DFB-Frauen verlieren Finale: Solange die Kraft reicht
Die Niederlage der DFB-Fußballerinnen im Nations-League-Finale gegen Spanien zeigt, dass es an individueller Klasse fehlt und an einer Stürmerin.
Ann-Katrin Berger ist niemand, die sich in den Mittelpunkt drängt. Eine ganze Weile hatte die deutsche Nationaltorhüterin im Bauch des imposanten Estadio Metropolitano schon gewartet, um ihre Eindrücke vom zweiten Nations-League-Finale gegen Spanien (0:3) in der für sie charakteristischen Ruhe und Gelassenheit zu schildern. Sie trug vor, dass ihre Vorderleute vor der imposanten Kulisse von 55.843 Fans in der Heimstätte von Atlético Madrid zu hektisch gewesen seien. „Die Pässe waren ungenau.“ Das müsse sich ändern, um solche Titel zu gewinnen. Im Blick hatte sie dabei das nächste Ziel. Deutschlands zweimalige Fußballerin des Jahres reizt die WM 2027 in Brasilien. Nach 29 Länderspielen ist noch längst nicht Schluss.
Obwohl die Unterredung mit Bundestrainer Christian Wück und Torwartcoach Michael Fuchs über ihre Zukunft noch ausstand, erklärte Berger mit einem zuversichtlichen Lächeln ihre Bereitschaft weiterzumachen: „Ich freue mich auf das nächste Jahr, um zu sehen, was in der Mannschaft steckt.“ Die nächste Weltmeisterschaft würde die beim US-Champion Gotham FC bis Ende 2026 unter Vertrag stehende Keeperin schon gerne spielen. „Schönes Wetter ist auf jeden Fall. Brasilien ist ein fußballverrücktes Land. Es ist immer ein Geben und Nehmen. Wenn der Trainer mich haben möchte und wir uns einig sind, werden wir sehen, was die Zukunft sagt.“
Wäre gut, wenn Berger an Bord bliebe. Auch wenn die gebürtige Schwäbin gegen den Fifa-Weltranglistenersten ein unschönes Déjà-vu erlebte. Wie schon im EM-Halbfinale (0:1 n.V.) gesellte sich zu vielen guten Paraden ein entscheidender Makel. „Vielleicht hätte ich meine Hand ein bisschen fester machen müssen“, rätselte Berger über den von ihr zu spät erspähten Flachschuss von Claudia Pina nach 61 Minuten. Jenes 0:1 sollte Kapitänin Giulia Gwinn in der ARD als „Genickbruch“ bezeichnen. Während Spaniens Künstlerinnen aus den Händen von Felipe VI. die Trophäe empfingen, warten Deutschlands Fußballerinnen auf den ersten Titel seit dem Olympiasieg 2016.
DFB-Sportdirektorin Nia Künzer zog dennoch ein positives Fazit fürs Jahr 2025: Zum einen sind Länderspiele zur Primetime vor einem Millionenpublikum bei ARD und ZDF inzwischen selbstverständlich, zum anderen belegte der Herbst einen spielerischen Fortschritt, den speziell ja Künzer mit Wücks Verpflichtung verknüpft hatte. „Wir haben drei Halbzeiten auf Augenhöhe gespielt“, befand die 45-Jährige. „Und die vierte Halbzeit zeigt einfach, dass – wenn wir ein Stück nachlassen – Spanien eine brutale Qualität hat.“
Zweistellige Zahl an Topchancen
Auch Wück war mächtig stolz auf eine Entwicklung, „die definitiv in die richtige Richtung“ gehe. Klar, sein Ensemble hätte „gerne den Titel mit nach Deutschland genommen“, doch der Bundestrainer verbuchte „viele Lernmomente“ auf der Habenseite. Der 52-Jährige gab zu: „Wir hatten nicht das Level wie in Kaiserslautern. Wir sind athletisch an Grenzen gekommen.“ Und: Allein die technischen Fähigkeiten der Spanierinnen würden den Unterschied belegen. Letztlich fehlte gegen „die beste Mannschaft der Welt“ (O-Ton Wück) neben der Kraft auch die Klasse und die Überzeugung, die noch beim 0:0 im Hinspiel zu besichtigen war.
Zudem sei man auf der „einen oder anderen Position“ noch nicht so aufgestellt, „um den Pokal in der Hand zu halten“, sagte der Bundestrainer. Gerade im Angriff fehlt sogar mehr als eine Handbreit. Nicole Anyomi schienen mal wieder Versagensängste auf der ganz großen Bühne zu befallen, so wenig entschlossen wirkte die Stürmerin von Eintracht Frankfurt im Abschluss. Insgesamt eine zweistellige Zahl von Topchancen vergab die DFB-Elf in beiden Endspielen.
In ihrem Zusammenhalt erinnert das Team zwar an die erfolgsverwöhnten Generationen, doch es fehlt die stilprägende Torjägerin wie früher Heidi Mohr, Birgit Prinz, Inka Grings, Celia Sasic oder Alexandra Popp. Am ehesten hätte die aus familiären Gründen pausierende Lea Schüller (82 Länderspiele/54 Tore) dafür die Anlagen, doch bei der EM in der Schweiz überzeugten ihre Auftritte nicht. Die Blockade bei der 28-jährigen Mittelstürmerin vom FC Bayern zu lösen, wird ein Auftrag fürs nächste Jahr, wenn im März die WM-Qualifikation in der Gruppe mit Norwegen, Österreich und Slowenien beginnt. Und klar ist auch, wer dann im Tor stehen möchte.
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