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Coronapolitik in Berlin und BrandenburgGemeinsam ist nicht vereint

Kommentar von Stefan Alberti

Das unterschiedliche Timing beim Ende von 2G zeigt: Trotz vieler Gemeinsamkeiten bleiben Berlin und Brandenburg faktisch zwei Bundesländer.

Bei aller Nähe zwischen den Regierenden: Berlin und Brandenburg bleiben zwei Länder Foto: dpa

I rgendwie klang das im Dezember anders. „Unsere gemeinsame Hauptstadtregion endet nicht am A10-Autobahnring, sondern an Elbe, Oder und Neiße“, war von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kurz vor Weihnachten zu hören, als er wegen der Wahl von Franziska Giffey zur Regierenden Bürgermeisterin ins Abgeordnetenhaus kam. Das verhieß eine enge Zusammenarbeit mit Berlin und – weil die genannten Flüsse die Außengrenzen von Brandenburg markieren – quasi eine zumindest gedankliche Fusion der beiden Bundesländer.

Woidkes Parteifreundin Giffey würgte etwaig aufkommende Gedanken an eine politische Fusion zwar schon kurz darauf ab – im Jahr 1996 war ein Volksentscheid gescheitert. Aber dass Berlins Regierende ihre erste Dienstreise nach Potsdam unternahm und nicht etwa nach Brüssel oder Warschau, unterstrich Woidkes Satz von der gemeinsamen Region. Viel war fortan von beiden Seiten von Gleichschritt, Gemeinsamkeiten und von der Metropolenregion zu hören.

Doch was passierte am Dienstag dieser Woche? Da beschloss die eine Landesregierung – jene in Potsdam – die 2G-Regel für den Einzelhandel ab dem nächsten Tag aufzuheben und nur noch eine FFP2-Maskenpflicht vorzuschreiben. Auch Ungeimpfte dürfen also wieder in diese Geschäfte. Die andere Regierung – der Berliner Senat – fasste diesen Schritt am selben Tag zwar auch ins Auge, verschob einen Beschluss darüber aber auf den nächsten Dienstag. Gültig wäre er dann eineinhalb Wochen später als in Brandenburg.

Als Hauptgründe für das zögliche Verhalten Berlins gelten anhaltende Vorsicht und die Absicht, die 2G-Regel in einem Schwung nicht nur für den Einzelhandel, sondern auch für Museen und Bibliotheken zu kippen. Doch diese unterschiedliche Herangehensweise führt nun zu skurrilen Situationen.

Beispielsweise darf ein Umgeimpfter in Zehlendorf im Berliner Südwesten nicht in ein Elektronikfachgeschäft, während er sich ein paar hundert Meter weiter im angrenzenden brandenburgischen Kleinmachnow dazu lediglich eine FFP2-Maske aufsetzen muss. So könnte der Eindruck entstehen, dass es ja nicht her sein kann mit der gemeinsamen Region, dem Sich-Absprechen und Im-Gleichschritt-Gehen. Umso mehr, weil Brandenburg zuletzt eine höhere (und steigende) 7-Tage-Inzidenz hatte als Berlin, wo diese wieder sinkt.

Diese Sichtweise ist aber zu einfach – und das nicht nur, weil in Berlin die Rate jener, die mit oder wegen Corona ins Krankenhaus kommen, fünf Mal höher ist. Nein, es zeigt, dass zwei Landesregierungen – selbst wenn sie wie in Berlin und Brandenburg seit mehr als 20 Jahren von ein und derselben Partei geführt werden – Dinge unterschiedlich betrachten können. Auf Basis ihrer lokalen Verortung, ihrer Erfahrungen, ihrer Schwerpunktsetzung.

Das zeigte sich etwa auch 2020, als in Potsdam das SPD-geführte Bildungsministerium die Abschlussklassen komplett im Präsenzunterricht ließ. Berlins Bildungssenatorin, gleichfalls Sozialdemokratin, setzte hingegen in ihrem nur 30 Kilometer Luftlinie entfernten Büro am Alexanderplatz auf andere Unterrichtsformen.

Ohne Fusion bleibt die Konkurrenz

Wirkliche und völlige Gemeinsamkeit und Einheitlichkeit brächte nur eine echte Länderfusion. Dann würde eine Landesregierung entscheiden, würde ein Landesparlament Gesetze für jenes von Woidke so begrenzte Gebilde zwischen Elbe, Oder und Neiße beschließen.

Das kann man aus vielen Gründen wollen und aus ähnlich vielen nicht. Man darf sich aber nicht der Hoffnung hingeben, dass beide Länder auch ohne offizielle Vereinigung wie eine Region funktionieren. Ohne Fusion werden beide Länder nur so lange gemeinsame Sache machen, wie es beiden nützt – etwa bei er Verkehrsplanung. Sobald sie aber in einer Konkurrenzsituation sind etwa wenn es um Fördergelder des Bundes geht oder um Steuereinnahmen durch Unternehmensansiedlungen, wird jedes Land zuerst an sich denken.

Letzten Endes ist das auch richtig so und macht den Kern eines föderalen Systems aus – das eine ist eben nicht ohne das andere zu haben.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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