DFB Der Verband geht sehr sensibel mit seinen Sündern um. So viel Verständnis muss gewachsen sein: System der Selbstkontrolle
Es ist wie beim „Tatort“, der Lieblingsserie der Deutschen. Es wird kollektiv nach dem Täter gefahndet. Die Ermittler sind am Werk, und das geneigte Publikum rät eifrig mit. Gleich zwei Verbrechen gilt es aufzuklären. Es geht um verschobene Millionenbeträge und einen Bestechungsversuch.
Wer waren die Schlüsselfiguren? Franz Beckenbauer oder sein Adlatus Fedor Radmann? Wer hat sich mehr zuschulden kommen lassen, Theo Zwanziger oder Wolfgang Niersbach? Oder ist Horst R. Schmidt der fiese Gärtner? Und kam Günter Netzer wirklich nur die Rolle des arglosen Chauffeurs zu, der Schmidt und Zwanziger einst zum spendablen Robert Louis-Dreyfus fuhr?
In den Medien ist gestern Niersbach der Hauptschurke gewesen, heute ist es Beckenbauer, morgen Radmann. Unter den Kameraden beim Deutschen Fußball-Bund hat man sich längst festgelegt: Hinter dem Moraltheologen Zwanziger verbirgt sich der fiese Bösewicht.
Als wäre die Ermittlung der Schuldfrage ein Rechenspiel, das man einfach mit Addition und Subtraktion lösen könnte. Als würde es die Verantwortung Einzelner mindern, wenn sich andere die Hände vielleicht noch schmutziger gemacht haben.
Die DFB-Kameraden und Zwanziger-Hasser räumen maximal ein, dass Beckenbauer derzeit etwas wortkarg ist. Das sind die Fundamentalisten innerhalb des Verbands. Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, ein Vollblutrealo, wünscht sich einen etwas sensibleren Umgang mit der Person Beckenbauer, der man so viel zu verdanken habe.
Auch der frühere Innen- und Sportminister Otto Schily erklärt trotz gegenteiliger Beweislage, er kenne Beckenbauer als integre Persönlichkeit. Er vertraue darauf, dass dieser keine unlauteren Mittel angewandt habe. Der TV-Sender Sky will den „überaus geschätzten Partner“ einstweilen als Experten behalten. Und auch der schmerzfreie VfL-Wolfsburg-Manager Klaus Allofs schert sich nicht um die Fakten, die Niersbach beschädigen. Er legt gar seine Hand für den Ex-DFB-Chef ins Feuer. Und der DFB? Der Verband lässt ihn weiter als sein Interessenverwalter in der Uefa und der Fifa werkeln. Möglicherweise kann der begabte Netzwerker auf den höheren Verbandsebenen seinen kontrollierenden Einfluss ausüben, wie dort mit der Affäre umgegangen wird.
Es ist das systemimmanente Streben, alles unter Kontrolle zu behalten. Insofern wäre Reinhard Grindel, CDU-Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Sportausschusses, ein würdiger Nachfolger von Wolfgang Niersbach im Amt des DFB-Regenten. Schließlich könnte er bei der politischen Aufarbeitung der Skandale rund um die WM-Vergabe 2006 das System der Selbstkontrolle weiter ausbauen.
Dass man innerhalb des DFB offenbar bereits seit 15 Jahren wusste, dass Beckenbauer und Co einen Bestechungsversuch beim Fifa-Funktionär Jack Warner unternommen hatten, wie die Süddeutsche Zeitung am Freitag berichtete, überrascht nicht. So viel Verständnis mit den handelnden Personen kann man nicht auf einmal aufbringen. So viel Verständnis muss erst einmal wachsen. Das Versagen beim Deutschen Fußball-Bund ist nicht nur individueller, sondern auch institutioneller Natur. Johannes Kopp
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