Cricket-Ikone in Bangladesch: Der gefallene Messias
Shakib Al Hasan ist Bangladeschs größter Sportstar. Er unterstützte die gestürzte Regierung. Jetzt steht er in der Kritik und unter Mordverdacht.
Es ist noch nicht lange her, da löste der Name Shakib Al Hasan vor allem mit positiven Assoziationen aus. Der 37-jährige Cricketspieler aus Bangladesch ist der Beste, den sein Land je hervorgebracht hat. Sportjournalisten in Bangladesch teilen die Historie des Crickets, dem mit Abstand beliebtesten Sport des Landes, in die Zeit vor und nach Shakib Al Hasan ein. Manchmal wird er deshalb auch als „Jesus des Crickets von Bangladesch“ bezeichnet. Er hat eine neue Zeitrechnung begründet.
Wenn der Name heute fällt, sorgt er im südasiatischen Land für gereizte Blicke, löst manchmal sogar Wut aus. Im August machten Bilder die Runde, auf dem ein übergroßes Werbeposter des Superstars mit Graffiti übersprayt wird. Ein viel gesehener Tweet kommentiert: „Ehemalige Ikonen Bangladeschs sind am Boden, da sie sich auf der falschen Seite der Proteste wiederfinden.“ Die indische Zeitung Times of India nannte Al Hasan einen „unter Beschuss geratenen Cricket-Champion“. Was ist da los?
Anfang August gipfelten wochenlange Proteste im 175-Millionen-Land in der Flucht von Premierministerin Sheikh Hasina, die bis dahin über eineinhalb Jahrzehnte autoritär regiert hatte. Die Protestierenden hatten gefordert, dass Jobs im öffentlichen Sektor künftig auf fairere Weise vergeben würden. Große Unzufriedenheit hatte aber schon länger bestanden – wegen der ausufernden Korruption im Land, der harten Hand der Regierung gegenüber kritischen Stimmen sowie hoher Lebenshaltungskosten.
Anfangs reagierten Polizei und Militär mit purer Gewalt gegen die Demonstranten. Erst als die Premierministerin das Land fluchtartig per Helikopter Richtung Indien verlassen hatte, stellte sich das Militär auf die Seite der Protestbewegung. Oberbefehlshaber Waker-uz-Zaman kündigte die Aufarbeitung aller Verbrechen an, ernannte zudem den Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus zum Vorsitzenden einer Übergangsregierung. Der wiederum hat versprochen, bald Wahlen anschieben zu wollen.
Stumme Cricketstars
Einiges deutet daraufhin, dass in Bangladesch demnächst bessere Tage anbrechen. Inwieweit das auf den Sport zutrifft und damit auf die größten Idole des Landes, ist ungewiss. Denn während im Land Chaos ausbrach, immer mehr Prominente Partei für die Protestierenden ergriffen, blieben die Cricketstars stumm. „Sie haben sich nicht mit uns solidarisiert“, klagt Sohanur Rahman, ein 27-jähriger Umweltaktivist, der im Juli unter Lebensgefahr auf die Straße ging, um für Demokratie zu kämpfen.
Rahman sagt etwas, das dieser Tage häufig zu hören ist: „Die Leute verehren Shakib nicht mehr.“ Und das klingt nahezu unglaublich. Als Kapitän der Nationalmannschaft Bangladeschs und führender Spieler in mehreren Klubs verschiedener Länder hat Al Hasan seine Heimat über die vergangenen eineinhalb Jahrzehnte weltweit als große Cricketnation bekanntgemacht. Kaum ein Kind, eine Frau oder ein Mann, der den Namen Shakib Al Hasan nicht kennt. Der Mann ist eine Art lebendes nationales Heiligtum.
Gewesen. Denn jetzt gilt er als Verräter. Kritische Stimmen fanden das zwar schon länger. Denn als die nun geflohene Hasina im Januar bei umstrittenen Wahlen die Mehrheit erlangte, hatte sich auch Shakib Al Hasan auf ihre Seite geschlagen. Für Hasinas Partei Awami League war er ins nationale Parlament eingezogen. Es war mal wieder ein Coup: Anders als in Pakistan oder Indien, wo große Spieler erst nach ihrer aktiven Karriere in die Politik gingen, machte Al Hasan es schon währenddessen.
Leo Wigger, der beim Berliner Thinktank Candid Foundation die Programme zu Südasien sowie Eurasien leitet und zum Autorenkreis des Fachmagazins Zenith gehört, erkannte die Sinnhaftigkeit der Aktion. Vor allem wenn man bedenke, welcher Partei sich Al Hasan da angeschlossen hatte. Wigger sagte damals: „Shakib Al Hasan ist einfach ein Star, nicht nur in Bangladesch. Und ihn politisch einzubinden, ist ein Riesen-PR-Erfolg für die Awami League von Sheikh Hasina.“
Posterboy der Regierung
Die damalige Premierministerin soll ihrem neuen Parteikollegin vor der Wahl versichert haben: „Du musst keine Rede halten. Du musst nur sechs Runs schlagen.“ Wer im Cricket den auf ihn geworfenen Ball ins Aus befördert, beschert seiner Mannschaft sechs Runs und damit wichtige Punkte. Und Al Hasan, der zuvor mehrmals beteuert hatte, kein Interesse an Politik zu haben, machte mit. Er spielte weiter Cricket, hielt bei politischen Themen den Mund, galt aber als Posterboy der Regierung.
Nur hat er wohl etwas zu viel geschwiegen – oder in den falschen Momenten. Denn nun wird dem Cricketer nicht nur vorgeworfen, die Demokratiebewegung nicht unterstützt zu haben. Er hat sogar eine Klage wegen Mordes am Hals. Während der wochenlangen Proteste kamen Hunderte Menschen ums Leben. Der Vater eines der Opfer, die auf der Straße protestierten, hat Shakib Al Hasan und weitere Personen beschuldigt, als Abgeordnete die Ermordung angeordnet zu haben. Mehrere Personen stehen nun vor ähnlichen Klagen.
Seither wird der Fall in den Medien breit diskutiert. Mehrere Cricketspieler haben auch schon darauf reagiert, ihren Mitspieler – der für die meisten jüngeren Athleten zumindest ein sportliches Vorbild ist – in Schutz genommen. Der jetzige Nationalmannschaftskapitän Najmul Hossain Shanto bezeichnet Al Hasan als „wichtige Ressource unseres Landes“, und: „Er hat das Ansehen Bangladeschs in der Welt über die letzten 17 Jahre verbessert.“
Später Seitenwechsel
Shanto solidarisiert sich mittlerweile mit denen, die gegen Sheikh Hasina protestiert und diese letztlich aus dem Land gejagt haben: „Im neuen Bangladesch wollen wir alle etwas Neues sehen. Ich hoffe, dass die Dunkelheit bald dem Licht weichen wird.“ Andere Spieler haben sich ähnlich geäußert. Aber ob das reicht, um das Vertrauen derer zurückzugewinnen, die den Wandel herbeiprotestiert haben?
Aktivist Sohanur Rahman ist sich nicht sicher, wie viele im Land von den Worten der Stars überzeugt sind. „Die Cricketspieler hatten Angst, etwas gegen die alte Regierung zu sagen, solange sie noch an der Macht war.“ Das verstehe er. Aber hätten diese Superstars früher die Proteste unterstützt, hätte es womöglich weniger Tote gegeben. Immerhin, „vor dem Umsturz hat unsere Nationalmannschaft nicht gut gespielt. Kurz danach aber haben sie gleich mehrere Spiele gewonnen“, so Rahman.
Ob das als Wiedergutmachung reicht? Bei einem möglichen Gerichtsprozess gegen den größten Sportler der bangladeschischen Geschichte dürften Erfolge auf dem Feld ohnehin keine größere Rolle spielen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren