Crash am Bundeskanzleramt in Berlin: Alles kein Zufall
Ein 54-Jähriger rammt mit seinem Auto den Zaun des Kanzleramts. Fotografen sind sofort zu Stelle. Das befeuert die Verschwörungsmythen.
Das Presseaufgebot ist gewaltig. Kamerateams, Fotografen, schreibende Zunft aus dem In- und Ausland tummeln sich an diesem grauen Novembervormittag vor dem Kanzleramt. Der 54-jährige Fahrer, der inzwischen abgeschirmt in einem Rettungswagen der Feuerwehr sitzt, hatte das Tatfahrzeug mit weißer Farbe bepinselt. „Ihr verdammten Kinder und alte Menschen Mörder“ prangt auf der linken Seite des Golfs. Auf der rechten heißt es: „Stop der Globalisierungspolitik“.
Schon einmal, im Februar 2014, hatte der Mann mit demselben Auto den Zaun des Kanzleramts gerammt. „Schluss mit dem Menschen tötenden Klimawandel“, stand damals auf der Fahrerseite. Und auf der Beifahrerseite eine private Botschaft: „Nicole, ich liebe dich“.
Ein Verwirrter – so viel lässt sich vermuten. Dass es sich dazu auch um einen Coronaleugner handeln könnte, wäre kein Widerspruch. Auf dem Beifahrersitz des Golfs liegt ein Artikel der österreichischen Zeitschrift Wochenblick. Es geht um den Tod einer „13-jährigen Maskenträgerin“.
Gewagte Thesen
Wenn der Mann denn zu den Verschwörungsmystikern gehören sollte, ist er an diesem Mittwoch im Regierungsviertel nicht der Einzige. Vor dem Kanzleramt hat sich ein Radfahrer mit buntkarierter Weste aufgebaut. Am Lenker hat er ein Transparent befestigt: „Der PCR Test kann Infektion nicht feststellen“ heißt es in Leuchtschrift, „nicht“ ist dick unterstrichen. Am Nachmittag berät Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten. Härtere Coronamaßnahmen sollen beschlossen werden.
Eine ältere Dame von gepflegtem Äußeren beobachtet die Geschehnisse interessiert. „Der Angriff auf das Kanzleramt ist eine gesteuerte Geschichte“, sagt sie. Warum sollte das so sein? Neue Befestigungsanlagen rund um das Regierungsviertel und ein Graben vor dem Reichstag sollten auf diesem Wege von den politisch Verantwortlichen durchgedrückt werden, ist die Frau überzeugt. Den Beweis für ihre These sieht sie durch die Anwesenheit der Medien erbracht. „Kaum war der Mann in den Zaun gefahren, waren die Fotografen da.“ Das sei doch kein Zufall.
Ist es auch nicht: Mittwochmorgen hatte das Spektrum um den Oberverschwörungsideologen Attila Hildmann eine Kundgebung am Reichstag angemeldet. 12 Menschen hätten teilgenommen, sagen die Fotografen, die vor Ort waren. Sie seien danach rüber zum Kanzleramt, wo eine weitere Versammlung angemeldet gewesen sei.
Die Demo hat sich als eine Pro-Merkel-Kundgebung von zwei Studentinnen aus Korea entpuppt. Sie hielten ein Transparent mit der Aufschrift in die Höhe: „A. Merkel, noch mal kandidieren für Deutschland“. In dem Moment ist der Golf-Fahrer 100 Meter weiter in den Zaun gefahren. Die Fotografen mussten sich quasi nur umdrehen.
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