EM: Deutschland gegen Frankreich: Dann hat es Popp gemacht

Mit einem 2:1-Sieg zieht die deutsche Elf ins EM-Finale. Nun hat das DFB-Team zwei Stars: Lena Oberdorf und Torschützin Alexandra Popp.

Mehrere deutsche und französische Fußballerinnen steigen zum Kopfball hoch

Der Moment des 2:1: Alexandra Popp setzt sich beim Kopfball durch Foto: Eibner/imago

Hat das deutsche Team nun doch einen Star? Nirgendwo sonst ist bei diesem Turnier so viel vom Team die Rede. Aber in Milton Keynes fiel am späten Abend wieder einmal auffällig häufig der Name der 20-jährigen Lena Oberdorf. Und noch viel häufiger fiel der von Alexandra Popp. Beide Treffer hatte letztere für den Einzug ins Finale am Sonntag gegen England im Wembleystadion beigesteuert. Und nun steht sie mit 6 Treffern neben Beth Mead an der Spitze der Torjägerinnenliste dieses Turniers. Mehr Star geht doch eigentlich nicht.

„Ein absoluter Leader“ sei sie für das Team, befand Oberdorf nach dem 2:1-Erfolg gegen Frankreich über Popp. Natürlich dürfe man die beiden mal hervorheben, gestattete Mitspielerin Lina Magull. „Obi ist einfach eine kranke Maschine“, die fast jeden Zweikampf gewänne und dem Team große Sicherheit gäbe. Und Popp habe solch eine Willenskraft. Torhüterin Frohms präzisierte: „Die reißt einfach die komplette Mannschaft mit ihrer Euphorie und ihrem unglaublichen Willen mit.“

Vielleicht lässt es sich so am besten fassen: In jeder deutschen Spielerin steckt in diesen Tagen ein Stückchen Popp. Was Alexandra Popp ausmacht, sah man in der 58. Minute vielleicht besser als bei ihren Toren und Nachweisen ihrer Mittelstürmerqualitäten. In einer Phase, als die Französinnen beim Stand von 1:1 dabei waren, dem Spiel ihre Richtung vorzugeben und sich gute Gelegenheiten erspielten. Bei einer dieser Attacken sprintete die 31-jährige Popp bis in den eigenen Strafraum zurück und blockte im letzten Moment einen Schuss von Selma Bacha. Völlig genervt schaute diese drein. Aber da war sie eben nicht die einzige Französin an diesem Abend.

Das war keine Einzelaktion von Popp, das hatte System. Vor allem in der ersten Halbzeit ging das deutsche Team den Französinnen mächtig auf die Nerven. Die Ausnahmespielerinnen Delphine Cascarino oder Kadidiatou Diani wurden immer wieder von zwei oder gar drei bissigen Gegenspielerinnen isoliert und konnten ihr Können nicht ausspielen. Die Außenstürmerinnen Jule Brand, die für die coronainfizierte Klara Bühl ins Team gekommen war, und vor allem Svenja Huth sprinteten immer wieder ihren Abwehrkolleginnen zur Hilfe. Dieser systematische kollektive Gewaltakt spiegelte sich auch in den Zahlen wider. Fast 10 Kilometer hatte das deutsche Team am Ende mehr zurückgelegt. Mit der Hereinnahme von frischen Kräften wie Linda Dallmann und Sydney Lohmann kam auch wieder mehr Stabilität zurück in dieses enge Duell.

Eine Teamleistung mit zwei besonderen Teammitgliedern

Kein Wunder also, dass Bundestrainerin Voss-Tecklenburg die Vornamen aller eingesetzten Spielerinnen herunterratterte, als sie um ein paar Worte zu Oberdorf, Popp und Frohms gebeten wurde, die mit zwei, drei Paraden glänzte. „Wir haben das Spiel nur gewonnen als Teamleistung.“ Die Karriere von Popp ist ohnehin eine ohne Dünkel und Allüren. Obwohl man sie mit ihrer Kopfballstärke, Handlungsschnelligkeit und Schusstechnik durchaus als den Prototypen einer Mittelstürmerin bezeichnen könnte, ist es erstaunlich, wie wenige Spiele sie auf dieser Position bestreiten durfte. Das lag nicht nur an einigen längeren Verletzungspausen – vergangene Bundesligasaison bestritt sie nur neun Partien, bei einer EM war sie noch nie dabei – sondern auch an ihrer Vielseitigkeit. Ihre Dynamik, Technik und Willenskraft waren in der Vergangenheit immer wieder an anderer Stelle gefragt, so setzten sie ihre Trai­ne­r:in­nen ebenfalls gern im Mittelfeld oder gar in der Verteidigung ein. Auch im Nationalteam agierte sie im Frühjahr noch hinter der Sturmreihe.

Fast 10 Kilometer hatte das deutsche Team am Ende mehr zurückgelegt als die Französinnen

Popp bekundete am Mittwoch, wie froh sie sei, auch den Trainern zeigen zu können, was sie „vorne draufhabe“ und nach ihrer langen Verletzungszeit endlich mal zum richtigen Zeitpunkt fit zu sein und „so zu performen“. Sie sei noch ein Stück emotionaler als sonst. Das kann man durchaus sehen. Popp nimmt sich bei diesem Turnier alles zu Herzen. Schon bereits die Nationalhymne, die sie mit Inbrunst mitsingt. Viele Gelegenheiten, international so mit dem Team zu glänzen, werden sich ihr nicht mehr bieten. Zumal auch sie wie viele ihrer Kolleginnen die Einmaligkeit der derzeitigen Konstellation hervorhebt: „So einen Teamspirit habe ich ganz ehrlich noch nie erlebt.“

Am Sonntag im Wembleystadion werde man nicht nur gegen England sondern gegen die ganze Nation spielen, erklärte die 20-jährige Oberdorf mit sichtlicher Vorfreude. „Für mich sind das ja die schönsten Spiele, wenn das ganze Stadion gegen dich ist, am besten noch: dich ausbuht.“

DFB-Chef Neuendorf wird dann ebenfalls vor Ort sein wie bereits im Halbfinale. In Milton Keynes stand er in der Mixed Zone und sagte mit der präsidialen Bedachtheit fürs Ganze, mehr Sichtbarkeit für die Fußballerinnen als in einem ausverkauften Wembleystadion könne es gar nicht geben. Sein Kommen in Begleitung von DFB-Direktor Oliver Bierhoff war vom Verband vorher groß angekündigt worden, als wäre es etwas Besonderes, wenn die Führungsetage zu einem EM-Halbfinale reist. Aber Moment, es war ja wirklich außergewöhnlich. Bei der letzten EM der Frauen 2017 in den Niederlanden hatte der damalige Präsident Reinhard Grindel für diesen Zeitraum seine Ferien genommen und war bei keiner Partie dabei.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.