Cum-Ex-Steuerraub: Banker beichtet Cum-Ex
Wende im Bonner Cum-Ex-Prozess: Ex-Mitarbeiter der Hamburger Warburg-Bank bedauert, „immensen Steuerschaden“ verursacht zu haben.
Bei den Cum-Ex-Geschäften geht es um Steuern, die Investoren erstattet wurden, obwohl sie nie gezahlt worden waren – insgesamt ein Steuerraub gewaltigen Ausmaßes. Ein Rechercheverbund unter Führung des Investigativ-Portals „correctiv“ schätzt den Schaden in Europa und den USA auf 150 Milliarden Euro. Davon entfielen in den vergangenen 20 Jahren fast 36 Milliarden auf Deutschland. Ende Juli 2021 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass Cum-Ex-Geschäfte strafbar sind.
In Hamburg geht es dabei nicht nur um einen 176-Millionen-Euro-Schaden, den die Warburg-Bank inzwischen beglichen hat. Im Raum steht auch die Frage, ob die damalige Senatsspitze in den Jahren 2016 und 2017 Einfluss auf das Finanzamt genommen hat. In beiden Jahren wollten die Hamburger aus heutiger Sicht zu Unrecht erstattete Steuern nicht zurückfordern.
Bürgermeister war der jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzsenator der heutige Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD). Ihre mögliche Einflussnahme ist Gegenstand eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Hamburg.
Höchstrichterliches Cum-Ex-Urteil
Das Landgericht Bonn hatte bereits im März 2020 zwei ehemalige Londoner Börsenhändler verurteilt, weil sie für Warburg Cum-Ex-Geschäfte organisiert hatten. Dieses Urteil hat der BGH bestätigt. Anfang Juni hatte das Bonner Landgericht in einem weiteren Verfahren einen ehemaligen Generalbevollmächtigten der Bank zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Dieser beteuerte seine Unschuld.
Im laufenden Prozess hatte sich der Angeklagte noch am Montag gesperrt, worauf dem Vorsitzenden Richter der Kragen geplatzt sei, berichtet der WDR: „Erzählen Sie uns nichts! Erzählen Sie uns nichts, was nicht stimmt! Erzählen Sie uns, wie es war! Was sollen wir denn denken? Das ist nicht plausibel.“
Am Mittwoch habe der Angeklagte dann eingeräumt, falsche Bestätigungen unterschrieben zu haben. Dabei habe er die Augen geschlossen und dadurch die Cum-Ex-Geschäfte erst ermöglicht. „Aufgrund meiner Erfahrungen mit der Führungsstruktur der Warburg-Gruppe hatte ich die Befürchtung, dass eine Weigerung meinerseits das Ende meiner Karriere bewirkt hätte“, protokollierte der WDR.
Er bedaure zutiefst, „dadurch eine steuerliche Voraussetzung für die Durchführung der hier behandelten Transaktionen und den dadurch verursachten, immensen Steuerschaden geschaffen zu haben.“
Roland Zickler, Richter am Bonner Landgericht
Mitte Dezember hatte der Warburg-Miteigentümer Christian Olearius in einer schriftlichen Erklärung an den Untersuchungsausschuss beteuert, seine Bank habe die Steuern abgeführt und im guten Glauben gehandelt: Seit Anfang 2009 habe sich die Bank von ihren Beratern bestätigen lassen, dass diese keine Kenntnis von Cum-Ex-Geschäften hätten. „Darauf hat die Bank vertraut“, ließ Olearius seinen Anwalt Peter Gauweiler verlesen.
Der Bankier schob die Schuld auf die Politik und die Behörden. Inzwischen wisse jeder, wie sich die staatlichen Vertreter im Umgang mit dem Jahressteuergesetz 2007 verhalten hätten. Das Gesetz sollte Lücken schließen, was aber nicht geschah. Denn faktisch wurde es von der Banken-Lobby verfasst. Die Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen (Bafin) ermittle weiter unverhältnismäßig, um die eigene fehlerhafte Verwaltungspraxis vergessen zu lassen, kritisierte Olearius.
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