Cum-Ex-Staatsanwältin Brorhilker: Die Banklägerin
Die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker wechselt von der „schwach aufgestellten Justiz“ auf die politische Ebene. Sie geht zur NGO Finanzwende.
In einigen Wochen will sie ihre Tätigkeit als Oberstaatsanwältin in Köln beenden und in eine hauptamtliche politische Funktion wechseln. Dann wird Anne Brorhilker Co-Geschäftsführerin der Organisation Finanzwende in Berlin. Bisher führt sie als maßgebliche deutsche Strafverfolgerin Ermittlungsverfahren gegen rund 1.700 beschuldigte ManagerInnen, die sie des Cum-Ex-Steuerbetrugs verdächtigt.
Dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) sagte Brorhilker, es gebe eine systemische Verquickung von Politik und Bankinteressen. „Da geht es oft um Täter mit viel Geld und guten Kontakten, und die treffen auf eine schwach aufgestellte Justiz.“ In ihrer neuen Tätigkeit will sich Brorhilker für „Strukturen auf Augenhöhe“ einsetzen, um Steuerhinterziehung in großem Stil zu erschweren. Von dem ehemaligen grünen Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick gegründet, arbeitet Finanzwende als Anti-Lobby gegen den Einfluss der Finanzbranche auf die Politik.
2013 begann Brorhilker als erste Staatsanwältin, im Cum-Ex-Skandal zu ermitteln. Bei diesen mittlerweile als kriminell identifizierten Geschäften verkauften Investoren Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividenden-Anspruch schnell hin und her. Für die ausgezahlte Dividende zahlten sie insgesamt nur einmal Kapitalertragsteuer, ließen sich die Steuer aber mehrfach vom Finanzamt zurückerstatten. Der Schaden für die Allgemeinheit soll mindestens 10 Milliarden Euro betragen.
In einer spektakulären Aktion ließ Brorhilker 2014 rund 130 Gebäude in 14 Staaten durchsuchen, wodurch sie umfangreiches Beweismaterial gegen Personen in Banken, Anwaltskanzleien und Investmentfirmen sicherte. Nachdem es ihr gelungen war, Kronzeugen zu finden, folgten ab 2020 die ersten Urteile. Später wurde der in die Schweiz geflüchtete Anwalt und Cum-Ex-Profiteur Hanno Berger nach Deutschland ausgeliefert und zu mehr als acht Jahren Gefängnis verurteilt. Im September 2023 begann der Prozess gegen Christian Olearius, den ehemaligen Chef der Hamburger Warburg-Bank.
Die 50-jährige Juristin Brorhilker wuchs in Nordrhein-Westfalen auf und studierte an der Ruhr-Universität Bochum. Privat ist über Brorhilker wenig bekannt, an großen Auftritten zeigte sie bisher wenig Interesse. War sie anfangs Einzelkämpferin, leitet sie in Köln mittlerweile eine Hauptabteilung mit über 30 StaatsanwältInnen. Der Informationsdienst Bloomberg stufte sie 2021 unter die 50 einflussreichsten Personen der globalen Finanzwelt ein.
Ihre Triebfeder beschrieb sie im WDR so: Bisher kämen „große Steuerhinterzieher besser weg als kleine Sozialbetrüger“. Auch deshalb verliere die Allgemeinheit das Vertrauen in den Rechtsstaat.
2023 konterte Brorhilker den Versuch des grünen NRW-Justizministers Benjamin Limbach, der ihre Abteilung teilen und eine Anzahl Verfahren in andere Hände legen wollte. Limbachs Motiv bestand wohl auch darin, die Ermittlungen zu beschleunigen. Brorhilker wehrte sich erfolgreich, Limbach ließ seinen Plan fallen und stockte die Stellen der Staatsanwaltschaft auf.
Vielleicht spürte Brorhilker trotzdem einen Mangel an langfristiger Unterstützung. Jetzt wechselt sie die Ebene der Auseinandersetzung. Im Einklang mit Gerhard Schick betonte sie, sich politisch, öffentlich und mit Kampagnen für die Stärkung des Rechtsstaates einsetzen zu wollen. Ein Ziel könnte darin bestehen, dass irgendwann eine Bundesanwaltschaft gegen Finanzkriminalität gegründet wird – ähnlich dem Generalbundesanwalt, der sich unter anderem um Terrorismus kümmert.
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