortan spielte die Elf stabiler und konzentrierter als zuvor.
Erik Durm, Kevin Großkreutz und Matthias Ginter kamen in den sieben WM-Spielen nicht zum Zug. Sie sind die Erben von Paul Steiner, Günter Hermann und Frank Mill, die im letzten Weltmeisterkader von 1990 auch nur WM-Touristen waren.
Spielmacher Toni Kroos bestritt alle sieben Spiele ganz. Der beste Vorlagengegeber des Turniers hielt das Spiel mit unzähligen Pässen in Bewegung und verlagerte immer wieder mit brillianten Flügelwechseln. Weltklasse – wie auch Bastian Schweinsteiger. Als der gegen Portugal geschont wurde, stimmten die ersten Abgesänge gegen ihn ein. Mit Präsenz, Erfahrung und Führungsstärke strafte er seine Kritiker Lügen, machte sich danach unverzichtbar und zeigte im Finale seine beste Leistung.
Nebenmann der letzen Turniere, Sami Khedira, kämpfte sich nach einem Kreuzbandriss zur WM und war direkt gesetzt, obgleich er noch nicht ganz fit war. Khedira fand immer besser ins Turnier – um sich dann, bitteres Schicksal, beim Aufwärmen vorm Finale zu verletzten.
Christoph Kramer, Khediras Finalvertreter, spielte vor einem Jahr noch gegen den Abstieg aus der zweiten Liga. Der 23jährige Löw-Liebling begann stark, doch musste bald gehirnerschüttert vom Platz. Lustlos, kraftlos, ideenlos gerade in großen Spielen – so lauten die einschlägigen Vorwürfe, mit denen Mesut Özil seit Längerem wieder und wieder konfrontiert wird. Trotzdem spielte Özil stets von Beginn an und hatte seine hellen Momente. Auch in den wichtigen Spielen.
Das Gegenteil der Özil‘schen Vorbehalte verkörpert seit eh und je Thomas Müller, der sich als offensiver Anarchist unverzichtbar zeigte: fünf unnachahmliche Tore, drei Vorlagen, mehr gelaufene Kilometer als jeder andere Spieler im Turnier (84), überzeugend an den Mikrofonen.
Mit dürftigen Auftritten zu Turnierbeginn spielte sich Mario Götze zunächst aus der Startelf, meldete sich dann aber im perfekten Moment zurück: Mit einem zauberhaften Traumtor in der 113. Finalminute. Die Vorlage lieferte einer der bedeutensten Bausteine in Löws Taktik: André Schürrle, Joker vom Dienst. Der sorgte nach seinen Einwechslungen immer für Belebung, schoss das wichtige Führungstor gegen Algerien, zwei weitere gegen Brasilien und machte drei Torvorlagen.
Lukas Podolski spielte auf dem Platz keine große Rolle, entgegen der Erwartungen im Vorfeld. Abseits des Platzes präsentierte sich Podolski aber als Stimmungsbeauftragter des DFB. Als jüngster Spieler im Kader kam Julian Draxler zu einem Einsatz gegen Brasilien, als er beim Stand von 6:0 eingewechselt wurde.
Der letzte wahre Stürmer und älteste deutsche Spieler, Miroslav Klose, schoss sich in die Geschichtsbücher. Mit seinem 16. WM-Tor gegen Brasilien wurde er zum Rekordtorschützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
HTS als Terrorvereinigung
Verhaftung von Abu Mohammad al-Jolani?