DFB-Frauen im EM-Halbfinale: Die Reise geht weiter

Die DFB-Frauen stehen im Halbfinale der Fußball-EM. Vor allem Lena Oberdorf und Klara Bühl bewiesen beim 2:0 gegen Österreich ihre mentale Robustheit.

Die deutsche Fußballerin Lena Oberdorf setzt sich gegen Österreichs Laura Feiersinger durch

Lena Oberdorf (re.) setzt sich gegen Österreichs Laura Feiersinger durch Foto: reuters/Martinez

Im Mittelpunkt der Nachbetrachtungen standen am späten Abend in Brentford eine 20-Jährige und eine 21-Jährige. Dass die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg mit Lena Oberdorf und Klara Bühl die beiden Jüngsten in der Startelf so über den grünen Klee lobte, war eigentlich ungewöhnlich. Fußballerinnen und Fußballer in dem Alter werden normalerweise von den Verantwortlichen kaum mit öffentlichem Lob bedacht, weil die Angst und der Aberglaube vorherrschen, sie könnten daran zerbrechen.

Aber weshalb sollte Voss-Tecklenburg nach dem 2:0-Erfolg gegen Österreich und dem Halbfinaleinzug noch an Schutzmaßnahmen denken? Oberdorf und Bühl bewiesen in der extremen Drucksitution auch ihre mentale Robustheit. Gerade dieses zähe Spiel gegen Österreich, das lange Zeit niemand unter Kontrolle bekommen konnte, verlangte in dieser Hinsicht vieles ab. Für die Zukunft des DFB-Teams ist all das ein gutes Zeichen.

Wobei die Auszeichnung von Klara Bühl zur Spielerin des Spiels zugleich etwas Kurioses hatte. Acht Minuten vor dem Ende musste die Flügelstürmerin nur noch das leere Tor zur erlösenden 2:0-Führung treffen und schob den Ball vorbei. Ein Lapsus, nach dem man eigentlich von niemandem mehr gesehen oder gar geehrt werden möchte.

Bühl hatte das aber schon in Windeseile nach dem Abpiff mit der dreifachen Weltfußballerin Birgit Prinz aufgearbeitet, die dem Team nun als Psychologin zur Seite steht. Prinz habe ihr gesagt, so einen habe man immer mal. Später wendete die gelehrige Bühl das Missgeschick lächelnd ins Positive. „Ich hoffe, dass das damit für die nächsten Wochen und Monate vorbei ist.“

Hilfe durch Österreichs Torfrau

Diese Aufgabe, das zweite Tor zu erzielen, übernahm letztlich Österreichs Torhüterin Manuela Zinsberger in einem ebenfalls peinlichen Moment, als sie Alexandra Popp anschoss. Nach solchen Lapsi wollten vermutlich weder Zinsberger noch Bühl geehrt werden.

Den Führungstreffer von Lina Magull in der 25. Minute hatte jedoch Bühl maßgeblich ermöglicht, als sie ihrer Gegen­spielerin Carina Wenninger reaktionsschnell den Ball abnahm. Und in die Alu­statistik, die zumindest die Österreicherinnen mit 3:2 für sich ent­scheiden konnten, trug sie sich mit einem fulminanten ­Lattenschuss ein. Voss-Tecklenburg hob sie für ihre ganze Turnierleistung hervor: „Sie ist eine enorm wichtige Spielerin, die uns viel ­Energie gibt.“ Sie würde jede freie ­Sekunde nutzen, um etwas für sich zu tun. Sie nannte als ­Beispiel das neurozentrierte Training mit Jan-Ingwer Callsen-Bracker, von dem Bühl in Brent­ford so schwärmt.

Im Nachbarschaftsduell mit Österreich stach jedoch eindeutig die Allerjüngste heraus. Lena Oberdorf weiß Leidenschaft und Dynamik mit wohlkalkulierten Laufwegen und cleverem Stellungsspiel zu verbinden. Mit diesen Eigenschaften war sie für das DFB-Team an diesem Abend von unverzichtbarem Wert. Angesichts der druckvollen Spielweise der Österreicherinnen hatten vor allem in der ersten Halbzeit einige etwas den Kopf verloren. Voss-Tecklenburg vermisste den Mut, sich an den vorgesehenen Spielplan zu halten, über die äußeren Seiten die Offensive zu suchen.

Das dadurch entstandene Gedränge im Zentrum bedeutete für die defensive Mittelfeldspielerin Oberdorf das reinste Vergnügen. Die 16.025 Zu­schaue­r:in­nen in Brentford konnten das auch an ihren Gesten sehen. Die 20-Jährige erklärte: „Ich habe mit meinem Bruder sehr oft Sergio Ramos angeguckt auf Youtube, wie er sich immer gefeiert hat, wenn er ’ne Grätsche rausgepackt hat.“

Sie sei froh, dass Oberdorf nicht in einer anderen Nationalmannschaft spiele, erklärte Voss-Tecklenburg. Als Gegnerin möchte man sie wirklich nicht haben. „Sie hat ein ganz, ganz großartiges Spiel gemacht. Mit jungen Jahren, Anfang zwanzig, so eine reife Leistung zu zeigen, in so einem Spiel bei einem EM-Viertelfinale, ist der Beweis, dass sie eine ganz große Zukunft hat.“ Mit ihren Aufräumer­qualitäten trug Oberdorf dazu bei, dass die DFB-Elf bereits in der vierten Partie keinen Gegen­treffer hinnehmen musste. Was diese allerdings höflicherweise vor allem auf die Stärken der Abwehrkette zurückführte. Die vermeintliche Problemzone der DFB-Elf ist zum Prunkstück geworden, dem die Österreicherinnen nur leichte Kratzer zufügen konnten.

Warum aber das deutsche Team so schwer in die Partie kam, für diese Frage bot Voss-Tecklenburg einen Erklärungsansatz, als niemand mehr damit gerechnet hatte. Als sie zum Abschluss zu ihrer Verbindung zu Uwe Seeler befragt wurde, erzählte die 54-Jährige, in den vergangenen Tagen hätte man im EM-Quartier, wegen der engen Verbindungen eines Teambetreuers zu ihm, viel über Seeler gesprochen. Die Nachricht von seinem Tod habe „von dem etwas genommen, was wir vorher gefühlt haben“. Und sie fügte an: „Aber vielleicht haben wir ihm trotzdem eine Freude bereiten können.“ So betrachtet würde sich Uwe Seeler sicherlich auch über einen Einzug ins Finale im Wembleystadion freuen. Jetzt bekommen die deutschen Fußballerinnen auch noch Unterstützung aus dem Jenseits.

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